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09.02.08 / »Ich bin doch noch viel zu jung« oder Wenn man plötzlich Großmutter wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

»Ich bin doch noch viel zu jung«
oder Wenn man plötzlich Großmutter wird
von Helga Licher

Die Omas und Opas von heute sind schon lange nicht mehr das, was sie einst waren. Früher saß eine Oma mit 70 Jahren in einem Lehnstuhl am Kamin und las ihren Enkelkindern Grimms Märchen vor. Heute fährt die selbstbewußte Oma zweimal in der Woche mit ihrer Harley Davidson ins Fitneßstudio oder begleitet ihren halbwüchsigen Enkel in die Disko. Die moderne Oma hat ihre frischgestärkte Rüschenschürze längst abgelegt und gegen einen flotten Hosenanzug ausgetauscht.

Ich bin auch so eine moderne Oma. Ich besuche Pop-Konzerte und schicke meiner Enkelin Kurznachrichten auf ihr Handy. Einmal in der Woche gehe ich zur Kosmetikerin und surfe am Abend im Internet.

Mein Mann und ich lieben unser Enkelkind über alles, aber wir genießen es auch, die Abende für uns zu haben.

„Um Oma zu werden, bin ich noch viel zu jung“, hatte ich damals verzweifelt zu meinem Mann gesagt, als unsere Tochter uns vor vier Jahren erzählte, daß sie Mama werden würde. Ich brauchte Tage, um mich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Oma zu sein, bedeutete für mich, alt zu werden, und damit wollte ich mich einfach noch nicht abfinden.

„Oma zu sein, hat auch Vorteile“, sagte mein Gatte und grinste, „du bekommst im Bus immer einen Sitzplatz ...“ Ich sah ihn verständnislos an, er nahm mich wieder einmal nicht ernst.

„Ich sehe nur eine große Veränderung auf uns zu kommen. Auch du wirst dein Leben enorm umstellen müssen. So ein kleines Würmchen braucht Zuwendung, und zwar Tag und Nacht, auch von den Großeltern.“

Mein Mann war, wie immer, nicht aus der Ruhe zu bringen. „Das schaffen wir schon ...“, sagte er und kaufte für sein Enkelkind ein Schaukelpferd.

Ich dachte an meine Großmutter. Für uns Kinder war es jedes Mal ein Fest, wenn wir sie besuchen durften. Bei meiner Oma roch es nach Erbseneintopf und Schmierseife, unser Frühstücksbrot gab es auf einem Holzbrettchen, und die Milch wurde in einer Milchkanne vom Bauern geholt.

Wir schliefen in ungeheizten Schlafzimmern, und im Winter bildeten sich an den Fensterscheiben kleine Eisblumen. Ich habe meine Großeltern sehr geliebt.

Heute ist unser Enkelkind vier Jahre alt und der Sonnenschein der ganzen Familie.

Stundenlang erzählt mein Mann Geschichten, die er vor vielen Jahren schon seiner Tochter erzählte. Er spielt im Garten Verstecken und bastelt einen Drachen.

Und ich ... ich laufe stundenlang durch die Kinderabteilungen der Kaufhäuser, um einen niedlichen Pullover mit Tierapplikationen zu ergattern. Unermüdlich male ich Häschen und Enten und singe zum 100. Mal das Lied vom kleinen Krokodil.

Und ich lache selbst dann noch, wenn der kleine Hosenmatz zum vierten Mal meinen Nähkasten ausgeleert hat.

Ja, wir sind moderne Großeltern. Statt am Kamin zu sitzen, gehen wir auf den Abenteuerspielplatz und sehen uns im Kino

einen Trickfilm an. Wir werden mit unserem Enkelkind Skateboard fahren und Fußball spielen.

Es ist erst einige Tage her, da machte mir unsere Kleine das schönste Kompliment, das man einer Oma machen kann.

Sie sagte: „Oma, wann wirst du denn alt?“


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