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19.01.08 / Folgen der Schuld / Selbstmord zerstört Karriere

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

Folgen der Schuld
Selbstmord zerstört Karriere

In dem Roman „Der goldene Pelikan“ erzählt der polnische Schriftsteller Stefan Chwin die Geschichte des Danziger Juraprofessors Jakub. Diese Geschichte handelt jedoch nicht von der Liebe, sondern von dem Leiden, von den Auswirkungen, die Schuldgefühle und Selbstzweifel in der Psyche eines Menschen zur Folge haben, wie sie einen Menschen gar zerstören können.

Jakub, der gelehrte, selbstdisziplinierte Juraprofessor, der sich in seinem Leben stets an die Regeln gehalten hat, begeht eines Tages einen für ihn folgenschweren Fehler. Nach einer Examensprüfung behauptet eine junge Studentin, von ihm eine falsche Benotung bekommen zu haben, wodurch sie nun durchs Examen gefallen sei. Unwirsch und in Eile kanzelt Jakub das Mädchen ab. Selbst die Bitte eines Kollegen, noch einmal einen Blick in seine Unterlagen zu werfen, lehnt Jakub rigoros ab.

Schon bald hat der Juraprofessor die hübsche, verzweifelte Studentin vergessen, und erst zu Beginn des Wintersemesters wird er plötzlich wieder an die angebliche Fehlbenotung erinnert.

„Eine Woche später, am Dienstag, ging er müde und etwas zerstreut in das Café der juristischen Fakultät hinunter, setzte sich ans Fenster, sog mit einem Strohhalm an seinem Orangensaft und blätterte ohne Eile die Morgenzeitungen durch ... Am Nachbartisch saßen ein paar Leute ... als die Musik etwas leiser wurde, drangen ein paar Worte an sein Ohr, die sich plötzlich zu verständlichen, wenn auch abgerissenen Sätzen fügten: ... die Kandidatin bat darum, daß man prüft, ob kein Irrtum vorlag. Sie war überzeugt, daß es ein Mißverständnis war ... Aber sie haben sie einfach weggeschickt ... Ein paar Tage später hat sie sich das Leben genommen.“

Dieser letzte Satz löst in Jakub einen wahren Sturm an Gefühlen aus. Wirre Gedanken drängen sich ihm auf, die Befürchtung, aufgrund seiner Selbstgerechtigkeit und Selbstherrlichkeit eine junge Frau in den Tod getrieben zu haben, treibt den sonst so nüchternen und rationalen Mann in seiner Rastlosigkeit vom Psychiater zum Pastor. Absolution für seine Seele findet er bei beiden nicht.

Sein Leben beginnt ihm langsam, aber stetig aus den Händen zu gleiten. Entnervt und enttäuscht verläßt ihn seine Frau nach etlichen Jahren zufriedenen Ehelebens.

Der ehemals so akkurate und penible Professor verwahrlost zusehends und findet sich irgendwann als verwahrloster Obdachloser, gleichgültig und willenlos auf der Straße wieder.

Erst einer selbst vom Schicksal arg mitgenommenen jungen Frau gelingt es, Jakub aus seinem Sumpf an Selbstzweifeln und Schuldgefühlen zu befreien und den letzten Funken (Über-)Lebenswillen wieder neu zu entfachen.

Ein faszinierend und zugleich etwas beklemmend wirkender Roman über die Macht der menschlichen Psyche und deren Auswirkungen auf unser tägliches Leben und Handeln.               A. Ney

Stefan Chwin: „Der goldene Pelikan“, München 2008, 299 Seiten, 9,50 Euro, Best.-Nr. 6509


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