25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.01.08 / Ein farbenprächtiges Paradies / Die Kunsthalle Emden zeigt den Garten in der Kunst seit 1900

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

Ein farbenprächtiges Paradies
Die Kunsthalle Emden zeigt den Garten in der Kunst seit 1900
von Silke Osman 

In diesen Wochen sehen sie meist scheußlich und trostlos aus, die Gärten vor den großen Villen ebenso wie die Parzellen in den Kleingartenvereinen. Viele Hausbesitzer und Gartenfreunde haben es zwar noch rechtzeitig vor dem Wetterwechsel geschafft, den Garten winterfest zu machen. Die Stauden sind beschnitten, die Rosen abgedeckt und der Rasen vom restlichen Laub befreit. In dem einen oder anderen Garten aber sieht es nicht so akkurat aus. Da stehen noch die verblühten Reste der Sommerpflanzen. Braun sind sie geworden, als der erste Frost über sie kam. Andere wieder scheinen wie erstarrt, haben ihre welkende Schönheit geradezu konserviert. Kaum zu entscheiden, was faszinierender ist: der akkurate Garten, der wie mit der Nagelfeile gestutzt wirkt, oder der etwas verwilderte, der vom Winter überrascht wurde. Eines aber ist beiden gemeinsam: Sie bilden „eine Gegenwelt zur fortschreitend technisierten und fremdbestimmten Realität“, erläutert Nils Ohlsen, wissenschaftlicher Leiter der Kunsthalle Emden.

„In gleichem Maße, wie die Event-Gesellschaft die Wirklichkeit immer mehr durch virtuelle Scheinwelten ersetzt, gewinnt der Garten an Bedeutung.“ Ausstellungen in der Londoner Tate Britain, im Wiener Belvedere oder im Frankfurter Städel haben die Bedeutung des Gartens in der Kunst gewürdigt. Zur Neueröffnung der Kunsthalle Emden hat sich das Haus in Ostfriesland mit einer großen Ausstellung zurückgemeldet, die dem Kunstliebhaber ein farbenprächtiges Paradies bietet. Die hochkarätig besetzte Schau „Garten Eden – Der Garten in der Kunst seit 1900“ nimmt den Besucher mit auf eine ausgedehnte Wanderung durch den Garten in der Kunst vom Beginn der Klassischen Moderne bis in die unmittelbare Gegenwart. 180 Werke von 95 Künstlern aus 25 Ländern sind in Emden zu bestaunen. Die Reihe reicht von Malerei und Skulptur über Fotografie bis hin zu Videokunst und Installationen. In acht Kapiteln werden die unterschiedlichsten Arbeiten einander gegenübergestellt: Vom Dschungel zum Paradies, Der Gärtner, Archiv und Ordnung, Zäune und Hecken, Locus amoenus, Die „Dritte Natur“, Der Garten als Labor, Der Zaubergarten. Der Garten, der einst der Oberschicht vorbehalten war, öffnete sich im 19. Jahrhundert auch den Bürgern. Mancher herrschaftliche Park bot den Arbeitern aus den engen Wohnquartieren einen Ort der Erholung. Und wer es sich leisten konnte, legte sich einen eigenen Garten an. Moderne Städteplaner sorgten dafür, daß nicht nur die Häuser hell und luftig wurden, sondern auch Gärten zu einem Haus gehörten. Der private Garten wurde schließlich auch von den Künstlern entdeckt. Ja, es gab manchen, der selbst einen anlegte und später im eigenen Garten seine besten Motive fand. Claude Monet, Max Liebermann oder Emil Nolde sind die herausragendsten Beispiele. „Nicht mehr die Dokumentation, sondern die individuelle Beobachtung des Lichts und die Wirkung der Atmosphäre auf die eigene Befindlichkeit stehen im Vordergrund ihrer Werke“, erläutert Ohlsen diese Schaffensperiode.

„Ziel der Ausstellung ist es“, so Nils Ohlsen, „in einer Zeit, in der das Erleben unberührter Natur kaum noch möglich ist, nicht nur einen künstlerischen, sondern auch einen soziologischen, ökologischen und weltanschaulichen Diskurs über den Garten und darüber hinaus über den Umgang mit den natürlichen Lebensräumen und Res-sourcen in Gang zu bringen.“

„Den Künstlern dieser Ausstellung geht es in ihren Werken um die kreative Auseinandersetzung mit dem komplexen Natur- und Zeichensystem des Gartens. Wie durch ein Fernrohr blicken sie von der Warte ihres jeweiligen Mediums, ihres kulturellen Gedächtnisses und ihrer persönlichen Erfahrungen auf die vielschichtigen Phänomene des Sujets. Ohne selbst an die Bedingungen des Gärtners gebunden zu sein, adaptieren, interpretieren und hinterfragen sie ihren Gegenstand und schaffen dadurch – und das ist entscheidend – neue Perspektiven.“

Zeitlos und doch aktuell ist das Thema Garten in der Kunst. „Von der ungegenständlichen Abstraktion bis zur erzählerischen Dokumentation kommt das ganze Spektrum formaler Möglichkeiten zur Anwendung, während auf inhaltlicher Ebene vielfältige Bezüge zu Geschichte, Religion, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik hergestellt werden. Hier zeigt sich beispielhaft, wie wirksam Kunst in das Denken und Handeln des einzelnen Menschen und der Gesellschaft eingreifen kann“, so Ohlsen. „Gerade indem die Künstler diesen Ort, den jeder kennt, mag und zu verstehen glaubt, in ihren Werken neu interpretieren, lassen sie beim Betrachter Sensibilität, Fragen und Neugier aufkommen.“ Inwieweit die Ausstellung in Emden diese Neugier auch stillen kann, mag der Besucher selbst entscheiden.

Die Ausstellung „Garten Eden – Der Garten in der Kunst seit 1900“ in der Kunsthalle Emden, Hinter dem Rahmen 13, 26721 Emden, ist dienstags von 10 bis 20 Uhr, mittwochs bis freitags von 10 bis 17 Uhr, am Wochenende und feiertags von 11 bis 18 Uhr geöffnet, montags geschlossen. Eintritt 10 / 7 Euro, bis 30. März.

Foto: Karl Schmidt-Rottluff: Der Garten (Öl auf Malpappe, 1906). Ein herausragendes Beispiel expressiver Malerei


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren