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02.02.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-08 vom 02. Februar 2008

Rasieren und balbieren / Warum wir die Bretonen mögen, was sieben Euro alles möglich machen, und wer bald bei Hessens unterm Tisch sitzt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Es gibt Meldungen, die muß man zweimal lesen, um sie immer noch nicht zu verstehen. Gemerkt haben wir davon nichts, aber Anfang der Woche hat uns ein 250 Meter dicker Asteroid nur um eine galaktische Haaresbreite verfehlt. Er sauste mit unvorstellbaren 33000 Kilometern pro Stunde in einer Entfernung von nur 538000 Kilometern an der Erde vorbei. Das ist nur wenig weiter als der Mond und im Weltraummaßstab so gut wie gar nichts.

Wäre der bei uns eingeschlagen – oha! Erschreckend: Die Astronomen haben das Geschoß erst im vergangenen Oktober, vor vier Monaten also, entdeckt. Was haben wir für ein Glück gehabt: Wäre der Klumpen auf seiner langen Reise irgendwo angeditscht und hätte deshalb einen nur minimal anderen Kurs eingeschlagen ... gar nicht auszudenken. Wir hätten nicht mal mehr Zeit gehabt, unsere Renten aufzulösen und auf der letzten großen Dauerparty zu verbraten.

Doch jetzt kommt das Merkwürdige: Die klugen Köpfe von der Nasa trösten uns mit dem Versprechen, daß bis zum Ende des kommenden Jahrhunderts kein großer Asteroid mehr so nahe herankommen werde wie der gerade vorbeigeflogene. Ach ja? Wie wollen die denn wissen, was da alles rumfliegt, wenn sie von dem jüngsten Besucher bis vergangenen Oktober überhaupt keinen Schimmer hatten?

„Ruhig Blut“, höre ich die Weisen sprechen: Das sind Fachleute, die kennen ihre Materie und wissen, was sie sagen, auch wenn wir nur Bahnhof verstehen.

Fachleute – eben, eben: genauso wie die Finanzexperten in den großen Geldinstituten, die reihenweise auf wirre Bauchladen-Investments hereingefallen sind.

Nun ja, Bankenprügeln ist ja jetzt „in“ und daher auch ein wenig billig. Alle machen das dieser Tage, weshalb wir lieber tapfer dagegenhalten. Die neunmalklugen Finanzstrategen können nämlich auch ganz anders. Statt hochnäsig ihr Börsenlatein herumzuschleudern, gebärden sich manche  von ihnen plötzlich sympathisch naiv, richtig niedlich gar: Sie hätten nichts gemerkt, beteuern die Bankdirektoren der französischen „Societe Generale“, als 50 Milliarden Peanuts unter ihrer Nase vorbei auf den globalen Zockertisch geknallt wurden.

Auch von den anderen großen Geldinstituten, den Aufsichtsbehörden oder den weltumspannenden Maklerhäusern will keiner was mitgekriegt haben von den gigantischen Transaktionen des Franzosen Jerome Kerviel – auf soviel heilige Unschuld wären selbst Adam und Eva neidisch.

Er muß ein wahrer Künstler sein, der 31jährige Händler aus dem Hinterzimmer der Pariser Großbank. Kommt aber auch aus gutem Hause: Der Vater ist gelernter Kunstschmied. die Mutter besitzt sogar einen eigenen Frisiersalon. Das Fönen und Frisieren, Rasieren und Balbieren war dem Bub also schon in die Wiege gelegt. Nur daß er es lieber mit Zahlen macht als mit Haaren, dennoch aber immer schön unter der Haube.

Er ist unser Held. Wir stellen uns vor, wie er nachts mit diebisch funkelnden Augen vor dem Rechner saß und händereibend die Milliarden jonglierte, derweil seine fetten Chefs nichtsahnend beim Diner saßen.

Dabei hätten sie Grund gehabt, Vorsicht walten zu lassen. Kerviel ist Bretone, ein eigensinniger Volksstamm. Die weltbekannten französischen Comic-Macher Uderzo und Goscinny pflanzten ihre gallischen Helden Asterix und Obelix nicht umsonst in eben diese Gegend. Die beiden und ihre knollennasigen Mitdörfler sind überaus stolz, reizend durchgeknallt und verfügen über einen Zaubertrank vom örtlichen Priester, der sie unbesiegbar macht. Den intus verprügeln sie die römischen Besatzer (die Geschichten spielen zur Zeit Cäsars) und legen alles in Schutt und Asche. Nachfahre Kerviel muß irgendwo noch ein Fläschchen gefunden haben.

Der Kerviel-Coup kam allerdings zur Unzeit. Sind sowieso schon alle nervös auf dem Parkett. Wie nervös, zeigte sich bei einer kleinen Gemeinheit in Japan: Da stellte ein Witzbold die Nachricht in die Internetseite der Finanzaufsicht, daß er 51 Prozent der Riesenkonzerne Mitsubishi, Toyota, Sony, NTT und Fuji übernehme.  Die meisten hätten die Nachricht gleich als Scherz entlarvt, heißt es aus Tokio; trotzdem sei die Aufregung groß gewesen. Ja, die Nerven liegen blank auf den Handelsplätzen der Weltfinanz.

Die Firma, die da angeblich „halb Japan“ schlucken wollte, existiert zwar wirklich, verfügt aber über ein Betriebskapital von umgerechnet sieben Euro (nicht sieben Milliarden, nicht siebentausend, nein: sieben!) und hat nur einen einzigen Mitarbeiter, ihren Gründer.

Jetzt lachen natürlich alle über den kleinen Streich, zumal es wirklich zu weit hergeholt ist, daß da plötzlich ein Niemand auftaucht und sich im Vorbeigehen die Kronjuwelen der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt unter den Nagel reißt.

Lachen ist gut – es sei denn, man lacht zu früh. Da gab es mal so ein Buch, ein humoristischer Zukunftsroman, erschienen kurz nach der deutschen Vereinigung. Handlung, fiktiv natürlich: Nicht die DDR tritt der Bundesrepublik bei, sondern umgekehrt.

Genüßlich walzt der Autor aus, wie begeistert die Westdeutschen ihre Retter von der SED begrüßen, wie der Segen des Sozialismus mit dem Grauen der kapitalistischen Ausbeutung schlußmacht und so weiter. Damals haben wir uns darüber kringelig gelacht: Welch herrlicher Blödsinn. Auf was Romanautoren so alles kommen! Heute jubeln wir Gregor Gysi zu und freuen uns darauf, daß der Segen des Sozialismus mit dem Grauen der kapitalistischen Ausbeutung bald schlußmacht. Was lehrt uns das? Toyota und Co. sollten sich darauf gefaßt machen, daß der Scherzkeks wiederkommt und diesmal ernstmacht, – „Nichts ist unmöglich.“

In Hessen schon gar nicht. Das Chaos ist komplett. Die CDU ist immerhin stärkste Partei, hat den Stab zur Regierungsbildung als erste in der Hand. Von Roland Koch hatten sich die Schwarzen allerdings schon vor dem Wahlsonntag leise abgesetzt. Der käme vermutlich nicht in Frage. Schon kursierte das Gerücht, Verteidigungsminister Franz Josef Jung könnte herangewinkt werden, um die Demokratie am Taunus zu verteidigen. Der will aber nicht – Junge, Junge! Muß hoch hergehen im Land der Hessen, wenn einer sogar den Hindukusch vorzieht, um der Verantwortung in Wiesbaden zu entgehen.

Hessen, trösten sich die Parteiführer, war immer schon schwer zu regieren. Richtig: Hier bauten bereits die Römer ihren gewaltigen Limes, um die Chatten, die Vorfahren der Hessen, unter Kontrolle zu bekommen. Ging auch schief.

Im Moment ist viel von „Schamfristen“ die Rede, die ablaufen müßten, ehe eine Regierung zustande kommen könne. „Schamfrist“! Was erwartet uns da? Müssen wir die Kinder ins Bett schicken, bevor einer die neue Koalition vorstellt? Die Wortwahl verspricht, daß wir uns auf was Unanständiges einstellen müssen, etwas, das man uns sonst erst nach den Spätnachrichten zumutet.

Wie es ausgeht? Am Ende wird der Ministerpräsident in geheimer Wahl vom Landtag gekürt. Dann können SPD und Grüne Frau Ypsilanti vorschlagen und die Linke wird sie auch wählen. Rot-Rot-Grün geht (noch) nicht, schwören Sozialdemokraten und Grüne. Na und? Können die Dunkelroten doch unterm Koalitions­tisch Platz nehmen, bis die Luft antikommunistenrein ist. Solange reicht man den Post-SEDlern von Zeit zu Zeit kleine populistische Präsente hinunter, mit denen sie prahlen gehen dürfen.

Was sich die Genossen wünschen, hat Manfred Sohn verraten, Spitzenkandidat der Linken in Niedersachsen. Er wolle die Reichen schröpfen und fordert daher eine „Swimmingpool-Steuer“. Es wurde Zeit, daß in die deutschen Parlamente wieder eine Partei einzieht, die die wirklichen Probleme der kleinen Leute kennt und ernst nimmt.


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