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02.02.08 / Der Versuch eines unblutigen Krieges / Friedrich II. und Maria Theresia wollten die Bayerischen Erbfolgestreitigkeiten neuartig lösen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Der Versuch eines unblutigen Krieges
Friedrich II. und Maria Theresia wollten die Bayerischen Erbfolgestreitigkeiten neuartig lösen
von Jürgen Ziechmann

Mit den Kriegen Friedrich des Großen verbindet man gemeinhin die beiden ersten Schlesischen Kriege (1740–1742 und 1744/45), sowie den Siebenjährigen Krieg (1756–1763). Im geschichtlichen Bewußtsein dienen diese drei Kriege mit dem sie abschließenden Erfolg zur wesentlichen Kennzeichnung des Preußenkönigs. Das kommt daher, daß die Figur Friedrich II. und seine militärischen Siege in der Vergangenheit häufig so sehr in den Mittelpunkt seiner Darstellung gerückt wurden, daß andere Aspekte seines Wirkens nicht hinreichend gewürdigt wurden. Selbst wenn man bei seinen militärischen Verdiensten bleibt und also sein innenpolitisches Handeln und seine vielfältigen privaten musischen Ambitionen unbeachtet läßt, wird das Bild vom nur auf Krieg ausgerichteten Preußen-König der historischen Wirklichkeit nicht gerecht. Denn dabei wird völlig übersehen, daß der große König gegen Ende seines Lebens eine militärische Variante zur Durchsetzung seiner Politik gewählt hat, die sich völlig von der in den drei Schlesischen Kriegen praktizierten Art der Kriegsführung unterscheidet. Diese Form der moderaten Kriegsführung wurde in der Historiographie bisher überhaupt nicht zur Kenntnis genommen – im Gegenteil: Der König und genauso auch seine Gegenspielerin Maria Theresia wurden beide hinsichtlich der von ihnen gewählten Art der Auseinandersetzung diskreditiert – und die zukunftsweisende Form ihrer Politik blieb unverstanden und unnachgeahmt.

Am 30. Dezember 1777 starb der bis dahin regierende Kurfürst Maximilian III. Joseph von Bayern ohne Erben. Aufgrund von früheren Verträgen sollte jetzt der Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz (Kurpfalz) auch noch die Kurwürde in München bekommen. Theodor zeigte aber wenig Interesse an seinem neuen Kurfürstentum.

Für den Sohn Maria Theresias, der bereits seit 1765 als Joseph II. römisch-deutscher Kaiser und Mitregent in Österreich, Böhmen und Ungarn war, schien das eine günstige Gelegenheit zu sein, ein wohlfeiles Schnäppchen zu machen. Er wollte weite Teile Bayerns einkassieren und mit Österreich vereinigen. Karl Theodor war damit einverstanden und sollte anderweitig abgefunden zu werden.

Friedrich II. konnte eine Stärkung der Stellung Österreichs auf Kosten eines deutschen Staates nicht dulden, weil dadurch das seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges ausgependelte Kräfteverhältnis zwischen Preußen und Österreich im Deutschen Reich empfindlich gestört worden wäre.

Friedrich wandte daher zunächst alle diplomatischen Mittel an, die Österreicher von ihrem Vorhaben abzubringen. Joseph, der sich den vermeintlich leichten Zugewinn nicht ausreden lassen wollte, beharrte auf seinen Forderungen. Friedrich machte am 18. März 1778 – wie immer entschlossen und konsequent – mobil, rückte ins Feld ein und drohte Wien, seine Position mit militärischen Mitteln durchzusetzen. Eine Kriegserklärung erging am 3. Juli 1778, und zwei Tage später überschritten die preußischen Truppen die österreichische Grenze bei Nachod in Böhmen.

Da geschah etwas für das 18. Jahrhundert Einmaliges: Maria Theresia, die sich noch nie persönlich an den „Bösen Mann“ gewandt hatte, schrieb Friedrich mit eigener Hand am 12. Juli 1778 einen Brief ins Feldlager und schickte diesen hinter dem Rücken ihres Sohnes durch einen Vertrauensmann an den Erbfeind. Darin gab sie deutlich zu verstehen, daß sie an einem blutigen Krieg nicht interessiert sei und alles tun würde, um ihren Sohn dazu zu bewegen, von sich aus keine verlustreiche Schlacht zu schlagen. Friedrich möge doch ein gleiches tun. Der König von Preußen hatte es nun in der Hand, die Bitte der Königin von Ungarn zu ignorieren oder selbst seinen Beitrag zu einem unmilitärischen Kampf zu leisten. Er erkannte die Chance, seine Ziele auch ohne Entscheidungsschlacht durchzusetzen.

Das auf dieser Seite zu sehende Bild von Menzel ist daher symbolisch zu verstehen, denn die hochgerüsteten Heere der Österreicher und Preußen standen sich zwar an der böhmisch-schlesischen Grenze gegenüber – aber zu einer großen, verlustreichen Entscheidungsschlacht ist es nicht gekommen. Joseph traute sich nicht, gegen den Willen seiner Mutter und gegen den König von Preußen eine große Schlacht anzustreben. Während sich die Kontrahenten zwar militärisch bedrohten, sich aber bis auf kleinere Plänkeleien in Ruhe ließen, liefen die diplomatischen Aktivitäten wieder auf Hochtouren.

Nachdem die militärische Konfrontation auf die Verhandlungsbereitschaft insbesondere des Kaisers eingewirkt hatte, kam es zu Beginn des Jahres 1779 darauf an, einen Frieden herbeizuführen, bei dem alle Seiten ihr Gesicht dadurch wahrten, daß für die Öffentlichkeit wenigstens ein kleiner Gewinn für jeden herausgestellt werden konnte. Das war für Österreich ein geringfügiger Landzuwachs, das sogenannte Innviertel an der Grenze zu Bayern. Das war für Preußen die Zusage Wiens, die Nachfolge Berlins in den Markgrafentümern Bayreuth und Ansbach künftighin nie anzuzweifeln. Wer bisher nicht erkennt, daß Friedrich sich im Bayerischen Erbfolgekrieg als wahrer Friedensfürst gezeigt hat, der wird aufgrund dieses „Kriegsgewinns“ davon überzeugt werden, denn die Nachfolge eines Königs von Preußen – wer immer dann auf dem preußischen Thron sitzen würde – in den von seinen Verwandten regierten Markgrafschaften wäre sowieso von niemandem angezweifelt worden. Diese Nachfolge war allen damals lebenden Regierenden unbezweifelbar klar und stand nie ernsthaft zur Disposition.

Der Frieden von Teschen, der am 62. Geburtstag von Maria Theresia, am 13. Mai 1779 einen unblutigen Krieg abschloß, wurde von den Zeitgenossen und auch von den später lebenden Historikern, die belustigt-despektierlich von „Kartoffelkrieg“ und „Zwetsch­gen­rummel“ sprachen, nicht als das erkannt, was er war, nämlich die Chance und das Beispiel, einen für alle Beteiligten blutigen und verlustreichen militärischen Kampf zugunsten einer diplomatischen Lösung zu vermeiden, ohne die politischen Ziele aufzugeben. Selbstverständlich mußten Regierende im 18. Jahrhundert dem Zeitgeist folgend bis an die Grenze tatsächlicher militärischer Gewalt gehen, um die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten zu dokumentieren. Man konnte damals als Staatsmann seine Ziele in der Mehrzahl der Fälle eben nur durch militärische Kraftanstrengungen verwirklichen. Im Gegensatz zu den früheren und leider auch zu den künftigen Kriegen mit ihren verheerenden Folgen gelang es Maria Theresia und Fried­rich, den verhängnisvollen zwangsläufigen Ablauf zu stoppen. Insofern ist der Bayerische Erbfolgekrieg ein Exempel dafür gewesen, daß man im gegenseitigen Einvernehmen zu Resultaten gelangen kann, die beide Mächte ohne großes Blutvergießen zufriedenstellen. Die Menschheit war leider noch nicht reif, das auch in Zukunft zu praktizieren.

Der Verfasser dieses Artikels ist Autor der Monographie „Der Bayerische Erbfolgekrieg 1778/1779 oder der Kampf der messerscharfen Federn“, Edition Ziechmann, Südmoslesfehn 2007, 220 S., 29,80 Euro.

Foto: Bayerischer Erbfolgekrieg: Holzstich nach Adolf Menzel


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