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26.01.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-08 vom 26. Januar 2008

Wohltäter / Warum wir nie mehr Ja sagen, wie gut wir mit China fahren, und warum Steuersenkungen das Vertrauen in die Politik untergraben
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Wollen wir morgen an den Wannsee fahren?“ fragt Papa seine Sprößlinge. „Jaaa!“ tönt es begeistert zurück. Woran erinnert Sie das? An schöne, heiße Sommertage? An Conny Froboess? Falsch! Es muß heißen: An Joseph Goebbels!

Der Vorzeige-Scientologe und weltbekannte Schauspieler Tom Cruise hatte auf einer Rede vor Anhängern dieser Organisation die Anwesenden gefragt: Sollen wir diesen Ort (gemeint ist die Welt) saubermachen? „Jaaa!“ erscholl aus tausend verzückten Kehlen.

Für Guido Knopp und den Scientology-Beobachter der evangelischen Kirche, Thomas Gandow, ein ganz klarer Fall: Was sich hier abgespielt habe, sei die Wiederholung von Goebbels’ Sportpalastauftritt („Wollt ihr den totalen ...“) von 1943, und Cruise ist jetzt sozusagen der neue Goebbels. Pfarrer Gandow hat damit einen „weiteren Beleg dafür, daß Tom Cruise nicht nur ein einfaches Mitglied der Sekte ist, sondern ihr Propagandaminister“. TV-Historiker Guido Knopp raunt düster: „Diese Szene erinnert jeden Deutschen, der sich für Geschichte interessiert, an die berüchtigte Sportpalastrede von Goebbels.“ Zumindest die Deutschen, die zuviel Knopp geguckt haben.

Eine Dreistigkeit sondergleichen ist es, daß Propagandaminister Joseph Cruise demnächst in der Rolle von Graf Stauffenberg in die Kinos kommen wird. Für Pastor Gandow paßt das jedoch wunderbar zusammen. Der Stauffenberg-Film „Walküre“ solle für die Scientologen „genau die Wirkung erzielen wie die Olympischen Spiele 1936 für die Nazis“.

Uns stockt der Atem. Wer sich  Töne vom laufenden amerikanischen Wahlkampf knoppgeschärft anhört, den packt das kalte Gruseln. Szenen wie die bei der Cruise-Rede sind nämlich keine abartige Ausnahme, sondern ganz gewöhnlicher Stil in den USA. Ein Land voller Sportpaläste demnach, bevölkert von geschichtsvergessenen „Jaaa“-Brüllern und ihren finsteren Einpeitschern!

Meine Güte, da haben wir ja noch mal Glück gehabt, daß die diesjährigen Olympischen Spiele nicht in die USA, dieses Land am totalitären Abgrund, vergeben wurden, sondern ans demokratische China. Dort schreit auf den Versammlungen keiner „Jaaa!“, weil die Redner die Masse nie etwas fragen, da sowieso immer alle dafür sind.

Wir Deutschen sind dank Knopp und seinen Mitstreitern ständig auf der Hut und fühlen uns von fast allem in unserer Umgebung „erinnert“, wenn es uns zum Madigmachen Andersdenkender gelegen kommt.

Sprachtests für Zuwanderer? Bevölkerungspolitik zur Hebung der Geburtenrate? Deutschpflicht auf Schulhöfen? Eliteförderung? Alles „erinnert“.

Manchmal aber auch nicht: Langsam ziehen wir die Schlinge zu um Deutschlands Raucher. Fast vergessen ist, daß dies bereits der zweite politische Anlauf in unserem Lande ist, den Volksgenossen, Verzeihung, den Bürgerinnen und Bürgern das Qualmen regierungsamtlich abzugewöhnen. Erinnern Sie sich, Herr Knopp?

Allerdings werden mehr und mehr Deutsche müde, alles Erdenkliche durch den braunen Filter zu kippen. Und fürwahr steht die Bundesrepublik ja nicht in der Tradition des NS-Staates, wie es die SED immer behauptet hat, sondern fußt auf den Grundlagen der Weimarer Republik.

Und aus deren Scheitern haben wir gelernt. Die Wahlerfolge der Nazis waren die mörderischen Früchte einer fürchterlichen Arbeitslosigkeit, weshalb sich alle Phantasie unserer Regierenden darauf richtet, die Erwerbslosenzahlen zu drücken. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: Man könnte Steuern senken, damit die Leute mehr kaufen können und damit neue Arbeitsplätze in Produktion und Handel schaffen.

Klingt gut, ist aber näher betrachtet gar keine gute Lösung: Steuersenkungen würden nämlich den „Gestaltungsspielraum der Politik“ einschränken. Der besteht darin, daß die Politiker uns möglichst viel Geld abnehmen, um es später als Beweis ihrer sozialen Verantwortung an für sie interessante Wählerschichten weiterzureichen, was ungemein populär macht: „Der tut was für uns!“

Steuern und Abgaben zu senken hieße, daß weniger umzuverteilen wäre. Das könnte das „Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der Politik“ untergraben, weshalb so etwas als Maßnahme zur Senkung der Arbeitslosigkeit per Ankurbelung der Kaufkraft ausscheidet.

Arbeitsminister Olaf Scholz hat daher eine viel intelligentere Chance entdeckt, die Erwerbslosenzahlen zu mindern. Alle über 58jährigen, die länger als ein Jahr keine neue Stelle finden, will er einfach holterdiepolter aus der Statistik schmeißen.

Auf diese Weise schrumpft die Zahl der Arbeitslosen quasi von selbst. Auf diese Weise kann der Aufschwung, in dem wir alle seit Beginn der Großen Koalition begeistert mitschwingen, ewig weitergehen, statistisch gesehen.

Werden ja immer älter, die Deutschen. Der Anteil der Arbeitslosen ab 59 steigt – der demographischen Entwicklung wegen – immer weiter. Wir müssen nur aufhören, sie mitzuzählen, und  die Politik kann Jahr für Jahr neue Erfolge ihrer „engagierten Arbeitsmarktpolitik im Interesse der Menschen“ plakatieren.

Allerdings könnte später ein Problem auftreten: Nachdem die Leute ein paar Jahre im Statistikloch versauert sind, kommen sie in den Genuß ihrer zwangsläufig winzigen Rente. Die Aussicht, für den Rest ihrer Tage am Existenzminimum zu vegetieren, könnte den einen oder anderen politisch unbequem werden lassen.

Was machen wir da? Keine Sorge: Auch da ist die Lösung längst gefunden. Daß der selbst erworbene Rentenanspruch seit Jahren rapide sinkt, hat nämlich einen politischen Vorteil, der vielfach übersehen wird: Leute, die in dem Gefühl leben, ihre Rente sei Frucht ihres eigenen Arbeitslebens, weisen ein bedenkliches Maß an Selbstbewußtsein auf und neigen zur Undankbarkeit gegenüber ihrem politischen Gönner.

Viel pflegeleichter sind Fürsorgeempfänger, die wissen, daß ihre eigenen Rentenansprüche futsch sind und jetzt alles vom Wohl und Wehe der Regierung abhängt. Statt die gesetzliche Rente zu stabilisieren, setzt die Politik daher auf staatliche Zuzahlungen wie etwa die Anhebung des Wohngeldzuschusses für Ruheständler, deren Einkommen nach der soundsovielten Absenkung der Realrenten unter das Niveau der „Grundsicherung“ gerutscht ist.

Die Betroffenen werden dann Wahlkampf für Wahlkampf flehend und bibbernd an den Lippen ihrer politischen Wohltäter hängen, die alle vier Jahre in einen kleinen Wettstreit treten können, bei wem’s diesmal ein bißchen mehr Almosen gibt. Dabei können die Wahlkampfredner in einem Sozialpathos schwelgen, wie er süßsaurer nicht denkbar ist. Hinter dessen trägen Schwaden verschwindet zudem der ganze Bockmist, den sie sich sonst noch so geleistet haben.

Wie perfekt Sozialpathos die grimmige Wirklichkeit verdecken kann, erlebten wir Anfang der Woche in Bochum. Keine große Partei ließ es sich nehmen, die Nokia-Mitarbeiter in den Trümmern ihrer beruflichen Existenz zu besuchen. Kein Schimpf an die Konzernchefs war den Politikern schwefelig genug, um ihren tief empfundenen Zorn über die Subventionsgeier aus Finnland in Worte zu fassen. Und die verzweifelten Arbeiter – denen gehört natürlich die ganze Solidarität der Politik.

Die armen Leute waren gewiß gerührt von der flammenden Solidarität, die ihnen von den Parteivertretern entgegenschlug. In solch feierlichen Momenten wäre es auch unpassend zu fragen, welche Parteien es eigentlich waren, deren Repräsentanten jenes europäische Subventionssystem entworfen, beschlossen und jahrzehntelang weiterentwickelt haben, das es Firmen wie Nokia geradezu aufdrängt, wie ein Steppenschädling über den Kontinent zu ziehen, um immer neue EU-Zuschüsse abzugrasen.


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