18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
26.01.08 / So ein Verein hat was / Unverhofft kommt oft – So schnell wird man Kleingartenbesitzer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

So ein Verein hat was
Unverhofft kommt oft – So schnell wird man Kleingartenbesitzer
von Gabriele Lins

Seit neuestem haben wir einen Schrebergarten. Nie hätten wir geglaubt, daß wir mal Besitzer eines Kleingartens und damit Vereinsmitglieder würden, wir, die bei so was bisher die Nase rümpften.

Mein Onkel ist vor sechs Wochen gestorben, und aus lauter Trauer haben wir seinen Garten übernommen, einfach so, mit allem Schnickschnack, mit einem Rasen, der eine Wiese ist, und mit einer Holzhütte. Die kleine Küche darin ist ein Schmuckstück mit stahlblitzender Spüle und einem Einbauschrank, in dem mein Mann seine Bierflaschen verwahrt, und ich meinen Wein. Und ganz unten liegen die Gartenstiefel.

Im Wohnzimmer stehen noch Möbel von anno dazumal. Die Kuckucksuhr tut’s sogar noch. Als wir ankommen, ist es gerade Mittag. „Kuckuck“ tönt es uns entgegen, elfmal. Danach hängt die Stimme des Vogels ein wenig. „Kuckuck“, helfe ich ihm. Er vertraut mir völlig und antwortet sofort: – Zwölf! – Klapp, fliegt das winzige Türchen zu.

Der Rasen im Garten muß erneuert werden. Der Nachbar von links, Adolf Wehler, 75 Jahre alt, berät uns, obwohl er selbst keinen besitzt. Er hat nämlich so viel Gemüse angebaut, daß er es auf dem Markt verkaufen könnte, aber er erntet alles, und seine Frau friert es ein. „Es könnten ja wieder schlechte Zeiten kommen“, meint er und schaut uns so von oben herab an, daß man meint, man müsse vor ihm stramm stehen.

Einen Grill haben wir uns auch zugelegt; schließlich muß man den Vereinsmitgliedern hüben und drüben irgendwann den sogenannten Einstand geben. Unseren Zaun hinten – zwei Latten sind locker – repariert uns der Nachbar von rechts, Volker Mühlensiepl, das ist der mit dem Teich inmitten seines Grundstücks. Die Frösche darin haben uns in der ersten Nacht durch ihr lautes Quaken kaum schlafen lassen.

„Die Kerle sind nun mal auf Weiberfang“, erklärt Volker Mühlensiepl grinsend, „da kammer nix machen!“ Sich darüber zu beschweren, wäre sowieso sinnlos. Erstens kann man den grünen Tierchen nicht das Maul verbieten, zweitens müssen die Grundrechte der Kleingartensatzung gewahrt werden und die Gesetze eingehalten, und Frösche sind nun mal erlaubt.

Der junge Nachbar im dritten Häuschen rechts – alle nennen ihn Kalle – hat einen Graupapagei, der den ganzen Tag in seinem Käfig hockt. Der Vogel ist zwar unscheinbar, hat aber ein helles Köpfchen. Fast jeden begrüßt er mit „Moin, moin“. Da weiß man gleich, daß er aus dem Norden kommt. Uns hat er allerdings beim Kennenlernen ein herzliches „Grüß Gott“ entgegengeschmettert, als wüßte er, daß mein Mann aus Bayern stammt.

Die ersten Vereinssitzungen, die wir besucht haben, waren nicht gerade das Gelbe vom Ei. Es herrschten echte Kommunikationsprobleme. Da streitet man tatsächlich um drei Euro, die jeder in die Vereinskasse einzahlen soll. Und jeder muß gemeinnützige Arbeit leisten. Wer nicht mittut, paßt nicht; eine derartige Mißachtung wird mit einer Geldstrafe geahndet.

Diese Spießer! Aber wenn man danach mit den Nachbarn bei einem kühlen Hellen zusammensitzt und lauthals über ein gerade nicht anwesendes Vereinsmitglied her­zieht, dann ist das doch sehr schön. Da geht einem das Herz auf, und das Gemeinschaftsgefühl wird gepflegt, auch wenn Nachbar Mühlensiepl in der Phase leichter Trunkenheit anfängt, gefühlvoll ein schlüpfriges Lied zu singen.

Tatsächlich sind wir nun Kleingartenbesitzer und damit Vereinsmitglieder. Sie müßten unseren Garten mal sehen. Erste Sahne! Er erregt sogar ein bißchen Neid. Trotzdem verstehen wir uns mit unseren Nachbarn prächtig. Wir verleihen sogar regelmäßig unseren neuen Rasenmäher, dafür dürfen wir hin und wieder mit der Zahlung der drei Euro schlabbern.

Also, so ein Verein hat was. Er vermittelt einem ein richtig gutes Lebensgefühl, trotz der Mühlensiepls und Wehlers, na, und der drei Euros natürlich. Aber hallo!


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren