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02.02.08 / Feurige Freudenfeste / Der heidnische Brauch des Biikebrennens lockt im Februar Tausende an die Küste

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Feurige Freudenfeste
Der heidnische Brauch des Biikebrennens lockt im Februar Tausende an die Küste
von Uta Buhr

Kraftvoll reckt und streckt sich das Feuer in den nachtblauen Himmel. Die Flammen lodern haushoch in die Nacht. Kraftvoll grüßen sie die Fischer, die Seeleute und Liebenden – das „Nationalfest der Friesen“ steht vor der Tür. Ob es stürmt, regnet oder schneit – beim Biikebrennen am 21. Februar treiben die Einheimischen auf den nordfriesischen Inseln und in vielen Orten auf dem Festland den Winter mit Feuer und Flamme aus dem Land.

„Der Winter ist ein harter Mann“, zitiert Rieke aus Niebüll den deutschen Dichter Matthias Claudius und reibt sich die kalten Hände. Sie ist mit Freunden unterwegs, um wie jedes Jahr Holz, Reisig, entsorgte Tannenbäume und brennbares Strandgut für das Biikefeuer zu sammeln, das gleich nach Einbruch der Dunkelheit am Strand entzündet wird.

„Biike ist ein altes friesisches Wort – genaugenommen Sylter Friesisch – und bedeutet Feuerzeichen“, erklärt ein Alteingesessener aus Rantum, der das Ritual seit einem halben Jahrhundert mit gestaltet. In grauer Vorzeit – vor über 2000 Jahren – stimmten die Insulaner mit dem Opferfeuer den nordischen Göttervater Wotan gnädig. Sie wollten ihn bewegen, endlich dem eisigen Winter den Garaus zu machen.

Auch nach der Christianisierung blieb der Brauch erhalten. Im 17. Jahrhundert mutierte er zu einem Signalfeuer und Abschiedsfest für die Walfänger, bevor diese sich auf ihre lebensgefährliche Reise in nördliche Gewässer begaben. Der mit einer lichterloh brennenden Strohpuppe gekrönte Scheit leuchtete weit über die See und färbte den Himmel blutrot. Der Biike schloß sich am 22. Februar nahtlos der Petritag an, diesmal zu Ehren von Sankt Petrus, dem Schutzheiligen der Fischer.

Die Begeisterung beim Biikebrennen kennt auch heute keine Grenzen. Ganze Ortschaften versammeln sich am Nordseestrand. Und immer mehr Fremde aus allen Teilen der Republik und dem nahen Ausland feiern fröhlich mit und stimmen in die Lieder ein, die am lodernden Feuer gesungen werden. Gläser mit dampfendem Glühwein kreisen. Launige Ansprachen werden in feucht-fröhlicher Stimmung gehalten. Wenn der riesige Holzscheit abgebrannt ist, geht es zu einem deftig-festlichen Mahl in eine urgemütliche friesische Gaststätte.

Traditionell kommt dort Grünkohl mit Schweinebacke und Kasseler Rippe auf den Tisch, gefolgt von duftendem Teepunsch und steifem Grog.

„Kennt ihr eigentlich die wahre Bedeutung der Biike“, platzt eine temperamentvolle Friesin im besten Alter heraus und hebt ihr Glas. „Heidnischer Brauch, christliches Ritual – alles Schnick-schnack – erfunden von den Herren der Schöpfung“, lacht sie. „Die Feuer wurden entzündet, um den daheim gebliebenen Männern auf den Nachbarinseln ein Zeichen zu geben, daß die Strohwitwen jetzt ganz allein zu Hause waren und männlichen Schutzes bedurften!“

Gespielte Entrüstung unter den anwesenden Herren. „Nee, alles dummes Zeug“, rufen sie. Nichts als Geschwätz böser Zungen.

Dichtung oder Wahrheit? Keiner weiß es. Tatsache ist, daß jeder Ort akribisch daran arbeitet, das schönste und größte Biikefeuer auf seiner Insel oder auf dem Festland zu entfachen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Mit viel Getöse umkreisen die Mitstreiter ihren Scheit und stellen damit sicher, daß keine Tiere darin sind, die sich vor der Kälte unter Holz und Reisig verkrochen haben. Erst dann wird gezündet, und Nordfrieslands feuriges Freudenfest kann beginnen.

Foto: Biikebrennen in St. Peter-Ording: Lodernde Flammen sollen den Winter austreiben.


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