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02.02.08 / Alles Lug und Trug? / Menschenwürde: Landesmedienanstalten finden nichts am »Dschungelcamp«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Alles Lug und Trug?
Menschenwürde: Landesmedienanstalten finden nichts am »Dschungelcamp«
von Mariano Albrecht

Mit einem wahren Feuerwerk an sogenannten TV-Highlights sind besonders die privaten Sender im Januar an den Start des Fernsehjahres 2008 gegangen. Setzt die ProSiebenSat1-Gruppe mit Löffelverbieger-Legende Uri Geller und

Eisprinzessin Katharina Witt auf Unterhaltung in Glanz und Glamour, so begibt sich die Konkurrenz von RTL in Grenzbereiche des guten Geschmacks.

So darf die illustre Container-Wohngemeinschaft auf RTL2 bereits zum achten Mal rund um die Uhr  in dem hermetisch abgeriegelten „Big Brother“-Haus vor dem Zuschauer Körper und Seele entblößen. Zank, Intrigen Liebe und Schmerz der Bewohner, die rund um die Uhr mit Kameras beobachtet werden, flimmern voyeuristischen Zuschauern allabendlich in die Wohnzimmer – vor allem Dinge, die man lieber nicht sehen will.

Über die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen und des Jugendschutzes sollen die Landesmedienanstalten wachen, dabei sehen sie auch das: Voyeurismus plus Stars plus Angst und Ekel, sogar bei sexuellen Handlungen bleibt die Kamera auch vor 23 Uhr ganz nah dran, willkommen im RTL-Dschungel. Mit „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“ ging der Kölner Sender zum dritten Mal nach dreijähriger Pause live aus dem australischen Dschungel auf Sendung. Maden zur Mahlzeit, Baden in Aalschleim und Fummeleien unter der Bettdecke, das ist der Dschungel-alltag bei RTL. Kein Fall für Sittenwächter, also die Beauftragten in den Landesmedienanstalten?

Ein zwölfköpfiges Gremium der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) wacht über die Programmtauglichkeit der gesendeten Inhalte. Die Formulierung der Kriterien für unzulässige Inhalte lassen allerdings reichlich Spielraum in der Beurteilung. So ist es zum Beispiel unzulässig, die „Verletzung der Menschenwürde, insbesondere durch die Darstellung von Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind“, zu zeigen. Wenn im Dschungelkamp alles so echt ist, wie RTL uns das glauben machen will, hätte man den leidenden und dauerapathischen Schlagerbarden Bata Illic eigentlich aus der Dschungelshow nehmen müssen. Der 68jährige kollabierte vor laufenden Kameras und mußte ärztlich behandelt werden. Auf Anfrage teilte die KJM mit, daß in der Dschungelshow keine Verstöße registriert wurden. Eine Entwürdigung der Teilnehmer liege nicht vor, da diese alle auf freiwilliger Basis an den Mutproben teilnehmen und jederzeit aussteigen könnten, hieß es auch von der Landesmedienanstalt Niedersachsen. Keine Gefahr also für Zuschauer oder Akteure?

Für manche schon. DJ Tommek, ein polnischstämmiger Schallplattenaufleger, mußte sich unfreiwillig aus dem Lager verabschieden: Naziverdacht. Bei der „Bild“-Zeitung tauchte ein Video auf, das Tommek vor der Abreise ins Dschungellager zeigt. Mit senkrecht in die Höhe gestrecktem Arm singt er das Deutschlandlied und bemerkt, daß sich viele Ausländer hier (im Hotel) aufhalten. Ein gefundenes Fressen für die Medien. Tommek ein Nazi?

Sicherlich nicht, der Mann ist mit einer Schwarzafrikanerin verheiratet und nie radikal aufgefallen. Ein dummer Scherz versichert Tommek und daß er ja nun Zeit hätte, seine neue Platte herauszubringen. Daß diese Aufmerksamkeit erregt, ist programmiert. Die anderen Lagerbewohner müssen sich für ihre Eigenwerbung mehr abstrampeln. Der verschuldete Ex-Nationaltorwart Eike Immel mußte in den Rattentunnel. Zwischen 20000 und 50000 Euro soll RTL den Campern für die Torturen zahlen. Für jeden überstandenen Tag gibt es einen Bonus, munkelt man in den Medien. Immel trug zahlreiche Rattenbisse davon, das kann gefährlich sein. Wilde Ratten übertragen Typhus und andere Krankheiten. Nimmt RTL Gesundheitsschäden der Akteure in Kauf?

„Kaum, das ist perfektes Handwerk“ vermutet der Filmarchitekt Götz Weidner von der Bavaria. Weidners Filmkulissen sind legendär. „Raumschiff Orion“, „Das Boot“ oder „Die unendliche Geschichte“ entstanden unter seiner Leitung. „Niemand würde einfach so im Dschungel drehen, so ein Set muß kameragerecht aufbereitet werden, kein Produzent würde riskieren, daß sich jemand verletzt oder auch nur einem Mäusebiß ausgesetzt ist.“ Doch im Dschungelcamp müssen die Stars sogar im moderigen Tümpel schwimmen oder ihr Trinkwasser aus einem Teich holen. Infektionsgefahr? „Kaum. Für solche Situationen wird ein künstlicher Teich ausgehoben, mit Folie ausgekleidet, die moderige Farbe entsteht durch Beigabe von sterilem Torf und Lebensmittelfarbe, da passiert nichts“, erklärt Weidner. Das Dschungelcamp ein Filmstudio?

Um das zu erfahren, muß man sich in den australischen Dschungel begeben, genauer gesagt in den Dschungelpark der britischen TV-Produktionsfirma Granada in der Nähe von Brisbane. Doch das Gelände wird bewacht wie ein Raketenstützpunkt, Besucher unerwünscht. Ein Tourist fand das Gelände außerhalb der Produktionszeit verlassen vor: „Überall verliefen Kabel, die im Boden verschwanden. Durch die engmaschigen Zäune kommt nicht mal eine Maus durch.“ Und die wilden Tiere?

Die werden vermutlich erst rein gelassen, wenn eine neue Staffel produziert wird. Also alles fauler Zauber? Und so kann der Zuschauer getrost davon ausgehen, daß er auch beim Ansehen ekligen Mahlzeiten, die überwiegend aus Laboren stammen, um den echten Nervenkitzel betrogen wird.

 

Zeitzeugen

Guido Westerwelle – Der bis jetzt jüngste Bundesvorsitzende der FDP ist Rheinländer und als solcher erklärtermaßen kein Kind von Traurigkeit. Im Bundestagswahlkampf 2002 stattete er den Bewohnern des „Big Brother“-Containers einen Besuch ab.

 

Hugo Egon Balder – Der eigentlich Egon Hugo Balder heißende deutsche Fernsehmoderator, Produzent, Musiker, Schauspieler und Kabarettist wurde außer mit der RTL-Sendung „Alles nichts oder?!“ und der Sat.1-Quizsendung „Genial daneben“ durch „Tutti Frutti“ bekannt, einer deutschen Version von „Colpo Grosso“. Diese erste erotische TV-Show im deutschen Fernsehen wurde von 1990 bis 1993 auf RTL plus beziehungsweise RTL Television in drei Staffeln mit knapp 100 Folgen ausgestrahlt.

 

Lou van Burg – Am 11. Juli 1967 beendete das Zweite Deutsche Fernsehen die Zusammenarbeit mit dem Moderator der Show „Der goldene Schuß“. Zuvor hatte die Lebensgefährtin und Managerin des Showmasters, Angèle Durand, „Bild“ und diversen Illustrierten berichtet, daß er mit seiner Assistentin Marianne, seiner späteren Ehefrau, ein Verhältnis habe und diese bereits schwanger sei. ZDF-Intendant Prof. Karl Holzamer sagte dazu, daß nicht das Privatleben, sondern die Veröffentlichung in den Boulevardmedien für den Schritt seines Senders ausschlaggebend gewesen sei.

 

Eva Herman – Ihr kündigte der NDR die Zusammenarbeit, da ihre schriftstellerische Tätigkeit nicht länger mit ihrer Rolle als Fernsehmoderatorin und Talk-Gastgeberin vereinbar sei. Sie führe einen „Mutterkreuzzug“, ihre polarisierende Wirkung sei zum Nachteil für die von ihr moderierten Sendungen.

 

John de Mol – Der Bruder von Linda de Mol gründete 1979 als seine erste eigene Fernsehproduktionsfirma De Mol Produkties B.V. 1994 entstand aus der Fusion seiner Firma mit der Produktionsfirma Van den Ende Produkties B.V. seines bis dahin schärfsten Konkurrenten Joop van den Ende die Endemol Entertainment, die 1996 an die Amsterdamer Börse ging. Zu den größten Erfolgen der Aktiengesellschaft gehört die 1999 erstmals in Holland ausgestrahlte Show „Big Brother“.


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