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02.02.08 / Was geschah auf der Insel Wollin? / IPN-Experten untersuchen Massenmord an 40 Deutschen – Polnisches Selbstverständnis wankt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Was geschah auf der Insel Wollin?
IPN-Experten untersuchen Massenmord an 40 Deutschen – Polnisches Selbstverständnis wankt
von Klaus Apfelbaum

Mit einem Aufruf an Zeitzeugen soll jetzt der vermutete Massenmord an Deutschen im Winter 1945/1946 auf der Insel Wollin nahe Stettin aufgeklärt werden. Das polnische „Institut für Nationales Gedenken“ (IPN) vermutet, daß bis zu 40 Menschen nach Kriegsende bei Übergriffen oder Raubüberfällen von polnischen Milizionären getötet und später verscharrt worden sind. Das IPN, das Verbrechen aus der nationalsozialistischen und kommunistischen Zeit aufklären soll, hat – im Gegensatz zur deutschen Birthler-Behörde – staatsanwaltschaftliche Befugnisse.

Die polnischen Medien, besonders die „Gazeta Wyborcza“, beschäftigen sich inzwischen unbeeindruckt von Kritik im eigenen Land mit der Frage, in welchem Umfang nach Kriegsende Verbrechen an Deutschen begangen worden sind. Im Bezirk Wollin sollen im Winter 1945 noch rund 22000 Deutsche gelebt haben. Was sie auszuhalten hatten, muß noch aufgeklärt werden.

Im strengen Winter 1945/1946 war Wollin wegen hohen Eisgangs auf der Swine längere Zeit von der Umwelt völlig abgeschnitten. Die verbliebene deutsche Bevölkerung war dort der polnischen Miliz ausgeliefert, die überwiegend aus Einheiten der polnischen Untergrundarmee Armia Krajowa oder aus Partisanenverbänden rekrutiert worden war. Ein inzwischen 85 Jahre alter Zeuge, seinerzeit selbst als Polizist in dieser Einheit im Bezirk Wollin, hatte von „großer Rachsucht“ der Milizionäre berichtet. Diese Einheit der polnischen Bürgerpolizei war aus Zentralpolen in die Region Stettin verlegt worden, um nach der Potsdamer Konferenz dort die Macht zu übernehmen.

Die Stettiner IPN-Niederlassung wertet seit geraumer Zeit die Hinweise auf Verbrechen an Deutschen aus; an die Öffentlichkeit kamen Einzelheiten aber erst nach dem jüngsten Regierungswechsel.

Die Behörde ist zwar weitgehend unabhängig von Weisungen der Exekutive, der frühere nationalistisch eingestellte Regierungschef Jaroslaw Kaczynski hatte jedoch keinen Zweifel daran zugelassen, daß nach der Staatsdoktrin Polen ausschließlich eine „Nation der Opfer“ sein muß.

Erste Ermittlungen zum Massenmord auf Wollin waren in den Nachkriegsjahren eingeschränkt und dann offenbar ganz unterbunden worden. Jetzt geht das IPN sehr detaillierten Hinweisen nach. Das Massengrab der 40 Mordopfer wird unter einem Schulhof an der Swinemünder Straße Piastowska vermutet.

Bereits 2001 hatte das IPN das polnische Selbstverständnis erschüttert und über das 1941 von Polen an 400 jüdischen Mitbürgern von Jedwabne begangene Massaker berichtet.

Jetzt wird das polnische Geschichtsbewußtsein auf eine neue Probe gestellt, seit das Buch „Angst“ des polnisch-amerikanischen Historikers Tomasz Gross aufliegt. Er führt Belege an, wie im Juli 1946 vermutlich 40 Juden bei einem Pogrom in Kielce von Polen getötet wurden. Kielce, südlich von Warschau gelegen, wird in der polnischen Geschichtsschreibung als Zentrum des Widerstandes hochgehalten.

Die Staatsanwaltschaft in Krakau hat vorsorglich gegen Gross Ermittlungen wegen Verleumdung der polnischen Nation eingeleitet, und auch Radio Vatikan wehrt sich: Der Sender nennt Gross einen „Skandalautor“ und zitiert reihenweise die Kritiker des Historikers. Gross hatte Stefan Wyszynski, seit 1948 Primas von Polen, eine antisemitische Haltung nachgesagt. Wyszynski gilt in Polen als Kopf des geistigen Widerstandes gegen das Regime der Kommunisten.

Kurz vor seinem Tod 1981 stand er noch der Gewerkschaftsbewegung „Solidarnosc“ bei. Jetzt gerät auch sein Bild ins Wanken.


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