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26.01.08 / Germanischer Brauthandel / Wie aus der Ehe ein Sakrament wurde / Das bleibt in der Familie (Folge 13)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

Germanischer Brauthandel
Wie aus der Ehe ein Sakrament wurde / Das bleibt in der Familie (Folge 13)
von Klaus J.Groth

Wenn zwei sich mögen und sich die Ehe versprechen, dann schenken sie sich einen Verlobungsring. Und wenn die zwei dann heiraten wollen, hängt das Standesamt das Aufgebot aus. Warum das eine und das andere getan wird, darüber macht sich kaum jemand Gedanken – es ist halt einfach so. Dabei geht die Sache mit dem Verlobungsring noch auf die alten Germanen zurück, und das Aufgebot wurde bereits im Mittelalter ausgehängt. Aus einstmals wichtigem Grund. Doch der geriet inzwischen in Vergessenheit oder wurde durch   veränderte Bestimmungen aufgehoben. Denn den Wandel der Ehe hat es schon immer gegeben.

Auch wenn die alten Sagen gelegentlich etwas anderes erzählen, besonders rücksichtsvoll gingen die germanischen Kerle mit ihren Weibern nicht um. Nach germanischem Recht war die Ehe zwischen dem Brautvater und dem Interessenten an der Braut auszuhandeln. Verlief der Ehehandel zur Zufriedenheit beider Seiten, wurde zum Zeichen des erfolgreichen Abschlusses dem Brautvater ein Ring gewissermaßen als Pfand oder als Anzahlung überreicht. Nahm der Brautvater diesen Ring an, galt das als Verlobung. Mit der Restzahlung konnte sich der Freier bis zur Hochzeit Zeit lassen, sie war erst dann fällig. Als die Germanen das Erbe der Römer antraten, ließen sie allmählich von ihren eher barbarischen Ehegebräuchen ab und orientierten sich mehr an den verfeinerten Sitten der Römer. Allerdings nicht einfach von heute auf morgen, sie ließen sich damit durchaus Zeit. Doch je weiter die Christianisierung unter den Germanen vorankam, desto gründlicher wurden auch die Ehesitten geändert.

Und schließlich entsprach das Eherecht unter den ersten christlichen Kaisern im nördlichen Europa so ziemlich genau dem römischen Recht (in der vorausgegangenen Folge haben wir darüber berichtet). Das bedeutete: In erster Linie war die Ehe eine private Angelegenheit. Kirche und Staat ging sie nichts an.

Das allerdings sollte sich ändern. Bei den Römern gab es noch die von Kaiser Augustus eingeführte Pflicht zur Ehe. Kinderlosigkeit konnte bestraft werden. Mit der christlichen Lehre waren solche Bestimmungen nicht mehr vereinbar, denn sie stellte Jungfräulichkeit und sexuelle Enthaltsamkeit noch über die Ehe. Folglich wurden die Bestimmungen zur Ehe- und Kinderpflicht als erste geändert beziehungsweise vollkommen abgeschafft.

Zudem wurde dem Brauthandel zunehmend ein Ende gemacht. Der Verkauf der Braut vertrug sich weder mit römischen noch mit christlichen Vorstellungen. Danach konnte eine Ehe nur Bestand haben, wenn sie aus freiem Willen geschlossen wurde.

Der Einfluß der Kirche auf das private Leben wurde jedoch im Laufe der Zeit immer stärker, und damit nahm sich die Kirche auch mehr und mehr der Fragen des privaten Zusammenlebens an. Die Kirche sprach der Ehe zunehmend eine religiöse Bedeutung zu und erklärte sie schließlich zum Sakrament. Mit der Erhebung zum Sakrament war eine Trennung ausgeschlossen, „denn was Gott zusammengefügt hat, das darf der Mensch nicht trennen“. Eine einmal geschlossene Ehe war damit unauflöslich geworden. Scheiden konnte fürderhin nur noch der Tod.

Die Entscheidung zur Ehe war folglich endgültig. Das wollte entsprechend gut überlegt sein. Nicht nur von den unmittelbar Beteiligten. Um leichtfertige Eheschließungen zu verhindern, setzte man die Hürden vor einer Hochzeit höher, ein „Irrtum“ sollte ausgeschlossen werden. Die mittelalterliche Gesellschaft kannte drei grundlegende Hindernisse, die den Bund fürs Leben kategorisch ausschlossen:

Die Blutsverwandtschaft. Danach durfte das Paar nicht miteinander verwandt sein. Diese Bestimmung wurde sehr weit ausgelegt. Noch bis zum sechsten oder siebten Grad galt das Eheverbot unter Blutsverwandten. Damit wurden Verbindungen unter Vettern und Basen bis zum dritten Grad ausgeschlossen. Die frühen Bestimmungen zur Blutsverwandtschaft waren demnach sehr viel rigoroser, als sie später ausgelegt wurden.

Die Verschwägerung. Nach mittelalterlicher Auffassung waren zwei Familien miteinander verwandt, wenn zwei Mitglieder aus ihnen verheiratetet waren. Das Paar war dann „ein Fleisch und ein Blut“ geworden und somit waren auch alle Angehörigen der verschwägerten Familien miteinander verwandt. Das schloß weitere Heiraten unter den Familien aus.

Die Geistliche Verwandtschaft. Als geistlich miteinander verwandt galten Paten und deren Patenkinder. Diese Verwandtschaft erstreckte sich auch auf die jeweiligen Familien. Auch unter ihnen war eine Heirat ausgeschlossen.

Obgleich ursprünglich keineswegs dafür ersonnen, entwickelten sich ausgerechnet die Ehehindernisse für manche gescheiterte Beziehung zum Notausgang. Da eine Scheidung ausgeschlossen war, die Kirche also einer Trennung niemals zustimmen  würde, mußte für eine Scheidung ein zu spät erkanntes Ehehindernis gefunden werden. Nur in diesem Fall war die Kirche bereit, einer „Annullierung“ widerwillig ihren Segen zu erteilen. Um solche Irrtümer gar nicht erst entstehen zu lassen, sah die Kirche sehr genau hin, wer sich da mit wem verbinden wollte. Und sie sah noch sehr viel genauer hin, wenn ein zu spät erkanntes Ehehindernis reklamiert wurde. Konsequenz: Der Einfluß der Kirche auf die Ehe wurde immer größer, eine private Angelegenheit zwischen zwei Menschen war sie längst nicht mehr.

Um die Zahl der zu spät erkannten Ehehindernisse möglichst gering zu halten, wurde das Heiratsaufgebot ersonnen. Jedes Paar, das die Absicht hatte zu heiraten, mußte das mit einem Aufgebot bekanntgeben. Und zwar so frühzeitig, daß jedermann Einspruch erheben konnte, dem ein Hindernis für diese Ehe bekannt war.

Die rund um die Ehe erlassenen Bestimmungen und Regeln klangen nach Zweckmäßigkeit, nicht nach großer Liebe. Und so war es auch. Große Gefühle wie Romeo und Julia, die mögen zwar manches junge Paar bewegt haben, aber ehetauglich waren sie für die meisten nicht. Die Ehe war für die Menschen des Mittelalters eine eher praktische Angelegenheit, die helfen konnte, schlecht und recht durch das Leben zu kommen. Die großen Gefühle, sie waren für die Träume und die Dichter des Minnesanges.

Gefühle sind zeitlos. Träume auch. Nur die Formen des Ausdrucks ändern sich. Die Hochzeit ganz im Weiß mit dem Tausch der Ringe vor dem Altar, das ist nur scheinbar der ewige Traum aller Schwiegermütter (und vieler Bräute).

In den ersten christlichen Jahrhunderten aber träumten keine Schwiegermütter (und keine Bräute) vom Tausch der Ringe vor dem Altar. Da ging es bei der Eheschließung noch ganz gut ohne die Kirche. Die Hochzeitsglocken läuteten erst, nachdem der Einfluß der Kirche im 12. Jahrhundert auf die Institution Ehe beherrschend geworden war. Noch im 10. Jahrhundert spielte die Kirche bei der Eheschließung praktisch keine Rolle. Die kirchliche Trauungszeremonie entwickelte sich erst im 13. Jahrhundert.

Doch auch die zum Sakrament erklärte Ehe blieb weiterhin eine persönliche Übereinkunft zwischen zwei Menschen. Und so plagte manchen Priester auch kein schlechtes Gewissen, wenn er ein junges Paar heimlich traute, weil deren Eltern gegen die Verbindung waren. Denn es gab bekanntlich nur drei Ehehindernisse, die Eltern gehörten nicht dazu.

In der nächsten Folge lesen Sie: Was Luther und Napoleon für die Ehe taten – Familie als frühes Experimentierfeld – Wie viele Frauen erlaubt Gott?

 

Familienmenschen und andere

Maria Henrietta Oranien-Nassau, geborene Stuart; (* 4. November 1631 in London; † 24. Dezember 1660) war gerade erst zehn Jahre alt, als sie Wilhelm II. von Oranien (* 27. Mai 1626 in Den Haag; † 6. November 1650) heiratete. Kinderehen waren unter der europäischen Fürstenhäusern ein probates Mittel, um politische Ziele zu verfolgen, Bündnisse zu schließen, die eigene Macht zu sichern oder den Frieden zu wahren. Maria war die älteste Tochter von König Karl I. von England und Irland und dessen Frau, Henrietta Maria von Frankreich. Als erste führte sie den Titel Princess Royal. Entsprechend ehrgeizig waren die politischen Pläne, die der Vater mit der Zukunft seiner Tochter verband. Sein erster Plan war, sie mit einem Sohn Philipps IV. von Spanien verheirateten. Als das scheiterte, wurde ihr Cousin, Kurfürst Karl I. Ludwig von der Pfalz als möglicher Ehekandidat ausersehen. Doch auch daraus wurde nichts. Schließlich wurde sie 1641 mit Wilhelm, dem Sohn und Erben des Statthalters Friedrich Heinrich von Oranien, verheiratet. Weil Braut und Bräutigam noch sehr jung waren (nach heutigem Verständnis Kinder), wurde die Ehe erst Jahre später vollzogen. Doch bereits ein Jahr nach der Trauung folgte Maria samt ihrer Mutter dem Ehemann in die Niederlande, wo sie ab 1644 als Schwiegertochter des Statthalters am öffentlichen Leben teilnahm. Wilhelm II. war nur drei Jahre im Amt. Er starb 1650 an den Pocken. Die Geburt seines Sohnes erlebte er nicht mehr. Er wurde später als Wilhelm III. König von England.

Marie Adelaide von Savoyen (* 6. Dezember 1685 in Turin; † 12. Februar 1712) war erst elf Jahre alt, als sie 1697 in Versailles mit dem 14jährigen Herzog von Burgund vermählt wurde. Die Hochzeit sollte ein Zeichen des Friedens zwischen dem Herzog von Savoyen und dem König von Frankreich setzen. Der Bräutigam, Ludwig von Frankreich, Herzog von Burgund, war Enkel des Königs. Wegen des jugendlichen Alters der Braut wurde auch diese Ehe vorerst nicht vollzogen. Das erste Kind wurde fünf Jahre nach der Eheschließung geboren, Ludwig, Herzog der Bretagne (1704–1705). Es folgten der gleichnamige Ludwig, Herzog der Bretagne (1707–1712) und Ludwig, Herzog von Anjou (1710–1774). Marie Adelaide von Burgund und ihr Mann starben ebenso wie ihr Sohn, der Herzog der Bretagne, im Jahr 1712 während einer Masern- oder Scharlachepedimie. Der einzige noch überlebend Sohn, Ludwig, Herzog von Anjou, wurde 1715 als Ludwig XV. zum König von Frankreich ernannt – allerdings unter der Regentschaft des Herzogs Philipp von Orleans. Die politische Führung des Landes überließ Ludwig XV. ab 1726 seinem früheren Erzieher, dem Kardinal Fleury.

Ludwig XV. (* 15. Februar 1710 in Versailles; † 10. Mai 1774) sei hier nochmals als Beispiel einer sehr frühen Ehe aus Staatsräson genannt. Ludwig war erst 15 Jahre alt, als er am 5. September 1725 die polnische Prinzessin Maria Leszczynska heiratete. Die Braut war acht Jahr älter als er, also 23 Jahre. Das dürfte einem 15jährigen schon ziemlich alt erschienen sein. Immerhin wurde diese Verbindung reichlich belohnt, der Bräutigam tauschte mit Österreich das Erbe der Braut gegen Lothringen. Auch in anderer Hinsicht war die Beziehung fruchtbar: Acht Kinder brachte Maria Leszczynska zur Welt. Nachdem das letzte, Louise Marie, 1737 geboren worden war, änderte Ludwig XV. seine Verhältnisse jedoch gründlich. Nach acht Jahren Ehe erklärte er Louise de Mailly offiziell zu seiner Mätresse. Pikanterweise waren die drei darauffolgenden Mätressen Schwestern der Louise des Mailly. Bleibende Berühmtheit erlangte allerdings eine andere Dame unter den zahllosen Geliebten des Königs. Ausgerechnet auf der Hochzeit des Dauphins Ludwig mit Maria Teresa von Spanien begegnete der König 1745 Madame d’Etioles, die er noch im gleichen Jahr als Marquise de Pompadour offiziell bei Hofe einführte. Der König stand auch noch unter ihrem Einfluß, als sie das Bett nicht mehr teilten. Kein Wunder, daß Ludwig XV. im Volk den Beinamen „der Vielgeliebte“ („le Bien-Aimé“) hatte.

Foto: Hochzeit bei den Germanen: Den Ring bekam der Vater der Braut.


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