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02.02.08 / Miserable Vorbilder / Ethik in der Wirtschaft wird gelehrt – und zu oft vergessen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Miserable Vorbilder
Ethik in der Wirtschaft wird gelehrt – und zu oft vergessen
von George Turner

In den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten wird das Fach „Ethik in der Wirtschaft“ gelehrt. Theoretisch wissen alle, was das ist und welche Verhaltsweisen dem nicht entsprechen. Wenn die Verletzung der Regeln aber folgenlos bleibt, darf man sich nicht wundern, wenn die Maßstäbe immer mehr verlorengehen. Wie sollen Studierende sie finden, wenn zwar heftig gegen Exzesse und bestimmte Raffkes gewettert wird, die sich aber ins Fäustchen lachen?

Immer wieder machen sie Schlagzeilen: Da hat ein Vorstand seine Bezüge verdoppelt, da erhalten Spitzenleute Abfindungen in atemberaubender Höhe, da haben andere die Bilanzen manipuliert. Um es vorweg zu sagen: Es handelt sich um Einzelfälle, ärgerlich sind sie trotzdem und geschehen sollte auch etwas. Soweit es sich um Rechtsverstöße handelt, müßte zum einen, so gut es geht, Vorsorge getroffen werden, daß solche Fälle sich möglichst nicht wiederholen, zum anderen müssen offenbar gewordene Verfehlungen geahndet werden. Das heißt entweder ist der Staatsanwalt gefordert oder es sind zivilrechtliche Ansprüche zu prüfen. Daneben aber gibt es noch einen Bereich, der nicht rechtlich zu erfassen ist. Das sind Verhaltensweisen, die sich aus Anstand verbieten und deren Verletzung von manchen reichlich derb, aber zutreffend als „Sauerei“ bezeichnet werden. So ist es empörend, wenn drastische Gehaltsaufbesserungen von Vorständen erfolgen bei gleichzeitigen Massenentlassungen. Solche Vorgehensweisen sollten nicht ohne Folgen bleiben. Durch die Veröffentlichung in den Medien werden sie zwar bekannt; eine Wirkung mit nachteiligen Konsequenzen für die Urheber ist deshalb aber noch nicht unbedingt gegeben. Es genügt nicht, Regeln über das ethisch einwandfreie Verhalten von Managern aufzustellen, wie sie unter entscheidender Mitwirkung von Unternehmensvertretern in der Regierungskommission zur Entwicklung von Grundsätzen in einem Deutschen Corporate Governance Kodex formuliert worden sind; sie müssen auch angewendet werden.

Daß der Aktienkurs gestiegen ist, kann doch ernsthaft kein Argument sein, davon zu sprechen, jemand habe eine Abfindung „verdient“. Wer so redet, zeigt, wie weit sich manche Funktionsträger bereits vom Boden der Realität fort bewegt haben. Es ist schließlich die Aufgabe des Topmanagements, dafür zu sorgen, daß der Wert des Unternehmens zunimmt. Dafür werden die Spitzenleute bezahlt, und zwar nicht schlecht. Was soll sonst das Gerede vom shareholder value, den zu mehren eine der wichtigsten Aufgabe des Vorstands einer Aktiengesellschaft ist?

Vertreter der Wirtschaft verweisen darauf, daß die Mehrheit der Manager, die ihre Ämter korrekt und verantwortungsbewußt führen, nicht unter den Generalverdacht gestellt werden dürften, so machen es eben „die da oben“ alle. Dieser zutreffende Einwand gewänne an Gewicht, wenn man sich deutlicher von den „schwarzen Schafen“ distanzieren würde. Das heißt, es müßten schon „Roß und Reiter“ genannt werden. Es gab eine Zeit, da praktizierte man einen Ehrenkodex in der Weise, daß Personen, denen man Fehlverhalten vorwarf, „geschnitten“ wurden. Sie verschwanden von Einladungslisten, man mied sie bei gesellschaftlichen Veranstaltungen, das heißt, in der Gesellschaft erlitten sie den „bürgerlichen Tod“. Wie wäre es, wenn prestigeträchtige Clubs solchen Mitgliedern den Stuhl vor die Tür setzten? Das sollte nicht nur bei klaren Rechtsverstößen gelten, sondern auch dann, wenn gegen ungeschriebene Regeln des Anstands und der guten Sitten verstoßen wurde.

Wenn die Klasse derjenigen, der die Missetäter angehören, das Thema durch Stillschweigen oder Wegsehen übergeht, entsteht der Eindruck, „eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“. Es geht im übrigen gar nicht nur um eine Distanzierung, um deutlich zu machen, daß ein solcher Verstoß nicht kommentarlos akzeptiert wird; entscheidend ist, daß die Öffentlichkeit vermittelt bekommt, daß es sich um verwerfliche Sonderfälle handelt. Dabei muß das Ziel sein, verlorengegangenes Vertrauen wieder zu gewinnen. Wie sollen Mitarbeiter, Kleinaktionäre und die Öffentlichkeit davon überzeugt werden, daß von kranken Ausnahmefällen nicht auf das Ganze geschlossen werden darf? Wie soll eine betriebliche Partnerschaft funktionieren, wenn sich die Spitze maßlos bedient und gleichzeitig um Prozentpunkte bei den Tarifverhandlungen gerungen wird, mit dem Hinweis, die Existenz des Unternehmens sei gefährdet? Wichtig ist, daß das gegeißelt wird, was sich außerhalb von Norm und Anstand bewegt, damit nicht der Eindruck entsteht, dies sei üblich. Wie das Verhalten der Beteiligten rechtlich zu bewerten ist, wird durch unabhängige Gerichte entschieden. Dabei wird darüber befunden, was man unter juristischen Aspekten kann; damit ist aber noch nicht gesagt, ob sich dies nicht aus ethisch-moralischen Überlegungen verbietet. Man darf nicht alles, was man kann.

Politiker überbieten sich mit ungeeigneten Vorschlägen, wie man der Maßlosigkeit von raffgierigen Chefs beikommen kann. Alle Ideen, die ein rechtliches Instrumentarium zum Ziel haben, sind unpraktisch bis verfassungswidrig.

Es geht viel einfacher. Wer zwingt Regierungschefs oder Minister, Personen, denen entsprechende Vorwürfe gemacht werden, in Beratungsgremien zu berufen? Warum gehören solche Leute Delegationen an, welche zum Beispiel Bundespräsident oder Kanzlerin bei Auslandsbesuchen begleiten? Hier könnten Zeichen gesetzt werden, die ihre Wirkung nicht verfehlen dürften. Auf jeden Fall würden bei solcher Praxis Worten auch Taten folgen.


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