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09.02.08 / Soldaten ohne Lobby / Auch der Bundeswehrverband interessiert sich nur für medienwirksame Probleme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

Soldaten ohne Lobby
Auch der Bundeswehrverband interessiert sich nur für medienwirksame Probleme
von Mariano Albrecht

Geht es nach dem Willen der USA und der Nato, dann soll sich die Bundesrepublik in Zukunft noch stärker in Afghanistan engagieren. Im Sommer soll Deutschland eine schnelle Eingreiftruppe im Norden stationieren, weil Norwegen seine Soldaten von dort abzieht. Auch für das Einsatzgebiet im Süden mehren sich die Forderungen nach kämpfenden Truppenteilen aus Deutschland. Während die Politik Nebelbomben für die Medien wirft und Hindernisse für die Truppenentsendung im Bundestagsmandat für den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr auszumachen versucht, sieht der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Bernhard Gertz die Truppe mangelhaft ausgerüstet. Der Bundeswehrverband ist die Interessenvertretung der Soldaten, ihm gehören rund 200000 Mitglieder an. Zu den jüngsten Erfolgen der Verbandspolitik zählt das neue Einsatzversorgungsgesetz. So erhalten im Einsatz verletzte Soldaten umfangreichere Versorgungsleistungen. Falls ein Soldat ums Leben kommt, stehen auch den Hinterbliebenen höhere Entschädigungssummen zu, heißt es in der Selbstdarstellung. Doch wird die Soldatenvertretung ihren selbst gesetzten Zielen gerecht?

Major Christopher Plodowski wurde bei einem Anschlag im Jahr 2003 schwer verletzt, vier seiner Kameraden starben. Heute ist Plodowski fast taub, leidet unter Sehstörungen und ist psychisch nicht mehr belastbar. Trotz Gutachten eines Bundeswehrarztes will die Bundeswehr seine 70prozentige und damit die völlige Dienstuntauglichkeit nicht anerkennen. Er prozessiert seitdem gegen die Bundesrepublik. Bis auf eine Prozeßkostenbeihilfe, die ihm die „Soldatengewerkschaft“ gewährt, kümmert sich der Bundeswehrverband unter Oberst Gertz nicht um Schicksale von im Einsatz verletzten Soldaten, so Plodowski. Ein Gespräch mit Herrn Gertz hatte Plodowski führen können, das war’s. Wie ihm geht es vielen Kameraden. Wie auch die Politik setzt Gertz auf medienwirksame Themen, Kriegsinvaliden sind nicht populär.

Ob Christopher Plodowski noch einmal nach Afghanistan gehen würde? „Ganz sicher nicht“ antwortet der Major. Den Umgang mit den Soldaten findet er beschämend, „das fängt beim Geld an, da wird gefeilscht und gehandelt wie auf dem Jahrmarkt, das ist unwürdig. Plodowski hält die finanzielle Seite des Einsatzes nicht für das Hauptmotiv vieler Soldaten, doch das hängt vom Dienstrang ab.

Ein Berufsunteroffizier verdient zwischen 1583 Euro und 2533 Euro nach elf Dienstjahren brutto im Monat, hinzu kommen Funktionszulagen. Das ist kein Gehalt, für das jeder junger Mensch sein Leben riskieren möchte. Offiziere können von 1916 Euro (Leutnant) bis zu 5480 Euro (Oberst nach zwölf Dienstjahren) verdienen. Die Besoldung der Soldaten richtet sich nach der Beamtenbesoldung in Deutschland.

Für Auslandseinsätze zahlt die Bundeswehr Zuschläge, abhängig vom Einsatzland. In Afghanistan sind das 92,02 Euro pro Tag, rund 11000 Euro für vier Monate im Kriegsgebiet unter Einsatz des Lebens. Unternehmen, die in Afghanistan oder dem Irak tätig sind, zahlen ihren Mitarbeitern deutlich mehr.

Neue Pläne sehen vor, daß Soldaten in Zukunft leistungsorientierter bezahlt werden sollen, doch die Regelung hat einen Pferdefuß. Die Bezahlung soll sich nach der Erfahrung richten. So sollen Bundeswehrangehörige vor der Beförderung 18 Monate länger Erfahrung als Beamte der gleichen Besoldungsstufe sammeln. Seit dem vergangenen Jahr beschäftigt sich auch der Bundeswehrverband mit dem Thema, doch in der Sache weitergekommen ist man nicht. Auch für die Medien kein großes Thema,  aber das: Bei einem Truppenbesuch im Kongo stellte Bernhard Gertz im vergangenen Jahr fest: „Manche Soldaten sind jetzt seit einem Monat hier. Die haben keinen Internetzugang, die Feldpost ist nicht existent, das ist schlicht suboptimal.“ Bei einem anschließenden Gespräch mit drei Hauptfeldwebeln hatte Gertz sich entschlossen, etwas gegen die „unhaltbaren Zustände“ zu tun. 2500 Dollar Soforthilfe vom Bundeswehrverband für die Errichtung von zwei Internetcafés gingen über den Tisch. Die Soldaten in Afghanistan haben andere Sorgen als fehlende Internetcafés. Zum Beispiel die Versorgung bei Verletzungen, die im schlimmsten Fall zur Dienstunfähigkeit oder zur Invalidität führen.

80000 Euro zahlt der Staat als Einmalzahlung bei einer eintretenden Erwerbsunfähigkeit von 50 Prozent. 80 Prozent der übernächsten Besoldungsgruppe erhält ein Soldat im Falle einer Erwerbsunfähigkeit. An Hinterbliebene von im Einsatz ums Leben gekommenen Soldaten zahlt der Staat einmalig 60000 Euro. Hinterbliebene eines Unteroffiziers können mit 1200 Euro monatlicher Unterstützung rechnen. Allerdings gilt diese Regel nur für pensionsberechtigte Armeeangehörige. Viele in Afghanistan stationierte Bundeswehrangehörige sind Zeitsoldaten, tritt bei ihnen eine durch den Dienst verursachte Berufsunfähigkeit ein, zahlt der Staat eine einmalige Ausgleichszahlung von 15000 Euro. Zahlen private Versicherungen unter Berufung auf die Kriegsklausel in Versicherungsverträgen nicht, erhalten Invaliden eine Ausgleichszahlung. Während Berufssoldaten weitgehend per Befehl in Krisengebiete kommandiert werden, sind es die Zeitsoldaten, die sich tatsächlich freiwillig für die gefährlichen Einsätze melden. Im Bundeswehrverband haben sie keine Lobby. Trotz Versorgungsleistungen fehlt es den Soldaten nicht selten an einer Interessenvertretung, die sie auch nach dem Einsatz bei der Wahrnehmung ihrer Rechte begleitet.

Foto: Keine Hilfe in Sicht: Neben der mangelhaften Ausrüstung läßt auch die Besoldung zu wünschen übrig.


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