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02.02.08 / Ein Tabu der US-Geschichte / Die Vereinigten Staaten internierten im Zweiten Weltkrieg 11000 Bürger deutscher Abstammung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Ein Tabu der US-Geschichte
Die Vereinigten Staaten internierten im Zweiten Weltkrieg 11000 Bürger deutscher Abstammung
von Rudolf Dorner

Während die zwangsweise Umsiedlung von 120000 Amerikanern japanischer Abstammung von der Westküste der Vereinigten Staaten von Amerika in andere Landesteile im Zweiten Weltkrieg weithin bekannt ist, wird die Internierung von rund 11000 Deutsch-Amerikanern und Auslandsdeutschen in den USA totgeschwiegen, und zwar sowohl in den USA als auch in der Bundesrepublik Deutschland. Auf beiden Seiten wird dieses Geschehnis als Tabuthema behandelt; man kann es auch als selektiven Gedächtnisverlust bezeichnen. Gleichfalls unbekannt geblieben ist, daß schon im Ersten Weltkrieg Deutsch-Amerikaner und deutsche Staatsangehörige interniert wurden, wenngleich auch in geringerem Umfange. Vielerorts fanden aber Ausschreitungen gegen Bürger deutscher Abstammung, Zerstörung ihres Eigentums und in einigen Fällen sogar Lynchmorde statt.

Diese schlimmen Erfahrungen mögen dazu geführt haben, daß die Deutsch-Amerikaner, die als zweitgrößte Ethnie der USA gelten, sich in der spannungsgeladenen Vorzeit des Zweiten Weltkriegs bei Sympa­thiebezeugungen und Manifestationen für Deutschland beziehungsweise das Dritte Reich äußerste Zurückhaltung auferlegten und vielmehr zu Bekundungen ihrer Loyalität zu Amerika neigten. Ein offenes Bekenntnis zum Nationalsozialismus des Dritten Reiches war eher selten. Als „deutschfreundlich“ galten einige Repräsentanten des „German-American Bund“ („Amerikanischer Volksbund“), der Dachorganisation der deutsch-amerikanischen Vereine, die sich positiv über das neue Deutschland äußerten.

Um die Sicherheit der sogenannten amerikanischen Nation gegen­über ausländischen Staaten zu gewährleisten, wurden im Laufe der Zeit zunehmend restriktive Maßnahmen ergriffen, die ihren Ursprung in dem Alien Enemy Act (Gesetz über „Feindliche Ausländer“) von 1798 hatten, das 1918 kodifiziert wurde und noch bis heute gilt. Hierdurch wurde dem Präsidenten der USA Blankovollmacht für die Behandlung feindlicher Ausländer erteilt und ihm sogar die vollständige Aufhebung der Bürgerrechte eingeräumt.

Unmittelbar nach der Katastrophe von Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 erließ Präsident Frank Delano Roosevelt gleichlautende Proklamationen, die japanische, deutsche und italienische Staatsbürger zu feindlichen Ausländern erklärten, ihre Internierung ermöglichten sowie ihre Reisefreiheit und Verfügungsmöglichkeit über ihr Vermögen beschränkten.

Nach der Kriegserklärung Deutschlands an die USA am 11. Dezember 1941 verfügte der Justizminister aufgrund der präsidialen Proklamation die Feststellung aller feindlicher Ausländer über 14 Jahre in einem Register, das rund eine Millionen Personen, darunter 300000 Deutschstämmige umfaßte. Anfang 1942 wurden zahlreiche „Verbotene Zonen“ für alle feindlichen Ausländer festgelegt. Außerdem wurden, insbesondere an der Pazifikküste, Gebiete mit regionalen und zeitlichen Aufenthalts- und Reisebeschränkungen sowie Militärbezirke geschaffen. Im März 1942 wurde dem „Amt für Feindvermögen“ Vollmacht über sämtliche Vermögenswerte von feindlichen Personen erteilt. Guthaben von Internierten wurden eingefroren, was vielfach zum finanziellen Ruin der betroffenen Familien führte. Im weiteren Verlauf wurden gemäß militärischer Anordnung Tausende von Japanern, Deutschen und Italienern gezwungen, die deklarierten Militärgebiete zu verlassen. Im Zuge der Umsiedlungsmaßnahmen wurden ungefähr 120000 an der Westküste ansässige Japan-Amerikaner in andere Bundesstaaten deportiert und dort in behördlich verwalteten Lagern interniert. Auch „potentiell“ gefährliche Deutsch-Amerikaner wurden aus den Militärgebieten evakuiert und ihrem Schicksal überlassen.

In den Jahren 1942 bis 1943 wurden sodann überall in den USA Internierungslager eingerichtet, die unter militärische und die Verwaltung des Justizministeriums gestellt wurden.

Die größten waren in Crystal City und Seagoville in Texas. Es gab wenigstens 50 Zwischen- und Stamm-Lager. Die Internierten wurden häufig von Lager zu Lager verlegt, und zwar unter strenger Bewachung und ohne Benachrichtigung ihrer Familie.

Da sich in Deutschland noch eine Anzahl internierter US-Bürger befand, waren beide Seiten an einem Austausch interessiert. 1942 wurden ungefähr 2000 internierte Deutsche gegen eine nicht bekannte Zahl von Amerikanern ausgetauscht. Im Zusammenhang mit dieser Austauschaktion bedienten sich die US-Amerikaner einer ebenso perfiden wie rechtswidrigen Maßnahme. Im Rahmen eines Kooperationsprogramms wiesen sie einige lateinamerikanische Länder an, Deutsch-Südamerikaner, darunter auch aus Deutschland und Österreich geflohene Juden, an die USA auszuliefern. Sie wurden bei Nacht und Nebel in die USA verschifft, dort interniert und dann zwangsweise als unerwünschte Ausländer nach Deutschland abgeschoben. General George Marshall ordnete in einem Memorandum vom 12. Dezember 1942 an, daß diese Feindstaatler für den Austausch von zivilen US-Staatsbürgern in Deutschland dienen sollen. Bis Kriegsende wurden über 4000 Deutsch-Südamerikaner und in Mittel- und Südamerika lebende Reichsdeutsche in US-amerikanische Internierungslager verbracht. Hintergedanke dieser völkerrechtswidrigen Maßnahme war vorwiegend, die lästige Konkurrenz der meist im Außenhandel tätigen Deutsch-Südamerikaner auszuschalten, denn ein militärisches Risiko für die USA stellten diese Zivilisten nicht dar.

In den Folgejahren bis 1945 wurden Tausende von deutschen Staatsbürgern und angeblich gefährlichen Deutsch-Amerikanern festgenommen, interniert, ihrer Funktionen beraubt, teilweise bedingt entlassen oder ausgetauscht. Wenige der Betroffenen wußten, warum sie interniert wurden und für wie lange. Sie litten daher unter geistig-seelischen Qualen, Schuld- und Schamgefühlen, während andere sich in Wut- und Zornesausbrüchen ergingen. Ihre Unterbringung erfolgte in abgelegenen Orten in Hütten und Baracken, die mit Stacheldraht umzäunt waren und von Wachtürmen aus mit Scheinwerfern und durch Wachmannschaften mit Hunden überwacht wurden. Sofern durch die Internierung des Ernährers dessen Familie die Lebensgrundlage entzogen war, sahen sich Ehefrau und Kinder gezwungen, sich ebenfalls in diese Internierungslager zu begeben. Die Lebensbedingungen in den Lagern waren meist miserabel. Sie verschlechterte sich – wie übrigens auch in den Kriegsgefangenenlagern – als sich die deutsche Niederlage abzeichnete. Die Versorgung war knapp und konnte mangels bezahlter Erwerbsmöglichkeiten nicht aufgebessert werden. Außenkontakte waren nicht erlaubt; die Post unterlag der Zensur. Vergeblich versuchten viele Internierte, an Gerichte zu appellieren. Nur selten fanden sie überhaupt Gehör und wurden in Einzelfällen bedingt freigelassen. Arbeitsfähige Männer, die sicherheitspolitisch für ungefährlich gehalten wurden, wurden bei Bedarf für beschwerliche Arbeiten eingesetzt. „Unliebsame Patrioten“ wurden zur Ausreise nach Deutschland gedrängt. Es gab auch Internierte, die sich ungerecht und schlecht behandelt fühlten und sich aus Zorn oder Frust freiwillig für einen Austausch meldeten. Insgesamt fanden sechs Austauschaktionen mit Deutschland statt, wobei es sich um Zivilpersonen, aber auch verwundete Kriegsgefangene handelte. Noch im Jahr 1945 wurden rund 1000 Personen mit dem schwedischen Schiff „SS Gripsholm“ nach Deutschland verschifft. Bis Kriegs­ende wurden rund 4500 Deutsche ausgetauscht.

Im Juli 1945, also nach Beendigung des Krieges zwischen den USA und Deutschland, erließ Präsident Truman eine Order, wonach alle feindlichen Ausländer, die für den öffentlichen Frieden und die Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährlich erschienen, deportiert werden können. Viele Deutsch-Amerikaner wurden deshalb noch weiter in Haft gehalten, einige bis August 1948. Erst im November 1945 fanden in größerem Umfang Entlassungen statt. Manche waren bis zu sechs Jahren interniert. Die Internierungslager wurden nach und nach geschlossen. Der Rest der Häftlinge wurde in den Internierungslagern Crystal City und Ellis Island konzentriert. Ende 1947 wurde dann das Familienlager Crystal City geschlossen und die Familien wurden nach Ellis Island verlegt. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, daß Deutsch-Amerikaner, deren Vorfahren über diese Station in die USA eingewandert waren, von hier aus wieder in die Heimat ihrer Väter zurückgeschickt wurden, vielfach ohne Rückkehrmöglichkeit. Es ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß kein deutschstämmiger Internierter wegen eines Kriegsverbrechens gegen die USA verurteilt wurde.

Bei ihrer Entlassung hatten die Internierten ein eidesstattliches Versprechen abzugeben, mit anderen Personen über ihre Internierungszeit nicht zu sprechen, und zwar unter Androhung der Deportation ohne Rückkehrmöglichkeit in die USA. Viele nahmen dieses „Staatsgeheimnis“ mit ins Grab. Wohl auch deshalb blieb die selektive Internierung von Deutsch-Amerikanern bis zum heutigen Tag in Geschichtsbüchern und Medien ein Tabuthema.

Nur zwei Amerikanern kommt das Verdienst zu, auf dieses schändliche Verhalten aufmerksam gemacht zu haben: Senator William Langer aus North Carolina, der sich in den Nachkriegsjahren nach­drück­lich im US-Congress für die Freilassung der Internierten einsetzte, und Arnold Krammer, Professor für Geschichte an der Texas A&M University, der dieses unrühmliche Kapitel US-amerikanischer Geschichte in seinem Buch „Undue Process – The Untold Story of Americas German Alien Internees“ (Lanham, Maryland, 1997), historisch und juristisch abgehandelt hat. Er legt dar, daß bei der Internierung der Deutsch-Amerikaner das in der US-Verfassung im Amendment XIV aufgestellte Gebot eines rechtsstaatlichen Verfahrens (due process), nach dem jedermann das Recht auf Gehör in einem Verfahren hat, nicht eingehalten wurde. (Gleiches ist übrigens auch im Grundgesetz-Artikel 103 geregelt.)

Unerwähnt blieb auch das Leid vieler Internierter und ihrer Familien nach ihrer Entlassung: Verlust des Vermögens, des Arbeitsplatzes und der Reputation im Bekanntenkreis, was nicht selten zur Entzweiung der Partner oder der Zerstörung des Familienlebens führte. Damit verbunden waren die Gefühle der Sorge um die Weiterexistenz, des Verlusts wertvoller Lebensjahre, der Scham, der Bitternis über das Schicksal und des Betrogenseins durch den Staat, alles in allem ein anhaltender Alptraum.

Während die US-Regierung sich für das begangene Unrecht der Umsiedlungsaktion der 120000 Personen japanischer Herkunft 1976 offiziell durch Präsident Gerald Ford entschuldigte und die USA 1988 jede betroffene Familie mit 20000 US-Dollar entschädigte, verweigerte die 1980 gegründete „Commission on Wartime Relocation and Internment of Civilians“ (CWRIC) Personen europäischer Abstammung das Recht bei den Congress-Hearings mündlich oder schriftlich Zeugnis über ihre Erlebnisse in den Internierungslagern abzulegen. Die Betroffenen erhielten weder eine offizielle Entschuldigung noch gar eine Entschädigung. Bis heute blieb diese rechtswidrige und unrühm­liche Vorgehensweise der USA gegen ihre Staatsbürger deutscher Abstammung ein dunkles, unbewältigtes Kapitel ihrer Geschichte.

Foto: US-amerikanisches Internierungslager im Zweiten Weltkrieg: Wie Japan- wurden auch Deutsch-Amerikaner in Lager gesteckt, nur daß über sie fast keiner spricht.


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