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19.01.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

Ohne wenn und aber / Warum uns die Italiener jetzt noch weniger mögen, wie die Ideologie ihre Reinheit erhält, und wie die Teetassen tanzen lernten
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die Italiener nennen sie die „Züge der Schande“, jene endlos langen Schienentransporte, die den Müll von der sonnigen Halbinsel ins neblige Germanien kutschieren, wo der Unrat fachgerecht verbrannt wird. Eine Schande sei das, weil man die Entsorgung nicht selbst auf die Reihe bekomme, fuchsen sich die Italiener. Daß es ausgerechnet die Teutonen sein müssen, die ihnen im Sinne des Wortes aus dem Dreck helfen müssen, wurmt dabei gewiß ganz besonders.

Das Verhältnis zwischen Deutschen und Italienern ist schon seit der Hermannsschlacht durchwachsen. Es heißt, die Deutschen lieben die Italiener, aber sie schätzen sie nicht, und die Italiener schätzen die Deutschen, aber lieben sie nicht. Das trifft es wohl in etwa.

Da muß aber noch mehr sein: Waren nicht die Leute da oben einst die Barbaren? Grobiane, die  in ihre wuchernden Wälder äpfelten, als der vornehme Römer längst würdig zum Spülklosett schritt? Und waren nicht die Römer die Meister der Ordnung, der Effizienz, der Technik, während die wüsten Germanen noch ungestüm in ihrer Wildnis hockten?

Nebst römischer Kaiserkrone und Adler ist offensichtlich auch einiges von den Tugenden, die das antike Rom einst groß machten, mit über den Brenner entwischt. Am Ende war kein Staat der Neuzeit im besten Sinne „römischer“ als Preußen.

Das kränkt die Italiener, und der Trost ihrer unerreichten Kunstschätze kann den Gram über die versiebte Vorrangstellung nur teilweise überdecken. Da liefert dieser Müllskandal alles, was es zum Wundenaufreißen braucht.

Dabei kommt es unserem Ruf zugute, daß die Alpen so hoch sind. Offenkundig erkennen die Italiener die Wirklichkeit jenseits des gewaltigen Massivs nur    lückenhaft und füllen die Löcher mit den üblichen Vorurteilen vom mäßig sympathischen, aber sagenhaft tüchtigen Teutonen, der jedes Problem kühl und kompetent löst, wo sich Italiener in ziellosem Palaver nur selbst blockieren. Könnten sie uns genauer sehen, würden sie schnell bemerken, daß wir viel netter sind als sie glauben. Und daß wir in Sachen Palaver und Selbstblockade längst zu ihnen aufgeschlossen haben, wenn nicht sogar schon an ihnen vorbeigeschossen sind.

Hätten sich jene deutschen Umweltschützer durchgesetzt, die in den 80er Jahren Sturm liefen gegen neue Müllverbrennungsanlagen, dann müßten wir uns heute den Weg über Berlins Abfallberge bahnen zur französischen oder polnischen Botschaft, um dort Erlösung zu erflehen – um danach erleichtert den „Zügen der Schande“ hinterher zu hüsteln, die unsere verdreckten Städte verlassen. Bei uns waren die Umweltlobbyisten damals unterlegen, in Neapel siegten sie. Den Unterschied erkennt man heute am Geruch.

Die Parole hieß seinerzeit „Müllvermeidung statt Müllverbrennung“. Die Verbrennung sollte blockiert werden, nach dem simplen Ratschluß: Wenn die Deutschen nicht mehr wissen, wohin mit ihren Unrat, dann werden sie – abrakadabra! – auch keinen mehr produzieren. Mit anderen Worten: Wir müssen nur die Mündung des Flusses zuschaufeln, dann kommt aus der Quelle auch kein Wasser mehr.

Diese Logik hat sich tief ins Denken der Grünen eingebrannt. Heute heißt es: Reißt die Kernkraftwerke ab, blockiert neue Kohlekraftwerke, und schon bald wird unser Energieverbrauch ganz von selbst auf nahe Null sinken. Den winzigen Rest gewinnen wir aus regenerativen Energiequellen.

Allerdings ist manchen Grünen das Abschalten, Blockieren und Vermeiden von was auch immer längst zum Ziel an sich geworden. Nehmen wir die Windkraft. Eben noch wollten sie ganz Deutschland zuspargeln, die Blutschmierer der von den Rotorblättern erschlagenen Vögel wurden in Öko-Kreisen schamhaft übersehen.

Das hat jetzt ein Ende: In Berlin klagt der Naturschutzbund (Nabu) gegen die erste Windkraftanlage der Hauptstadt. Der aus dem altehrwürdigen „Deutschen Bund für Vogelschutz“ hervorgegangene Nabu fürchtet um das Leben von Greifvögeln, denen die Windflügel in der Tat seit Jahren reihenweise den Garaus machen, was bis dato klimaschutzbedingt lieber nicht so hoch gehängt wurde. Nach dem Motto: Wer merkt das schon?

Wenn demnächst allerdings die geschredderten Kadaver den Berlinern geradewegs in den Vorgarten klatschen, könnte dies einen unerwünschten Denkprozeß auslösen: Vielleicht ist das rundum emissionsreduzierte Kohlekraftwerk oder gar ein neues Akw doch die bessere Lösung als dieser häßliche Wildgeflügel-Fleischwolf am Stadtrand?

Daher klagt der Nabu zu Recht: Windkraftanlagen gehören in abgelegenere Gegenden, wo zartfühlende Menschen dem Todeskampf ihrer gefiederten Freunde nicht  live beiwohnen müssen. Weiter draußen können Öko-Aktivisten die Tierreste in Ruhe aufsammeln und den Geflügelmatsch ornitologisch korrekt erfassen – um abends frisch und aufgeräumt im Fernsehen über die ungenutzten Chancen der Windkraft als Alternative zu Kohle und Atom aufzuklären.

Ideologie hat eben Licht und Schatten: Das Licht kommt daher, daß immer alles so schön klar und widerspruchsfrei ist. Den Schatten wirft die unberechenbare Wirklichkeit, von der sich der  gestählte Ideologe aber nicht in die Irre führen läßt. In Niedersachsen plakatieren die Grünen die Wahlkampfparole: „Klima – ohne wenn und aber!“

In Deutschland kommt so etwas gut an, weil man hier die Kettensägen von Borneo und anderen Tropenwaldgebieten nicht hören kann, mit denen der Dschungel planiert wird für die Palmölplantagen, die uns den klimakorrekten Biosprit liefern sollen.

Da also liegt die Lösung, beim Windrad wie beim Palmöl: Die Wirklichkeit muß auch geographisch auf Distanz gehalten werden, damit die Ideologie, ungehemmt von kleinkarierten „Wenns“ und „Abers“, zur prachtvollen Blüte reifen kann.

Der ärgste Feind des porentief reinen Ideologen ist indes gar nicht die Wirklichkeit an sich, sondern ihre giftigste, unverfrorenste Ausgeburt: Die Ironie.

Apokalyptischer Spitzenreiter in Sachen Ironie ist die Weltgeschichte, das mußten auch grüne Aktivisten einst bitter erfahren: Schleswig-Holsteins Eisenbahnen wurden (und werden zum Teil heute noch) weitgehend mit Dieselloks befahren. Deren Leistung ist aber begrenzt. Um richtig lange Güterzüge ziehen zu können, spannte die Bundesbahn Ende der 80er daher zwei Loks statt einer davor.

Dagegen klagten natürlich die Öko-Kämpfer – mit Erfolg. Jedenfalls dachten sie das. Dann nämlich schlug die gefürchtete Ironie der Geschichte mit unerbittlicher Gemeinheit zu: Kurz nach dem Urteil fiel die Mauer. Ab sofort brauchte die Bundesbahn das Theater mit den zwei Lokomotiven gar nicht mehr zu veranstalten. Denn jetzt standen ja Reichsbahn-Loks zur Verfügung, die den selben Zug allein ziehen konnten. Statt zwei relativ leiser westdeutscher Dieselloks rumpelte so die weitaus leistungsstärkere, aber unglaublich laute und dreckige „Taiga-Trommel“ aus sowjetischer Produktion durch das Land zwischen den Meeren.

Was die Schleswig-Holsteiner wohl empfunden haben, als ihre Teetassen durch den Dieselruß über die Tische tanzten? War leider nicht herauszukriegen. In dem Krach konnte man kein Wort verstehen.

Ist auch egal: Die Öko-Ideologen zur Verantwortung zu ziehen ginge sowieso nicht. Bei ihnen zählen allein die für gut erklärten Absichten und nicht etwa die Folgen ihres Handelns. Und überhaupt: Sind die Neapolitaner nicht selber Schuld an dem stinkenden Gebirge in ihren Straßen? Hätten doch einfach aufhören können mit dem Müllproduzieren! Das sollten wir ihnen im Glanze unserer teutonischen Überlegenheit unbedingt mal mitteilen. Ohne wenn und aber. Das wird ein Fest!


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