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09.02.08 / Ein »Sieg der Angst« / Schmuddelkind oder Partner Europas? – Zum Ausgang der serbischen Präsidentenwahlen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

Ein »Sieg der Angst«
Schmuddelkind oder Partner Europas? – Zum Ausgang der serbischen Präsidentenwahlen
von Wolf Oschlies

Nach dem Motto „Einer gegen alle“ verlief am 3. Februar auch die zweite Runde der serbischen Präsidentenwahl, allerdings mit ausgewechseltem Einen: In der ersten Runde am 20. Januar hatte es Amtsinhaber Boris Tadic mit acht Mitbewerbern zu tun, belegte mit 35,4 Stimmenprozenten aber den zweiten Platz hinter Tomislav Nikolic (39,4 Prozent). Da keiner die absolute Mehrheit schaffte, war eine zweite Runde nötig, bei der Nikolic sich vergeblich mühte, die Stimmen früherer Konkurrenten auf sich zu einen, so daß seine Niederlage früh absehbar war. 

Nikolic führt die aggressiv-nationalistische Radikale Partei (SRS), Tadic die proeuropäische Demokratische Partei (DS). Diese erwartete von der EU „Rückenwind“ durch die Unterzeichnung eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) am 28. Januar. Das verhinderten die Niederlande, die als serbische Vorleistung die Auslieferung von General Ratko Mladic ans Haager Tribunal forderten. Die EU parierte, obwohl ihr bekannt ist, daß Mladic sich in Bosnien verbirgt und daß 1995 dessen Untaten im bosnischen Srebrenica vor allem durch die Passivität niederländischer Blauhelme begünstigt wurden. Das Bild, das Mladic und den niederländischen Kommandanten Thom Karremans beim Slivovitz-Prosten zeigte, ging damals um die Welt und macht bis heute Niederländer unglaubwürdig, wenn diese sich als Sittenwächter Serbiens aufspielen.

Die EU schob rasch ein Handels- und Visaabkommen nach, um die niederländische Obstruktion nicht als indirekte Wahlhilfe für den europafeindlichen Nikolic erscheinen zu lassen. Der profitierte ohnehin von politischen Fehlern des Westens, der Serbien zwingen will, seine Provinz Kosovo, 15 Prozent des serbischen Territoriums, in die Unabhängigkeit zu entlassen. Hinter dieser völkerrechtswidrigen Pression steht vor allem die Bush-Administration. Ende Januar haben John Bolton, Peter Rodman und Lawrence Eagleburger – drei hochrangige Ex-Diplomaten der USA – öffentlich vor den Folgen amerikanischer Kosovo-Politik gewarnt: Die USA unterstützen ein Regime politischer Krimineller und kümmern sich nicht darum, daß dadurch ein Präzedenzfall für Separatisten in aller Welt entsteht und diese Unterstützung die USA in Konflikt mit Rußland, der EU, den Vereinten Nationen und anderen bringen wird.

Wie konnte Boris Tadic seinen proeuropäischen Kurs noch vertreten, wenn Serbien von der internationalen Gemeinschaft gedemütigt und erpreßt wird? Die Antwort gab das Staatsfernsehen RTS, als es ihn und Nikolic am

30. Januar zu einem anderthalbstündigen Streitgespräch vor die Kameras holte. Nikolic war unvorbereitet, erging sich in Phrasen („Ich werde Serbien einigen“). Tadic vergaß seine Taktik aus dem ersten Wahlgang, die Wahl als „Referendum“ pro oder contra EU zu propagieren, und setzte Furchtappelle in Fülle: Europa ist unsere einzige Chance, denn die Folgen antieuropäischer Politik – Isolation, Wirtschaftselend, Korruption und Krieg – haben wir „in den verdammten 1990er Jahren erlebt“, als der Diktator Milosevic im Bündnis mit den Radikalen von Seselj und Nikolic regierte.

Für Tadic hat das urbane, gebildete Serbien gestimmt, rund eine halbe Million Stimmen mehr als bei seiner ersten Wahl 2004 bekam er. Dennoch meinten Analytiker, es sei ein „Sieg der Angst“ gewesen. Wann endlich wird die internationale Gemeinschaft zwei Dinge zur Kenntnis nehmen – daß die Serben allein im Oktober 2000 Milosevic stürzten und daß balkanische Sicherheitspolitik ohne oder gegen das größte Land und Volk der Region, Serbien und Serben, ein Unding ist. Ein demnächst souveränes Kosovo wird ein Herd regionaler Kriege und ein Zentrum des international organisierten Verbrechens sein. Wenn Serbien ein solches Kosovo verhindern will, dabei sogar eine Abkühlung seiner Beziehungen zu Brüssel in Kauf nimmt, dann verteidigt es damit das Völkerrecht und europäische Werteinteressen. Europa will einen friedlichen Balkan, auf diesem befriedete Länder und in jedem Land garantierte Menschen- und Minderheitenrechte. Das sind auch Serbiens Ziele, aber verfolgt Europa seine deklarierten Ziele?

In der ersten Wahlrunde gab es mit knapp 62 Prozent eine für den Balkan unerwartet hohe Beteiligung. Der zweite Durchgang brachte eine nochmalige Steigerung auf 67,6 Prozent und einen Sieg für Tadic (51,16 Prozent) über Nikolic (47,18 Prozent). Bereits im Mai stehen Provinzial- und Lokalwahlen an. Serbien steht vor einer politischen Bipolarisierung: Radikale gegen Demokraten. Nikolic will seine Radikalen zu einer modernen konservativen Partei mit stark „euroskeptischer“ Orientierung umbilden. Der „Europäer“ Tadic kann sich nicht vorstellen, daß Serbiens Verhältnis zu einer EU, die ihm politischen Druck zumutet und Hilfe verweigert, unverändert bleibt.

Foto: Glücklicher Sieger: Boris Tadic mit Frau und Kindern


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