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02.02.08 / Wer im Fernsehen ist, wird neuer Zar / Vier Kandidaten sind für die Präsidentenwahl am 2. März zugelassen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Wer im Fernsehen ist, wird neuer Zar
Vier Kandidaten sind für die Präsidentenwahl am 2. März zugelassen
von M. Rosenthal-Kappi

Auch wenn in vier Wochen  ein neuer Präsident gewählt wird, muß das russische Volk sich keine Sorgen machen, da der neue Präsident schon so gut wie feststeht. Schließlich ist das Volk daran gewöhnt, daß derjenige sein neuer Zar wird, der ständig im Fernsehen zu sehen ist. Und das ist Dmitrij Medwedew. Da die Russen in patriarchalischen Denkmustern verhaftet sind, einen starken Herrscher lieben, dem sie blind gehorchen und vertrauen, wird dem Wunschkandidaten des amtierenden Präsidenten die Unterstützung des Volkes sicher sein, allein schon aufgrund dessen Nähe zu Putin. (Medwedew ist ein Politiker aus dem St. Petersburger Umfeld des Präsidenten, der in den 90er Jahren dessen Ruf nach Moskau folgte.) Die übrigen Kandidaten bekommen erst gar keine Gelegenheit, die Macht der Medien, besonders des Fernsehens, für ihren Wahlkampf zu nutzen.

Auf diesen einfachen Nenner bringt es die regierungskritische Zeitung „grani“, die die bevorstehende Wahl als „Farce im Quadrat“ bezeichnet.

Daß diese Einschätzung realitätsnah ist, bezeugen auch Presseberichte sonst eher neutraler Zeitungen. Als „Farce“ kann auch die Streichung Kasjanows von der Kandidatenliste bezeichnet werden. Das Procedere einer Kandidatur ist umständlich: Entweder man wird durch Ernennung Kandidat – wie Medwedew von Putin – oder man sammelt Unterschriften, um auf die Wahlliste gesetzt zu werden, wenn man nicht einer im Parlament vertretenen Partei angehört, wie das bei Kasjanow der Fall war. Das Wahlkomittee in Moskau verweigerte diesem die Kandidatur, weil es einen Großteil der Unterschriften zu seiner Unterstützung für gefälscht und damit ungültig erklärte.

Kasjanow, der als einziger  Oppositionskandidat galt, hatte keine Möglichkeit, im Fernsehen aufzutreten. Sein Wahlkampf wurde boykottiert. Sein Rauswurf ist als Retourkutsche des Kreml zu verstehen, da Kasjanow zuvor scharfe Kritik und Vorwürfe an die Adresse der Regierung gerichtet hatte. Eine völlig überflüssige Reaktion, da Kasjanow ohnehin kaum mehr als ein Prozent der Stimmen erhalten hätte, will man Umfragen glauben. Zudem ist er beim russischen Volk äußerst unbeliebt aufgrund seiner Vergangenheit als Ministerpräsident. Ihm wird Ignoranz gegenüber sozialen Problemen, Korruption und die Nähe zu Oligarchen vorgeworfen.

Zunächst hatte Kasjanow rechtliche Schritte gegen die Entscheidung des Wahlkomittees angekündigt, wegen geringer Aussichten auf Erfolg wird er jedoch darauf verzichten. Ihm bleibt immer noch die Möglichkeit, sich als Agitator einer außerparlamentarischen Opposition zu betätigen.

Erstmals in der Geschichte des neuen Rußland wurden nur vier Kandidaten zur Präsidentenwahl zugelassen. Neben dem Vertreter der Präsidentenpartei „Einiges Rußland“ Dmitrij Medwedew, der in Umfragen mit bis zu 80 Prozent führt, treten Wladimir Schirnow-skij von der Liberaldemokratischen Partei, der Kommunist Gennadij Sjuganow und der unabhängige und völlig unbekannte Andrej Bogdanow an. Schirinowskij und Sjuganow liegen laut Umfrage bei zehn Prozent, Bogdanow bei einem. Sie dienen lediglich zur Dekoration für Putins Machtübergabe an Medwedew, unkt die Presse. Die Kommunisten dienten dem Kreml als „Alibi-Opposition“, heißt es weiter. In Moskau wird mit einer Störung der Präsidentenwahl von außen nicht gerechnet. Zwar rechnet der Kreml mit Kritik aus dem Westen wegen Unterdrückung der Opposition, aber auch mit weitgehender Zustimmung zu Dmitrij Medwedew als neuem Präsidenten. Für einen reibungslosen Ablauf der Wahl  ist gesorgt. 70 Wahlbeobachter der OSZE wurden bereits eingeladen, die Journalisten werden nicht, wie zuvor angekündigt, direkt aus dem Gebäude des Wahlkomittees berichten, sondern aus einem weiter entfernt liegenden Gebäude. Außenpolitisch stehen vor der Wahl die Zeichen auf Entspannung und Zusammenarbeit. Die Einfuhrverbote für polnisches Fleisch und georgischen Wein wurden aufgehoben. Im Gegenzug lockerte Polen seine Veto-Haltung zum Mandat der EU-Kommission für ein neues Rußlandabkommen. Bei einem ersten Treffen nach dem Einfrieren der Beziehungen mit Polen reiste Polens Außenminister Radoslaw Sikorski nach Moskau, um mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow Fragen der Energieversorgung und der Verteidigung zu erörtern.

Wenn Medwedew gewählter russischer Präsident ist, wird er Putins Politik fortsetzen. Wie jedoch die Macht in Rußland zukünftig verteilt wird, zeigt sich vermutlich erst im Mai. Eines scheint sicher: Putin wird die Fäden der Macht in der Hand behalten wollen, sei es als Ministerpräsident oder als Wirtschaftsboß.


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