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19.01.08 / »Das sind unsere Unternehmen« / Frankreichs Präsident Sarkozy will ein Europa, das seine Bürger schützt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

»Das sind unsere Unternehmen«
Frankreichs Präsident Sarkozy will ein Europa, das seine Bürger schützt
von Jean-Paul Picaper

Der Reform-Vertrag von Lissabon, den Präsident Sarkozy durchgeboxt hat, hat die Europäische Union aus der institutionellen Blockade herausgeholt und aus seinem Land erneut eine treibende Kraft der europäischen Integration gemacht. Schon am Tage seiner Amtsübernahme im Mai 2007, als er Angela Merkel in Berlin besuchte, hatte „Speedy Sarko“ gesagt, daß die Probleme nicht lösbarer würden, wenn man sie auf die lange Bank schiebe. Als Feind des „Aussitzens“ legte er kurz darauf seinen europäischen Verfassungsersatz auf den Tisch.

Nun, ab Juli 2008 wird Frankreich die Präsidentschaft der Europäischen Union übernehmen. Es ist anzunehmen, daß der Franzose an der Spitze ebenso aktiv und tatkräftig an Europa wie an seine Inlandspolitik herangehen wird. Er ließ auf seiner Pressekonferenz am 8. Januar durchblicken, daß er sich bewußt ist, daß der Vertrag allein insbesondere deshalb nicht ausreicht, weil ein tiefes Mißtrauen einen Graben zwischen den Europäern und Brüssel schafft. „Europa braucht eine neue Zivilisationspolitik“, betonte er. „Es muß sich entbürokratisieren. Es braucht mehr Politik und weniger Technokratie. Allerdings hat es jetzt einen Rahmen und Regeln, wonach es jetzt entscheiden kann.“

Dabei muß es Sarkozy klar sein, daß er gegenüber den anderen Partnerstaaten als EU-Präsident Autoritätsdefizite haben wird, denn daheim in Frankreich sind bei ihm einige Dinge in Unordnung. Besonders im Vergleich mit Deutschland werden sie sichtbar. Zahlreiche Divergenzen in der Haushaltsführung und in der Wirtschaftslage beider Staaten sind derzeit zu beobachten (siehe Kasten).

Vor allem das französische Haushaltsdefizit wird in Berlin und in Brüssel getadelt. Aber es scheint, daß die Pariser Regierung jetzt aufs Bremspedal drückt. Insbesondere für den Arbeitsmarkt, den Rentensektor, die Krankenversicherung und das Erziehungswesen werden nun Entscheidungen fällig.

Auch bezüglich der Machtverhältnisse bei der Europäischen Zentralbank sind die Divergenzen zwischen Frankreich und insbesondere Deutschland nicht von der Hand zu weisen. Vor allem französische Exporteure, die sich durch die Überbewertung des Euro gegenüber dem Dollar benachteiligt sahen, drängten Sarkozy, die EZB unter politisches Kuratel zu stellen. In Deutschland wurde immer wieder die Unabhängigkeit der EZB bekräftigt. Dem Franzosen wurde nur gegönnt, anstelle einer europäischen Wirtschafts- und Währungsregierung einen europäischen Rat der Weisen zu gründen.

In Deutschland sorgt man sich mehr um die Entwicklung der Inflationsrate als um den Wechselkurs. In Frankreich wird aber jetzt auch auf die Preissteigerungen mit dem Finger gezeigt. Insgesamt müßten also Deutsche und Franzosen im kommenden Sommer etwas ähnlicher geworden sein, als es im letzten Jahr der Fall war.

„Mein Ziel ist es“, sagte Sarkozy am 8. Januar den 750 Journalisten aus 45 Staaten, „daß wir am Ende der französischen Präsidentschaft in Europa auf dem Wege zu einer gemeinsamen Politik der Zuwanderung, der Verteidigung, der Energie- und der Umweltpolitik weiter vorangeschritten sind.“ Angesichts der Globalisierung und des Aufstiegs neuer Weltmächte will Sarkozy Europa widerstandsfähiger machen. Das erklärt auch, warum er sich den USA wieder angenähert hat.

Dringendstes Ziel wird der Schutz der europäischen Arbeitsplätze sein. Die Franzosen wollen die Produktionsanlagen (nicht nur die Entwicklung und die Montage wie die Deutschen) auf ihrem Territorium behalten. Sarkozy nahm indirekt das Tabuwort „Protektionismus“ in den Mund, indem er äußerte: „Die Bürger in ganz Europa wollen Schutz (auf Französisch: ,protection‘) bekommen; sie wollen, daß Europa sie schützt, statt sie verletzbarer zu machen.“

Darüber hinaus plädiert er für die „Gemeinschaftspräferenz“. Das bedeutet, daß der europäische Binnenmarkt gestärkt wird und vor Einbrüchen und Dumping von außen abgeschottet wird. „Es wäre widersinnig, ein politisches Europa zu wollen und diesen binneneuropäischen Handels- und Industrievorzug abzulehnen. Sonst hätten wir eine offene Freihandelszone angelsächsischer Art gemacht … Man kann ein tadelloser Liberaler sein und sagen: Das sind unsere Unternehmen, wir werden sie verteidigen.“

 

Deutschland und Frankreich – Die Giganten der EU

Zu Recht beanspruchen Deutschland und Frankreich, beide der Motor Europas zu sein. Beide Länder tragen mit 28 Prozent (Deutschland) beziehungsweise 20 Prozent (Frankreich) zum Bruttoinlandsprodukt der EU bei und repräsentieren zusammen rund die Hälfte des wirtschaftlichen EU-Reichtums. Nichtsdestoweniger befinden sie sich nicht in derselben Phase des Wirtschaftszyklus. Zuletzt hatte das französische Wirtschaftswachstum das deutsche überstiegen. Nun aber wird für Deutschland eine Wachstumsrate von 2,5 Prozent und für Frankreich von 1,8 Prozent vorhergesagt. Damit bleibt Frankreich deutlich hinter dem Wachstumswert der EU zurück. Der Sockel für das deutsche Wirtschaftswachstum wird von den Investitionen (mit einem Zuwachs in Höhe von 5,7 Prozent) und dem Export (Nettoüberschuß von 150 Milliarden Euro im Jahr 2006) gebildet. Die Verbesserung der deutschen Wirtschaftslage ist nicht allein den Reformen der Agenda 2010 zuzuschreiben, sondern sie ergibt sich auch aus den Vorteilen der EU-Erweiterung, die Deutschland besser zu nutzen wußte. Allerdings ist das Binnenwachstum in Deutschland schwach, da die Lohnentwicklung jahrelang gemäßigt ausfiel und die Kaufkraft bremste. Im Gegensatz dazu verzeichnet Frankreich zwar ein reges Binnenwachstum, das sich zur Zeit etwas abflacht, weist jedoch ein signifikantes Handelsdefizit auf (rund 30 Milliarden Euro im Jahr 2007).         J.-P. P.

Foto: Sarkozy in Rage: Der Franzose will, daß sich in der Europäischen Union mehr bewegt.


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