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26.01.08 / Machtübernahmen – gestern und heute

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

»Moment mal!«
Machtübernahmen – gestern und heute
von Klaus Rainer Röhl

Der letzte „Spiegel“-Titel war ein Renner. An den meisten Einzelverkaufsstellen war er schon am Dienstag ausverkauft. Es hätte nachgedruckt werden können. Die Ausgabe mit dem farbigen Hitlertitel lief einmalig, bei jung und alt übrigens. Es ist ja nicht so, daß nur die Alten ein so ansprechend schönes Bild ihres gewählten Diktators sehen wollten – eine geschönte Ölfarbenfassung, wie sie als Druck früher in fast jeder Wohnstube hing. Auch die Jungen kauften das Bild mit der Hakenkreuzfahne. Wenn so ein Bild bei einem Jungsturm der Rechtsradikalen in einem schleswig-holsteinischen Dorf an der Wand hängt, kommen die Jugendlichen unter Umständen ins Kittchen. Wegen des Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole und Bilder. Der „Spiegel“ darf das. Er dürfte einen SS-Mann mit Sieges-Runen am Kragenspiegel und Totenkopf abbilden. Der „Stern“ natürlich auch. Zeitgeschichtliches Interesse. Ganz besonders in dieser Woche mit dem Jahrestag der Machtergreifung am 30. Januar 1933. Der „Spiegel“ war nur vorgeprescht. Eigentlich war es gar keine Machtübernahme, es war eine Machtübergabe: Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch den Präsidenten Hindenburg. Nachdem Nazis und Kommunisten auch nach der Reichstagswahl vom November 1932 eine negative Mehrheit behalten hatten und das Land unregierbar geworden war. Schließlich übergab man Hitler die Kanzlerschaft, zusammen mit ein paar konservativen Politikern bildete er ein Kabinett. Er siegte immerhin durch Wahlen, nicht durch eine Revolution wie Lenin. Aber ein halbes Jahr danach war Deutschland eine Diktatur. 34,7 Prozent der Deutschen hatten Hitler bei der letzten freien Wahl im November 1932 ihre Stimme gegeben, die meisten sind heute nicht mehr am Leben. Zwei ganze Generationen sind seither dazugekommen und kennen die Zeit nur noch vom Hörensagen, aber das Interesse an Bildern von damals, man muß schon sagen, die Faszination, hat sich erhalten, und selbst die Enkelkinder der ersten „Spiegel“-Leser haben dieses Interesse an den Führerbildern und Filmen und Aufmärschen und Klatschgeschichten scheinbar im Blut und wollen die „furchtbare Zeit“ und das Tä-tä, Tä-tä, Tä-tä des Badenweiler Marschs immer noch einmal sehen und hören, und seit es, ab 1998, im ZDF die populären Fernseh-Serien über die NS-Zeit von Guido Knopp gab, schwemmte der Trend noch mehr Interessenten ins „Spiegel“-Haus.

Seit 13 Jahren ist Stefan Aust Chefredakteur beim „Spiegel“. Angelernt als Journalist in den wilden 68ern im Röhlschen „konkret“. Zwischen Aufklärung über Vietnam und der Aufklärung über die Babypille. Er ist erst nach dem Ende des Hitler-Regimes geboren. Andere Erlebnisse als die Augsteins haben ihn geprägt. Sein größtes persönliches Erlebnis und ständig umkreister Fixpunkt seines Interesses ist das, was er selber den „Baader-Meinhof-Komplex“ genannt hat, aber seine geradezu fixe Idee ist eine gewisse, angebliche Mitschuld der Polizei beziehungsweise der Staatsschutzbehörden an der Gewalt, ja sogar an der Entstehung des Terrorismus. Aber mit Baader und Meinhof allein kann man nicht Auflage machen. Der „Führer“ im „Spiegel“ hat sich immer gut verkauft, und der Termin der „Machtergreifung“ lag ja nun wirklich zum Greifen nahe. Mindestens um zehn Prozent stieg die Auflage, auf 1,187 Millionen. Zu spät. Der Blattmacher, der so oft eine Auflage gemacht hat, ist gekündigt.

Auch im „Spiegel“ gab es eine Machtergreifung. Über die Hintergründe müssen wir nicht lange rätseln. Ein Blick in die Linkspresse genügt: „Wird der ,Spiegel‘ wieder links?“ titelte, nein, jubelte die linksopportunistische Tageszeitung (taz) am 16. November letzten Jahres, als bekannt wurde, daß die „Gesellschaft der Mitarbeiter“ den Vertrag von Stefan Aust, der nur noch bis Ende 2008 läuft und gerade um zwei weitere Jahre verlängert werden sollte, überraschend kündigte. Wird der „Spiegel“ wieder links? War er denn je links? Das war wohl mehr eine Wunschvorstellung einiger Redakteure. Was muß man sich unter der „Gesellschaft der Mitarbeiter“, die 50,5 Prozent der Anteile des „Spiegel“-Verlags besitzen, vorstellen, und wem verdanken sie ihre nahezu unbeschränkte Macht, die sie nach dem Tod Rudolf Augsteins haben? Augsteins Kinder behielten mit 24,5 Prozent nicht einmal mehr eine Sperrminorität. Aber Augstein-Tochter Franziska hatte bereits im Jahr 2005 in einer Rede die Debatte über die „Qualität“ der Berichterstattung losgetreten und zeigte sich mit der Mehrheit der „Mitarbeiter“ einig: Unter Austs Führung sei die Zeitung „unpolitisch“ geworden, bringe keine engagierten Serien und Reportagen mehr heraus. Das ist erkennbar absurd. Im Gegenteil. Unter Stefan Aust wurden mehr knallharte, sensationelle Serien, Reportagen und Untersuchungen veröffentlicht als je zuvor. Das viel mißbrauchte Wort vom investigativen (gründlich nachforschenden) Journalismus konnte wieder zu Recht auf das Hamburger Magazin angewandt werden.

Doch sieht man heute überdeutlich, was mit dem Vorwurf mangelnder „journalistischer Qualität“ gemeint war: linker Journalismus.

Unter Stefan Aust fehlten zunehmend die verharmlosenden Berichte über die auswuchernde, schon seit Augsteins Zeiten gehätschelte und begünstigte linke Szene, die nach 1967 entstanden war. Hier vollzog sich eine ohnehin fällige Ernüchterung. Vom Drogenkonsum bis zur Gewaltfrage, von der kritischeren Beurteilung der Dritten Welt und ihrer Probleme nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, von der Illusion über die sogenannten guten Terroristen der RAF bis zur Gewalt an unseren Schulen in den mit Scheinasylanten vollgestopften Berliner Stadtbezirken. Langsam begann im „Spiegel“ eine lange anstehende Abrechnung mit den gröbsten Verwüstungen, die die Erben der 68er in unserem Land angerichtet haben. Die unter Aust entstandene Serie über Haschisch-Konsum war geradezu epochemachend, die schonungslose Aufdeckung der Windkraft-Propaganda und der handfesten Interessen, die dahinterstehen, die Aufklärung über den unter dem neuen Titel „Gender“ auftretenden radikalen Feminismus sind ebenso gut erinnerlich wie die Serie über die Ereignisse des sogenannten „Deutschen Herbstes“ und das offene Beim-Namen-Nennen der Sympathisanten-Szene, die das lange Bestehen des RAF-Alptraums erst ermöglichte. Höhepunkt der Abrechnung war und die meiste Empörung unter allen Ex-Linken und Noch-68ern löste aber der „Spiegel“-Titel vom 29. Oktober 2007 aus. Auf ihm zeigte eine Karikatur zwei Alt-68er, die ein Transparent mit der Aufschrift in der Hand hielten: „Es war nicht alles schlecht!“

Es ist gut möglich, daß diese in der gesamten Republik mit Zustimmung und Gelächter begrüßte Karikatur das Faß bei der linken Mehrheit der „Gesellschafter“ zum Überlaufen brachte.

Wenig später wurde ein neuer Geschäftsführer gewählt, dem von vorneherein die Rolle zugedacht war, die Entmachtung von Aust zu exekutieren.

„Wird der ,Spiegel‘ wieder links?“ Die „taz“-Schlagzeile will in Wirklichkeit sagen: Das Magazin möge gefälligst demnächst einen linken Kurs steuern! „In einer Zeit, in der im ‚Web‘ massenhaft Gegenöffentlichkeit entsteht, ist Aust ein Mann von gestern“, triumphiert die „taz“. Das Wort „Gegenöffentlichkeit“ ist entlarvend. Dieses Schlagwort wurde auf dem Höhepunkt der 68er Revolte im Kampf linker Ideologen gegen die Presse benutzt, auch gegen den „Spiegel“.

Und der Wunsch einiger Redakteure, ein gut funktionierendes, kritisches, weltoffenes Magazin einer rigiden und engstirnigen linken Agitation dienstbar zu machen, wurde von den „taz“-Redakteuren nur besonders offen ausgesprochen. Solche Bestrebungen reichen weit in die Geschichte zurück, genau in das Jahr 1967. Als die Aktion „Enteignet Springer!“ sich schnell als nicht realisierbar erwies und sehr bald als „Enteignet Augstein!“ weitergeführt wurde, die bald flankiert wurde durch eine lange vorbereitete und am Ende geglückte Kommando-Aktion in „konkret“.

Schließlich kamen die Rebellen, die diesen Handstreich mit der Hilfe eines kommunistischen Einflußmillionärs und einer Million D-Mark schließlich zur Zerstörung des auflagestarken „konkret“ führten, direkt aus dem inneren Kreis der „Spiegel“-Rebellen, der „Deutschland I.“-Redaktion des damaligen „Spiegel“. Es waren der Ressortchef von Deutschland I., Hilmar von Hoffmann, und sein Stellvertreter Hermann L. Gremliza.

Auch da lautete der Vorwurf der eingeschleusten Rebellen, das Magazin sei unpolitisch geworden, mache keine linke Politik und der Chefredakteur müsse gehen. „Macht Schluß mit dem konkreten Mief / und schafft ein APO-Kollektiv“ war der Schlachtruf. 1974 war das. Mit unsäglichen Intrigen und einer Million D-Mark aus der Kasse eines kommunistischen Millionärs gelang es, die Zeitung und sogar den Titel zu erobern, den Gründer und Chefredakteur abzusetzen. Von der auflagestarken Publikumszeitschrift blieb nur ein schaler, linker Rest.

Diese Ereignisse übten einen starken Druck auf Augstein aus. Er aber konnte eine ähnliche Entmachtung aufgrund sehr viel besserer wirtschaftlicher Ausstattung und besserer Freunde und Berater verhindern, machte aber ein Zugeständnis, das die juristische Grundlage zu dem heutigen Putsch der „Gesellschafter“ legen sollte: die Gründung der „Mitarbeiter KG“ und ihren Anteil von fast 50 Prozent. Die Aktion „Enteignet den ,Spiegel‘“ wurde schließlich von Rudolf Augstein selber in die Wege geleitet.

Foto: „Spiegel“-Titel der vorletzten Woche: 75. Jahrestag publikumswirksam inszeniert


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