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09.02.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

ein Anruf: Unser Leser und Landsmann Horst Potz aus Hannover wies auf ein Thema hin, das wir oft schon angeschnitten haben, aber er setzte gänzlich neue Akzente. Aus eigener Erfahrung, denn der in Popelken geborene Ostpreuße spricht in Schulen über das Thema „Flucht und Vertreibung“ – der Begriff „Vortrag“ wäre fehl am Platze, denn er spricht frei aus eigenem Erleben und Erfahrung: Als 15jähriger flüchtete er mit Mutter und Geschwistern, für die er sich als einziger Mann in dem Treck verantwortlich fühlte, aus seinem Heimatdorf bis nach Niedersachsen. Sein Bericht als Zeitzeuge findet bei seinen jungen Zuhörern großes Interesse – nicht zuletzt durch den Film „Die Flucht“ geweckt – und eine auch weiterhin spürbare Resonanz, wie eine Braunschweiger Schulklasse ihm berichtete: Im abschließenden Klassengespräch, das mit dem jeweiligen Geschichtslehrer geführt wurde, ergab sich überraschenderweise, daß längst verblaßte Gespräche in den Familien wieder aufgefrischt wurden und die Enkel nun aus erster Hand Näheres zu Flucht und Vertreibung erfuhren. Allerdings nicht immer, wie der 19jährige Sven berichtet: „Meine Oma ist auch in dieser Zeit geflüchtet. Sie spricht nicht viel darüber, und ich lasse sie auch in Ruhe!“ Und ein 17jähriger ergänzt: „Mein Opa kam aus der Nähe von Königsberg und ist auch geflüchtet. Er schweigt darüber. So war Ihr Vortrag für mich stellvertretend für seine Erlebnisse.“ Soviel über dieses Thema hier und heute – es wird an anderer Stelle eingehend behandelt werden, das verdienen diese erfolgreichen Aktivitäten des heute 76jährigen Horst Potz, zu denen auch der von ihm gegründete „Freundeskreis Popelken“ gehört, der eine tatkräftige humanitäre Hilfe für seinen Heimatort ermöglicht. Für mich aber bot das kurze Gespräch die Bestätigung meiner vor allem in unserer „Ostpreußischen Familie“ getätigten Erfahrung, daß die Enkelgeneration, wenn ihr die Chance gegeben wird, „Geschichte aus erster Hand zu erfahren“, sie diese bereitwillig aufnimmt, wißbegierig wird und mit dem wachsenden Interesse an der eigenen Familiengeschichte eine Aufarbeitung versucht.

Auch die Älteren fühlen sich verstärkt angesprochen und versuchen, dieses wohl gravierendste Kapitel ihrer langen Lebensgeschichte endlich zu verarbeiten – ich habe noch nie so viele Fluchtberichte bekommen wie in der letzten Zeit. Oft in Buchformat, geheftet, gebündelt, auch in losen Blättern, mit der Hand beschrieben, manche in deutscher Schrift und kaum lesbar, man spürt die Erregung der Schreibenden. Auch ein langes Gedicht ist darunter, unsere – nun schon über 50 Jahre treue – Leserin Hildegard Mikoteit aus Bad Essen hat es mir mit ihrer eigenen Fluchtgeschichte zugesandt, ihr Schwiegervater Franz Mikoteit hat es zwei Jahre nach der Flucht verfaßt. Damals glaubte man noch an eine baldige Heimkehr, denn der Flüchtling bedankt sich bei allen, die ihm und den Seinen helfen mit den Zeilen „Wir danken euch für die kleinsten Gaben, bis wir in heimischer Erde graben …“ Leider ist dieses Gedicht viel zu lang für einen Abdruck, liebe Frau Mikoteit, aber ich will es mitnehmen zum „Flucht“-Symposium im Ostheim in Bad Pyrmont und einige Zeilen daraus vorlesen, weil es einen dokumentarischen Wert hat.

Spaß hat Herrn Herbert Skroblin aus Wächtersbach wohl – wie anderen Leserinnen und Lesern auch – das „Kopskiekeln“ gemacht. Er weist dann noch auf einen andren Ausdruck hin: „Kobolz“, wir sagten „Kobolzke schießen“, im Weichelgebiet sprach man auch vom „Heisterkopf schießen“ oder „schlagen“, wobei wir wieder bei „Koppheister“ wären. Interessiert hat Herrn Skroblin der Ausdruck „Maslack“ für die aus Knochen gefertigte Waffe, und er weist auf einige Funde in Ostpreußen hin. Neu ist mir nun wieder, daß die Prussen eine ähnliche Waffe gehabt haben. Beim Eisenbahnbau hatte man zwischen Insterburg und Darkehmen ein Grandlager aufgeräumt und war dabei auf Funde aus der vorchristlichen Zeit gestoßen. Neben den etwa 2000 Urnen deuteten aber auch Pferdeskelette auf einen späteren Reiterkampf. Zwischen ihnen lag ein knöcherner, spitzer Gegenstand, der sich als Waffe erwies, mit der bei den Kämpfen in der Ordenszeit den Pferden die Bäuche aufgeschlitzt wurden. Angeblich soll Herzog Swantepolk von Pommerellen den Prussen zu dem Gebrauch dieser Waffe geraten haben. Ja, so gibt es immer ein kleines Kapitel Heimatgeschichte in unserer Familien-Kolumne als „margrietsch“ – sprich „Zugabe“!

Eure Ruth Geede


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