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09.02.08 / Olmert darf Ministerpräsident bleiben / Trotz desaströser Bilanz des Libanon-Krieges 2006 zieht Israels Regierung keine Konsequenzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

Olmert darf Ministerpräsident bleiben
Trotz desaströser Bilanz des Libanon-Krieges 2006 zieht Israels Regierung keine Konsequenzen
von R. G. Kerschhofer

Als die Winograd-Kommission am 30. Januar ihren Schlußbericht zur israelischen Libanon-Invasion von 2006 vorlegte, konnte Ministerpräsident Ehud Olmert getrost einem beliebten Politiker-Rezept folgen: Man „übernimmt die politische Verantwortung“ – und bleibt im Amt.

Die fünfköpfige Kommission, benannt nach dem Vorsitzenden Eliahu Winograd, war im September 2006 von Olmert eingesetzt worden, um die Kritik der israelischen Öffentlichkeit an der politischen und militärischen Führung in „geordnete Bahnen“ zu lenken. Aufgabe der Kommission war die Untersuchung der Militär-Operationen vom 12. Juli bis zum 14. August 2006, des „zweiten Libanon-Kriegs“, wie die Israelis sagen. (Ariel Scharons Libanon-Invasion von 1982 war der „erste Libanon-Krieg“.)

Was Olmert von Anfang an einkalkuliert haben dürfte: Der allergrößte Teil des Berichts bleibt „geheim“, und die etwa 100000 Seiten Dokumentationsmaterial ruhen im Staatsarchiv. So ist an Fakten und Schuldzuweisungen heute nicht wesentlich mehr bekannt als das, was im Zwischenbericht vom April 2007 stand oder was man bereits aus den Kriegsberichten herauslesen konnte.

Wie Winograd feststellte, sei der Kriegsbeschluß „ohne klare Zielsetzung“ erfolgt. Der Krieg sei „eine verpaßte Gelegenheit“ gewesen und habe „nicht mit einem militärischen Sieg geendet“. (Erreicht wurde weder das vorgebliche Ziel, die zwei von Hisbollah-Kämpfern gefangenen israelischen Soldaten zu befreien, noch das wirkliche Ziel, die Hisbollah auszuschalten oder nennenswert zu schwächen.) Kritisiert wird die Entscheidungsfindung auf politischer, strategischer und taktischer Ebene. Es sei aber vor allem die Armee gewesen, die „gravierende Fehler“ gemacht und zum „Scheitern“ beigetragen habe.

Die Winograd-Kommission hat damit ein „realpolitisches“ Urteil ohne praktische Konsequenzen gefällt: Denn Olmert, einem der drei „Hauptangeklagten“, wird zugestanden, „im Interesse des Landes“ gehandelt zu haben, während die beiden anderen, der damalige Verteidigungsminister Amir Peretz und Generalstabschef Dan Chalutz, ohnehin weg vom Fenster sind. Chalutz, der Stunden vor Beginn des Krieges seine Wertpapiere verkauft und sich damit den Vorwurf des „Insider-Handels“ zugezogen hatte, trat bereits im Januar 2007 zurück – nicht ohne vorher seinen Hauptkritiker Generalmajor Ron Tal zu feuern. Und Peretz wurde im Juni 2007 von Ehud Barak abgelöst, sowohl als Verteidigungsminister wie auch als Führer der „Avoda“, der israelischen Arbeitspartei.

Olmert wird also trotz mehrerer anhängiger Korruptions-Untersuchungen im Amt bleiben. Aber hätte die Kommission überhaupt anders als „politisch“ urteilen können? Hätte sie Olmert zum Rück-tritt gezwungen, hätte dies den Zerfall der Koalition und vorgezogene Neuwahlen ausgelöst und – den Umfragen entsprechend – Likud-Chef Benjamin Netanyahu an die Macht gebracht. Und daß das nicht geschieht, daran haben zwei Leute ein besonderes Interesse: Ehud Barak, der dann mit seiner „Avoda“ in einer undankbaren Oppositionsrolle darben müßte, und George Bush, dessen Annapolis-Versprechungen sich bereits jetzt als hohle Phrasen erweisen würden – Netanyahu ist bekanntlich gegen jede Konzession an die Palästinenser.

Die Armeeführung quittierte den Winograd-Bericht mit der gewundenen Feststellung, daß man ihn „als wichtiges Dokument“ betrachte und verpflichtet sei, „seinen Inhalt auszuwerten“ und entsprechend zu handeln. Zugleich wird aber auf die zahlreichen Orden und Auszeichnungen verwiesen, welche den beteiligten Soldaten und Offizieren verliehen worden seien. Naja. Heftig kritisiert wird der Bericht hingegen von Amnesty International und von der libanesischen Regierung – weil er die Leiden der libanesischen Zivilbevölkerung und die sinnlosen Zerstörungen ziviler Infrastruktur nicht behandelt. Aber das war der Kommission ja auch nicht aufgetragen.

Der Winograd-Bericht hat noch einen weiteren, außerhalb Israels kaum beachteten Aspekt, nämlich die Kluft zwischen orientalischen und europäischen Juden: Peretz wurde in Marokko geboren, und die Eltern von Chalutz kamen aus dem Iran. Die Eltern von Olmert hingegen kamen wie die von Peretz-Nachfolger Barak und von Winogradow durchwegs aus Osteuropa, zählen also zum zionistischen „Kibbutz-Adel“.

 

Hisbollah: stärker als je zuvor

Der libanesische Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah brauchte keinen „Winograd“-Bericht abzuwarten: Er erklärte die Miliz der „Partei Gottes“ gleich nach dem israelischen Rückzug zum Sieger. Gemessen an der Zahl der Toten hat er zwar unrecht. Doch die meisten Opfer waren libanesische Zivilisten (etwa 1200), und den eigenen Verlusten – 250 Mann laut Hisbollah, 530 laut libanesischer Regierung – kann er die Zahl von immerhin 120 gefallenen Israelis gegenüberstellen.

Den eigentlichen Sieg errang Hisbollah aber an der zivilen Front, denn dank iranischer Gelder und der eigenen straffen Disziplin konnten prompt hohe Dollar-Beträge an die geschädigten Familien ausbezahlt und der Wiederaufbau eingeleitet werden.

Ein augenfälliger Kontrast zur Ineffizienz der Regierung und der „internationalen Geberkonferenz“, deren Gelder irgendwo zu versickern scheinen. Die lange Zeit von Sunniten, Christen und Drusen benachteiligten Schiiten fordern daher auch eine Regierungsbeteiligung, die ihrer Rolle als heute größter Volksgruppe entspricht.

Die Hisbollah-Milizen verfügen laut israelischen Schätzungen derzeit wieder über 10000 Kurzstreckenraketen, etwa der Stand vor 2006.

Dazu kommen einige iranische Fateh-110-Raketen, die – von nördlich der entmilitarisierten Zone abgeschossen – Tel Aviv erreichen könnten.        RGK


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