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19.01.08 / Partner im Ebert-Groener-Pakt / Vor 80 Jahren trat Reichswehrminister Wilhelm Groener sein Amt an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

Partner im Ebert-Groener-Pakt
Vor 80 Jahren trat Reichswehrminister Wilhelm Groener sein Amt an
von Klaus Hornung

Vor 80 Jahren, am 19. Januar 1928, wurde Generalleutnant a. D. Wilhelm Groener von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichswehrminister ernannt. Er war der dritte Inhaber dieses Amtes nach Gustav Noske und Otto Gessler, das er bis zum 31. Mai 1932 innehaben sollte. Wer war dieser heute weithin vergessene Soldat und Politiker?

Der 1867 als Sohn „kleiner Leute“, der Vater war Regimentszahlmeister, gebürtige Ludwigsburger hatte mit 17 Jahren die Offizierslaufbahn gewählt und galt früh neben Erich Ludendorff als „bestes Pferd“ im Berliner Großen Generalstab. Im Ersten Weltkrieg stieg er vom Chef der Eisenbahnabteilung im Generalstab zum Chef des für die Waffenproduktion sowie Rohstoff- und Nahrungsmittelversorgung zuständigen Kriegsamtes und stellvertretenden preußischen Kriegsminister auf. Ende Oktober 1918 wurde er Ludendorffs Nachfolger als Generalstabschef der Obersten Heeresleitung (OHL). Vor allem durch sein Betreiben stellte die OHL sich am 10. November der neuen Regierung der Volksbeauftragten unter Friedrich Ebert zur Verfügung, um im Bündnis mit den Mehrheitssozialdemokraten den Sieg der bolschewistischen Revolution in Deutschland zu verhindern.

Im Juni 1919 griff Groener ein zweites Mal entscheidend in die Entwicklung ein: Er riet der Regierung zur Unterzeichnung des Versailler Friedensdiktats. Er tat dieses, um die staatliche Einheit Deutschlands zu retten. Gleichwohl trug ihm diese Entscheidung den bitteren Hass der extremen Rechten auf den „Revolutionsgeneral mit der Ballonmütze im Koffer“ ein. 

Nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst im September 1919 wurde Groener 1920 Reichsverkehrsminister, ein Amt, das er bis 1923 bekleidete, und zum Schöpfer der Deutschen Reichsbahn. Die folgenden fünf Jahre lebte er als Militärhistoriker in seiner neuen Heimat Potsdam.

Seine Ernennung zum Reichswehrminister als Nachfolger des wegen eines Finanzskandals der Reichswehr, der sogenannten Lohmann-Phoebus-Affäre, zurückgetretenen Deutschdemokraten Otto Geßler erfolgte während der kurzen Stabilisierungsphase der Republik. Der durch den Zusammenbruch von 1918 „Vernunftrepublikaner“ gewordene Groener hatte das Vertrauen sowohl Hindenburgs wie der SPD, auch wenn er der schwachen Weimarer Parteiendemokratie skeptisch gegenüberstand und eine Präsidialdemokratie nach US-amerikanischem Vorbild vorgezogen hätte. Militärpolitisch beendete er den von General Hans von Seeckt als Chef der Heeresleitung seit 1920 verfolgten Kurs der Distanz zur Republik. Nicht „Staat im Staat“ sollte die Reichswehr sein, sondern „zuverlässiges Instrument in der Hand der verfassungsmäßigen Gewalten“ und zugleich „Teil der übergeordneten Staatsautorität“ jenseits des „Haders der Parteien“. Die Republik war für Groener ebenso die Verkörperung der „überzeitlichen Staatsidee“ mit dem gleichen Anspruch auf die Treue der Bürger und Soldaten wie die Monarchie. Groener erkannte daher den Primat der Politik an und hielt die Kooperation der militärischen Führung mit der politischen Reichsleitung sowie den Verzicht auf die Autonomie der bewaffneten Macht für unerläßlich. Im Gegenzug sollte die politische Führung die Verantwortung auch für die Militärpolitik und wenn nötig auch für die geheime Rüstung übernehmen. Er erstrebte eine möglichst breite gesellschaftliche und politische Abstützung der Armee, an der sich auch die Sozialdemokratie beteiligte. Deren überalterte und in der Oppositionsrolle bis 1918 aufgewachsene Führung zeigte für dieses Anliegen allerdings wenig Verständnis.

Groener begann seine Tätigkeit mit einer umfassenden Reorganisation des militärischen Führungsapparats. Sie zielte auf eine eindeutigen Leitung des Ministers, welche die Fortführung des „Systems Seeckt“ ausschloß. Was die Kritiker aus der politischen Rechten nicht wußten: Groener hatte sich schon seit 1919 für eine möglichst geräuschlose Umgehung der Versailler Abrüstungsbestimmungen und die längerfristige Wiedergewinnung der „Freiheit der Landesverteidigung“ eingesetzt, welche die Rückkehr von der Berufsarmee der Reichswehr zur allgemeinen Wehrpflicht in der Form einer Milizarmee einschloß.

Groener an der politischen Spitze der Reichswehr war dann seit dem April 1930 auch die stärkste Stütze der Präsidialregierung Heinrich Brünings, die seiner eigenen Staatsvorstellung entsprach. Im Verein mit Brüning ging es Groener um die Überwindung der schweren Wirtschafts- und Gesellschaftskrise seit 1929/30, um die Beseitigung der Versailler Reparationslasten und um die Wiedergewinnung der deutschen militärischen Gleichberechtigung. Doch der Nutznießer der Krise war Hitlers Massenbewegung, welche die aus dem wirtschaftlichen Elend resultierende Ungeduld der Menschen für sich zu mobilisieren verstand. Das SA-Verbot im April 1932, das Groener gegen den widerwilligen Hindenburg durchsetzte, war sein Versuch, der heraufziehenden totalitären Gefahr in letzter Minute Paroli zu bieten. Es sollte die Autorität des Staates gegen Hitlers revolutionäre Privatarmee verteidigen, den Nationalsozialisten die „Giftzähne ausbrechen“, ehe man daran denken könne, sie als normale Partei in eine Koalitionsregierung aufzunehmen. Mit dem Mut des Offiziers verteidigte er am 10. Mai 1932 im Reichstag das Verbot gegen die tobende Fraktion der Braunhemden, obwohl sein langjähriger Freund und Mitarbeiter General Kurt von Schleicher wie große Teile der militärischen Führung sich für den problematischen Versuch der Zähmung der braunen Massenbewegung entschieden hatten – ein Versuch, der an Hitlers Machtwillen des alles oder nichts ebenso scheiterte wie Groeners eher evolutionärer Plan einer Integration der Hitlerbewegung durch die Beseitigung ihrer Bürgerkriegsarmee, der SA. Der von Hitlers Stimmzettelrevolution ausgelöste Erdrutsch überspülte die Dämme, die Groener und Brüning zu errichten versuchten; Groener fehlte wohl auch der bedenkenlose Machtwille seines Kontrahenten.

Doch Brüning wie Groener waren die Exponenten anderer deutscher Möglichkeiten im Entscheidungsjahr 1932, von Alternativen zu dem Weg Hitlers, der Deutschland nach sechs Friedens- und Aufrüstungsjahren und sechs Jahren des totalen Krieges schließlich in den Abgrund führte, wobei diesen freilich die meisten Protagonisten wie auch die Massen der Mitläufer in der offenen Situation von 1932/33 nicht voraussehen konnten.

Der Verfasser dieses Artikels ist Autor der in Kürze beim Ares Verlag, Graz, erscheinenden 250 Seiten starken Monographie „Alternativen zu Hitler – Wilhelm Groener – Soldat und Politiker in der Weimarer Republik“.

Foto: Vor 80 Jahren ging der eine und kam der andere: Wilhelm Groener (links) und sein Vorgänger Otto Gessler


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