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19.01.08 / Ostpreußens wandernder Kessel / Rittmeister Günter Konopacki-Konopath schlug sich mit seiner Aufklärungsabteilung zu den eigenen Linien durch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

Ostpreußens wandernder Kessel
Rittmeister Günter Konopacki-Konopath schlug sich mit seiner Aufklärungsabteilung zu den eigenen Linien durch
von Wolfgang Gerhardt

Der 1919 in Groß Bösitz / Brandenburg geborene Günter Konopacki-Konopath führte Ende 1944 ein Aufklärungsbataillon, das überwiegend aus Rekruten bestand. Aufgrund des Einbruchs der Sowjets in Ostpreußen wurde sein Bataillon der neu aufgestellten 10. Radfahr-Jägerbrigade als I. Abteilung unterstellt. Die Umstände brachten es mit sich, daß Fahrräder, die reichlich vorhanden waren, zur Beweglichmachung eingesetzt wurden. Es fehlte weitgehend an schweren Waffen und Gerät. Die Fahrräder ermöglichten eine nicht unerhebliche Mobilität: Das Fahrrad konnte am Lenker zwei Panzerfäuste transportieren und das gesamte schwere Gepäck eines Mannes mitführen. Die mit Fahrrädern ausgestatteten Verbände waren im übrigen beweglicher als die motorisierten Verbände, weil die Straßen mit Flüchtlingen verstopft waren. Oft genug wurde der Einsatz schwerer Verbände dadurch verhindert, was zu Rückschlägen und vermeidbaren Niederlagen führte.

Als Reserve der bis 30. Januar 1945 von General der Infanterie Hoßbach und dann von General der Infanterie Fr. W. Müller kommandierten 4. Armee wurde die Brigade von ihrem Kommandeur, Oberstleutnant Briegleb, als Sperrverband in der Seenkette zwischen Rastenburg und Johannisburg eingesetzt. Hierfür war sie geeignet, weil die wenigen Durchlässe gut zu überwachen waren und das Gelände einen Panzereinsatz der sowjetischen Angreifer verwehrte.

In der Erkenntnis, daß die Seen für einen weiteren Angriff ein zeitraubendes Hindernis sein würden, sparte die 3. Weißrussische Front unter Armeegeneral Ivan Danilowic Tschernjachowski diesen Engpaß aus und griff mit zwei Stoßkeilen nördlich und südlich in Richtung Königsberg und Heiligenbeil an. Der Angriff begann am 13. Januar 1945. Dazu gab Tschernjachowski folgenden Tagesbefehl aus: „… wir stehen vor der Höhle der faschistischen Angreifer und bleiben erst stehen, wenn wir sie ausgeräuchert haben. Gnade gibt es nicht, für niemanden … Das Land der Faschisten muß zur Wüste werden. … Die Faschisten müssen sterben.“ Ziel war es, nicht nur die Ostsee zu erreichen, sondern die 4. Armee schnell in einem Kessel zu vernichten.

Zwar waren die Vorbereitungen auf der deutschen Seite erkannt worden, doch standen ausreichende Kräfte für eine geschlossene Abwehr nicht zur Verfügung. Die knappen Reserven waren durch Munitions- und Treibstoffmangel, die Verstopfung der Straßen durch Flüchtlingstrecks und die gewaltige Luftunterstützung der Sowjets in einer verzweifelten Lage. In rascher Folge fielen Städte und Dörfer in Feindeshand.

Die Radfahrjäger blockierten weiter das Seengebiet und hatten sich mit Schwerpunkt im Raum Sensburg konzentriert. Dort hielten sie bis zum 29. Januar 1945 aus. Dann erreichte sie der Befehl, sich nach Heiligenbeil durchzuschlagen. In tagelangen schweren und verlustreichen Einzelgefechten „wanderte“ Rittmeister Konopacki hinter den russischen Divisionen her. Diese waren ihm um Tage voraus und am 24. Januar bereits in Wormditt, am 27. bei Tolkemitt und am 28. in Friedland und Korschen. Am 18. Februar 1945 stieß ein vorausfühlender Spähtrupp der Abteilung Konopacki bei Mehlsack auf den Gefechtsstand der 3. Weißrussischen Front unter deren Oberbefehlshaber Tschernjachowski.

Tschernjachowski, dem zu Ehren die Russen später Insterburg in „Tschernjachowsk“ umbenannten, galt als einer der besonders fähigen und herausragenden Offiziere. Mit seinen erst 38 Jahren schien ihm noch eine große Karriere bevorzustehen. Zu diesem Zeitpunkt fand bei den Russen eine „Siegerorgie“ statt. Konopacki griff unter Ausnutzung des Überraschungsmoments sofort an und kämpfte sich durch – einen großen Teil des Stabes machte er nieder. Der Frontbefehlshaber Tschernjachowski versuchte, mit drei Stabsoffizieren in einem deutschen oder US-Schwimmwagen zu fliehen. Eine Panzerfaust beendete diesen Fluchtversuch. In der russischen Literatur wird unterschiedlich über den Tod von Tschernjachowski berichtet. Einmal heißt es, er „fiel bei den Kämpfen in der Nähe von Mehlsack“, dann er „fuhr auf eine Mine“, aber auch er „erlag seinen bei Mehlsack erlittenen Verletzungen“. Im kürzlich erschienenen Werk des englischen Autors A. Beaver „Der Endkampf“ heißt es: „durch einen Blindgänger“.

Bedingt durch die zahlreichen hohen und höchsten Wehrmachts- und NS-Dienststellen in diesem Gebiet mit dazugehörigen Fernmeldetruppen und Behörden waren viele deutsche Nachrichtenhelferinnen im Einsatz oder auf der Flucht und von den Sowjets vereinnahmt worden. Unter Mitnahme der Nachrichtenhelferinnen gelang es der I. Abteilung der Radfahr-Jägerbrigade, die deutschen Linien vor Heiligenbeil zu erreichen, wo sie der Division Großdeutschland unterstellt wurde und mit dieser bis zum Kriegsende kämpfte.

Für diese Leistung erhielt der Abteilungskommandeur Rittmeister Konopacki als 797. Soldat der Wehrmacht durch Großadmiral Dönitz – der Zugang nach Berlin war nicht mehr frei – das Eichenlaub zum Ritterkreuz. Nach weiteren Verwundungen – insgesamt acht – wurde Konopacki von der Marine nach Schleswig-Holstein, möglicherweise Neustadt heraustransportiert.

1956 trat Konopacki als Kompaniechef der 2. Kompanie in das Panzeraufklärungslehrbataillon (Bremen) ein, nachdem er sich zuvor eine bürgerliche Existenz als Kaufmann aufgebaut hatte. Nach kurzer Zeit wurde er als Major zum deutschen militärischen Vertreter beim Nato-Hauptquartier SHAPE nach Paris versetzt. Hier tat er bis Weihnachten 1958 Dienst, als ihn ein tragischer Unfall in der Seinemetropole das Leben kostete.

Der Verfasser des Artikels würde sich freuen, wenn sich Teilnehmer der beschriebenen Ereignisse mit ihm in Verbindung setzen könnten. Anschrift: An der Dorbek 19, 24768 Rendsburg.


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