18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.02.08 / Anhänger mutieren zu Nicht-Wählern / Merkels Führungsschwäche und Linksrutsch der CDU rauben Konservativen wie Liberalen die Heimat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

Anhänger mutieren zu Nicht-Wählern
Merkels Führungsschwäche und Linksrutsch der CDU rauben Konservativen wie Liberalen die Heimat
von Hans Heckel

Bald könnte die CDU die SPD als mitgliederstärkste Partei überholen. Der Trend, der sich schon früh im vergangenen Jahr abgezeichnet hatte, wird von den Christdemokraten als Erfolg gefeiert. Ein schaler Triumph: In Wahrheit schrumpft die Schar der CDU-Mitglieder nur etwas langsamer als die der eingeschriebenen Sozialdemokraten, im Abstieg befinden sich beide, und das seit Jahren. So zählte die SPD Ende 2007 noch 539861 Genossen, also nur noch rund halb so viele wie in den 70er Jahren, als es über eine Million waren. Der CDU gehörten Ende Dezember 536668 Menschen an, rund 200000 weniger als Anfang der 80er Jahre. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich mit der deutschen Vereinigung 1990 das Reservoir möglicher Mitglieder spürbar vergrößert hat.

Derzeit ringen sowohl Union wie auch SPD um Orientierung. Die Siegesrufe von Christian Wulff (CDU) in Niedersachsen und Andrea Ypsilanti (SPD) in Hessen erscheinen bei näherem Hinsehen schnell wie aufgesetzt. Beide haben Stimmen verloren. Doch der SPD bleibt am Ende eine Möglichkeit, sich die überwiegend nach ganz links entschwundenen Wähler zumindest wieder nutzbar zu machen. Sie muß nur ihre Position zur Partei Die Linken „überdenken“, sprich: den Weg zu Kooperation und Koalition mit der Gysi-Lafontaine-Truppe ebnen – und schon kann sie sich an die Spitze einer linken Mehrheit stellen.

Für die Union ist die Lage komplizierter. Während der SPD etliche ihre Wähler in Richtung Linke davonlaufen, mutieren frustrierte CDU-Anhänger zu Nichtwählern. Vor ihren Augen verschwimmen die Konturen der Union so sehr, daß ihnen das Wählen am Ende sinnlos erscheint. Vor allem Wirtschaftsliberale und Konservative empfangen von ihrer einstigen Heimatpartei verwirrende Signale. Ihnen spricht der Chefökonom der Deutschen Bank, Norbert Walter, aus der Seele. In der „Welt am Sonntag“ konstatiert er zum wirtschafts- und sozialpolitischen Kurs des Landes: „Auf gute Wirkung, so scheint es, kommt es in unserem Land nicht mehr an. Was zählt, ist gute Gesinnung. Vor allem, wenn sie medienwirksam formuliert und inszeniert wird. Die Debatte geht einfach weiter. Die Linke treibt, die SPD sekundiert, die CDU verliert auch in dieser Frage ihren Anker.“

Der Parteienforscher Franz Walter wunderte sich als Besucher des CDU-Bundesparteitags Ende 2007 über das Desinteresse der Delegierten an den diskutierten Themen: Als Familienministerin Ursula von der Leyen die familienpolitischen Grundsätze der Union erläuterte, „da wurde getuschelt, gelesen, mit dem Nachbarn gefeixt“. Die Enttäuschung der Anhängerschaft hat offenbar ihr logisches Gegenüber im Desinteresse der Funktionärsebene der CDU an einst zentralen Anliegen.

An die Spitze der innerparteilichen Warner vor einem fortschreitenden Profilverlust hat sich der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, gesetzt. Der Niedersachse griff die CDU-Chefin und Kanzlerin nach den jüngsten Landtagswahlen frontal an: „Angela Merkel fährt in der Großen Koalition einen Linkskurs, der von den bürgerlichen Stammwählern in der Union nicht mitgetragen wird“, sagte er dem ZDF.

Augenfällig ist das Fehlen herausragender Köpfe an der Spitze der CDU, die für die Konservativen und Liberalen sprechen und die entsprechenden Wähler damit an die Partei binden könnten. Seit dem durch Angela Merkel selbst heftig vorangetriebenen Abgang des Hoffungsträgers Friedrich Merz ist dort niemand nachgewachsen. Und die Art und Geschwindigkeit, in der sich die führenden Repräsentanten der CDU praktisch geschlossen von Roland Koch abwandten, muß im rechten Flügel der Unionsanhängerschaft das Gefühl weiter verstärkt haben, von der eigenen Partei abgeschrieben worden zu sein.

Indes zeigt die um sich greifende Unruhe in der CDU, daß die jüngsten Wahlausgänge als Menetekel begriffen worden sind. Lange war es Angela Merkel gelungen, Kritik an ihrem inhaltlich unbestimmten Führungsstil einfach abperlen zu lassen, weshalb die kritischen Fragen, wie der „Spiegel“ bissig formuliert, irgendwann „aus vorauseilender Resignation gar nicht mehr gestellt worden sind“. Das konnte so lange gut gehen, wie ihr Kurs Erfolg, sprich: Machterhalt verhieß.

Nach den Dämpfern von Hessen und Niedersachsen und vor den Wahlen in Hamburg am 24. Februar breitet sich jedoch Nervosität aus. An der Elbe versucht es Bürgermeister Ole von Beust mit dem Konzept der zur linken Mitte offenen „modernen Großstadt-CDU“ und spricht sogar über die Option einer schwarz-grünen Koalition. Dennoch ist die hanseatische Union nach allen Umfragen weit davon entfernt, ihrem 47-Prozent-Sieg von 2004 auch nur nahezukommen.

Ob sich die Union danach zu einer tiefgreifenden Debatte über Richtung und Selbstverständnis der Partei durchringt, bleibt indes fraglich. Schon versuchen etliche Unionsgrößen, die aufkeimende Diskussion schnell zu ersticken und mit Plattitüden zu bedecken. Haben sie Erfolg, könnte die Union weiter, wie vom Norbert Walter bitter analysiert, zum Treibgut im linken Strom verkommen und weitere Wähler aus dem konservativen und rechtsliberalen Spektrum von den Wahlurnen vertreiben. Deren Abstinenz wird dann die „strukturelle linke Mehrheit“ in den Parlamenten ermöglichen, von der linke Strategen bei SPD, Grünen und Linkspartei träumen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren