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02.02.08 / Sich als Gott fühlen / Selbstverwirklichung um jeden Preis – Zehn Gebote geraten in Vergessenheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Sich als Gott fühlen
Selbstverwirklichung um jeden Preis – Zehn Gebote geraten in Vergessenheit
von Lienhard Schmidt

In der Beliebigkeits- und Bequemlichkeitsgesellschaft unserer Tage ist das Zurechtbiegen gesetzlicher und verfassungsrechtlicher Rahmenbedingungen ja fast schon zum „Leistungssport“ der besonders Fortschrittlichen geworden. Da ist „politisch korrekte“ Anpassung für den postmodernen Pseudochristen doch „trendy“.

Nicht wenige Christen unserer vielgeschmähten Großvätergeneration sahen das anders. Als es mit großen Risiken verbunden war, sich dem Kurs des Hitlerregimes zu widersetzen, fanden sich in der Bekennenden Kirche jene zusammen, die sich nicht als „Deutsche Christen“ von den Nationalsozialisten vereinnahmen lassen wollten. In der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 hieß es unter anderem: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.“

Heutzutage verweigern Minister nicht selten bei der Vereidigung die früher übliche Formel „so wahr mir Gott helfe“. Überraschen kann das kaum noch, denn wir haben ja nicht nur eine neue Mitte, sondern auch einen neuen Menschen, der selber Gott sein will und sich nicht mehr als Geschöpf Gottes fühlt.

Unter solchen Prämissen – man kann wohl hier von einer gewissen Degeneration der Aufklärung sprechen, etwa von der Schaffung eines gesunden Selbstbewußtseins hin zur Selbstverwirklichung um jeden Preis – stellen die zehn Gebote fast eine Provokation dar.

Das erste Gebot, Gott als unseren Herrn und Schöpfer in seiner Allmacht anzuerkennen, das muß dem an sich als Übermenschen glaubenden Egomanen einfach gegen den Strich gehen. Demut ist ihm ohnehin ein unbekannter Begriff. Gottes Namen nicht zu mißbrauchen, wie das zweite Gebot es fordert, wird den Ich-Menschen von seiner Selbstanbetung nicht abhalten. Die Aufforderung des dritten Gebotes, den Feiertag zu heiligen, steht auch in seinem übertragenen Sinn, einmal im Tanz um das goldene Kalb innezuhalten, permanente „Action“ durch Kontemplation zu unterbrechen, in Konflikt mit der Kurzweil als Lebensziel. Auch das vierte Gebot, Vater und Mutter zu ehren, das heißt wohl auch, Rat und Erfahrung der Älteren schlechthin zumindest in Erwägung zu ziehen, läuft Gefahr, als Repression interpretiert zu werden. Die Überflutung der Bildschirme mit gewaltverherrlichenden Darstellungen aller Art läßt Gewöhnungs- und Nachahmungseffekte aufkommen, die dem fünften Gebot „Du sollst nicht töten“ diametral entgegenstehen. Das postchristliche Milieu beruhigt sein Gewissen mit Bemühungen um die Abschaffung der Todesstrafe, wo diese in der westlichen Welt noch Bestandteil der Gesetzgebung ist. Beim „Dialog“ mit dem Islam wird es dann schwieriger werden. Das sechste Gebot, die Ehe nicht zu brechen, eingegangene Bindungen zu achten, hat im Weltmeer des Hedonismus nur noch auf orthodoxen Glaubensinseln Platz. Im siebten Gebot wird, wie auch im neunten und zehnten Gebot an Beispielen spezifiziert, die Achtung für das Eigentum des anderen gefordert. Der Mensch soll nicht stehlen, was auch die listenreiche Erschleichung fremden Besitzes einschließt. Es liegt auf der Hand, daß die Leugnung Gottes als letzter Instanz die bei vielen Menschen ohnehin geringen Hemmschwellen beseitigen hilft und dem Neid wie auch der Gier beim Zugriff auf fremdes Eigentum freie Bahn schafft. Das achte Gebot, nicht falsch Zeugnis zu geben wider den Nächsten, hatte schon immer einen schweren Stand gegen das Motto „Der Zweck heiligt die Mittel“. Lüge, Verleumdung, Vorurteile bis hin zur Verfemung haben ein leichtes Spiel, Unrecht zu schaffen, Wahrheitsfindung zu sabotieren, wenn im wertefreien Raum nur die Selbstsucht regiert.

Zwar ist die Suche nach einer neuen Ethik, die sich nicht auf das Christentum oder den Gottesglauben stützt, unverkennbar. Im Schriftwechsel zwischen Umberto Ecco und dem Mailänder Kardinal Martini (vor einigen Jahren in Buchform erschienen) zeigte sich aber die große Leere, die verbleibt, wenn der Ethik das Fundament des christlichen Glaubens fehlt. Wenn im nationalen Ethikrat der Bundesrepublik Deutschland bei Betrachtungen über Menschenwürde schon von Entwicklungsoffenheit gesprochen wurde, läßt sich vorstellen, in welch gefährlichen Zweideutigkeiten ethischer Pluralismus enden könnte. Aus einem Halteseil für strauchelnde Selbstverwirklicher könnte leicht ein Stolperdraht zum Sturz ins Nichts werden. Es mag gute 30 Jahre her sein, als an der Atlantikküste der Vereinigten Staaten ein Musikfilm gedreht wurde „End of a sumer day“. Traditional Jazz in Bestform, Louis Armstrong und andere Größen waren dabei. Das Konzert en-dete, als die Dunkelheit hereinfiel, mit dem „Vater unser“, gesungen von Mahalia Jackson, der Königin des Gospel.

Ethikräte sollten sich diesen Ausklang von „End of a summer day“, einmal ansehen. Sie könnten auf die Idee kommen, die zehn Gebote zu lesen und zu begreifen, welch unheilverhütende Potenz darin liegt, daß Menschen Demut empfinden vor dem Schöpfer aller Dinge und ihren Nächsten lieben, wie sich selbst.


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