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26.01.08 / Alte Steine und junge Stimmen / Schloß Rheinsberg erwartet wieder viele Besucher zum Festivalsommer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

Alte Steine und junge Stimmen
Schloß Rheinsberg erwartet wieder viele Besucher zum Festivalsommer
von Silke Osman

In der römischen Mythologie ist sie die Göttin der Wasserquellen – Egeria. Ihr zu Ehren hat man Wasserpflanzen benannt und ihre Grotte in vielen Parks nachgebildet. So ließ Prinz Heinrich, der Bruder Friedrichs des Großen, um 1790 eine Felsstein-grotte im Park seiner Residenz Rheinsberg erbauen und mit einer Nymphenfigur aus Terrakotta schmücken. Als Heinrich 1802 starb, verfiel die Grotte und wurde 1843 restlos beseitigt. Restlos?

Als man 2007 begann, die Grotte wiederaufzubauen, fand man im davor liegenden Teich Material der alten Grotte, darunter Teile der Egeria-Plastik. Fast vollständig erhalten geblieben ist das Haupt der Nymphenfigur …

Das Jahr 2007 war ohnehin ein Meilenstein in der Sanierung des Schlosses mit seinem wunderschönen Park. So konnten drei der neuen Inselbrücken fertiggestellt werden und die Feuerwehrzufahrt gewährleisten. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) entschied sich für „eine moderne Formensprache, die sich dennoch dem Denkmalensemble aus Schloß und Garten unterordnet“, betont der Bereichsarchitekt der SPSG Dirk Dorsemagen. „Die neuen Brücken greifen die in Rheinsberg gängigen Materialien wie Sandstein und Holz auf. Bei den Brüstungen und Brückenpfeilern wird der Charakter von Sandstein hervorgerufen, dennoch ist es ein Kunststein, der als Monolith vor Ort gegossen wird. Das ,Vortäuschen‘ einer anderen Materialität knüpft an die hölzernen Vorgängerbrücken der Prinzenzeit an, die durch Holzverkleidungen und entsprechende Bemalung ebenfalls vorgaben, massive Natursteinkonstruktionen zu sein.“

„Trotz der konsequent zeitgenössischen Architektursprache verstehen sich die Rheinsberger Brücken als Retusche von Fehlstellen in einem wertvollen, großformatigen Bild aus Garten- und Baudenkmälern, wie es die Schloßanlage von Rheinsberg darstellt“, erläutert Dorsemagen. „Diese Fehlstellen wurden geschlossen, indem sie in Material und Farbe der ,intakten‘ Umgebung angepaßt und verlorene Grundformen auf Grundlage gesicherter Befunde zitiert wurden. Hierdurch wird die Denkmalsubstanz der Rheinsberger Schloßanlage wieder ungestört erfahrbar und kommt dennoch ohne Fälschungen im Bereich von Fehlstellen aus.“ An diesem Sonnabend (11 Uhr) wird Dirk Dorsemagen übrigens in Schloß Rheinsberg über das Sanierungskonzept der Egeria-Grotte, die Baumaßnahmen und die sensationellen Funde berichten.

„Obwohl in Rheinsberg seit der Wende etwa 40 Millionen Euro investiert wurden, bleibt dennoch viel zu tun“, betont Alfons Schmidt, Leiter der Abteilung Baudenkmalpflege. „So ist es bei der Grabpyramide wegen der Feuchteschäden bisher nicht gelungen, an den schrägen Mauern Putz herzustellen, der nicht abrutscht. Weitere Objekte sind die Orangerie, das Knobelsdorffportal, der im Tragwerk geschädigte Salon, das Kavalierhaus mit seinen unsanierten Innenräumen sowie Teile des Leitungsnetzes: Es wird noch Jahre dauern, alles zu sichern und zu restaurieren“, so Schmidt in einem Beitrag des Besuchermagazins „Porticus“.

Die Gäste, die in diesem Sommer wieder Schloß und Park bevölkern werden, haben gewiß anderes im Kopf. Ihnen steht der Sinn nach Musik und schönen Stimmen. Im vergangenen Jahr waren es weitaus mehr als 20000 Opernfreunde, die der Weg nach Rheinsberg geführt hat. Vor dem großen Ereignis müssen jedoch erst die neuen jungen Stimmen gefunden werden, die 2008 in Rheinsberg ihr Können unter Beweis stellen werden. In St. Petersburg hat der Wettbewerb um die Teilnahme am diesjährigen Festival Kammeroper Schloß Rheinsberg bereits stattgefunden. In Berlin steht er noch an, dort werden vom 5. bis 9. Februar in der Deutschen Oper junge hoffnungsvolle Sänger und Sängerinnen miteinander  um die Teilnahme wetteifern.

Die Preisträger werden in Rheinsberg mit erfahrenen Dirigenten und Regisseuren unter professionellen Bedingungen ein musikalisches Werk erarbeiten und es während des Festivals vor großem Publikum aufführen. Open-Air-Spielstätten sind der Innenhof des Schlosses, das Heckentheater und der Schloßpark. Eine weitere Spielstätte ist das Schloßtheater. Teilnehmer des Festivals können sich zudem in der Operngala und bei Matineen präsentieren.

Den Auftakt bildet in diesem Jahr die konzertante Aufführung der Oper „Romeo und Julia“ in italienischer Sprache am 28. Juni im Schloßhof. „Die weiße Dame“ von François Boieldieu und Mo-zarts „Entführung aus dem Serail“ werden zwei Höhepunkte in diesem Festivalsommer sein. Den Abschluß am 16. August bilden Opernszenen junger Komponisten der III. Rheinsberger Opernwerkstatt unter dem Titel „Sehnsüchte“.

Viele hochtalentierte junge Sänger haben mittlerweile mit ihrem Festival-Auftritt eine erfolgreiche Karriere starten können. So trifft man an der New Yorker Met, der Mailänder Scala, bei den Salzburger Festspielen, an den Opernhäusern von Athen über Stockholm, Tokio, Wien, Sydney bis Zürich und an fast allen deutschen Bühnen auf Rheinsberger Sänger. Damit ist ein Traum des Festival-Gründers, Siegfried Matthus, in Erfüllung gegangen. Doch wer den Ostpreußen kennt, der weiß auch, daß er sich noch lange nicht auf diesen Lorbeeren ausruhen wird. Er ist also weiter auf der Suche nach jungen Talenten.

Weitere Informationen unter www.kammeroper-schloss-rheinsberg.de.

Foto: Unverhoffter Fund: Terrakotta-Kopf der Nymphe Egeria, deren Figur seit 1843 als verloren galt


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