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09.02.08 / Nun sind die Engländer dran / Neues Buch von Volker Koop über die britische Besatzungspolitik in Deutschland nach dem letzten Weltkrieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

Nun sind die Engländer dran
Neues Buch von Volker Koop über die britische Besatzungspolitik in Deutschland nach dem letzten Weltkrieg
von Hans-Joachim von Leesen

Mit seinem neuen Buch über die Besatzungspolitik Großbritanniens von 1945 bis 1955 schließt der Journalist Volker Koop seine Reihe mit dem Obertitel „Besetzt“ über die Geschichte der Besatzungszeit der Westmächte ab, nachdem er sich in den vergangenen Jahren mit der französischen und der US-amerikanischen Zone beschäftigt hatte. Wer sich über die Jahreszahl 1955 wundert, gibt es doch schon seit 1949 bereits eine Bundesrepublik Deutschland, der möge sich daran erinnern, daß diese Bundesrepublik noch nicht souverän war. Das Besatzungsstatut, mit dem sich die Besatzer Sonderbefugnisse bezüglich Außenpolitik, Aufsicht über die Ruhr, der von den Deutschen zu zahlenden Reparationen sowie der naturwissenschaftlichen Forschung vorbehalten hatten, endete erst 1955.

Mit seinem neuen Buch schließt Koop eine Lücke, gab es doch bislang noch keinen sich an den allgemein Interessierten wendenden Überblick über dieses wichtige Kapitel der deutschen Geschichte.

Auch die britische Besatzungspolitik macht deutlich, daß die Sieger des Zweiten Weltkrieges kein Konzept hatten, was sie mit dem besiegten Deutschland anfangen wollten. Es ging ihnen allein darum, Deutschland zu zerschlagen. Die Briten begründeten das mit der Behauptung, die „Junkerkaste“ sei der Hort des „Militarismus“ und Preußen der Herd aller Kriege gewesen, und was der unsinnigen Behauptungen mehr waren.

Angenehm berührt, daß Koop in keinem seiner Bücher behauptet, die Siegermächte hätten Deutschland „befreit“. Er schreibt sachlich richtig von deutschen „Niederlagen“ und vom stark ausgeprägten Rachebedürfnis der Siegermächte. So war denn auch zunächst die britische Besatzungspolitik von Haß bestimmt. In einer persönlichen Botschaft des britischen Oberbefehlshabers Montgomery wurde den Deutschen verkündet, sie seien ein schuldiges Volk, das jetzt umerzogen werde. Es war den Besatzungssoldaten ebenso verboten, einem Deutschen die Hand zu geben wie mit ihnen zu sprechen.

Juristisch vertrat Großbritannien die Ansicht, durch die Kapitulation der deutschen Wehrmacht sei keineswegs das Deutsche Reich untergegangen. Es existiere vielmehr fort. Zur Zeit sei die Regierungsgewalt lediglich auf die Besatzungsmächte übergegangen.

Sogleich ging man daran, im Sinne der Umerziehung zunächst aus den Behörden, Schulen und sonstigen öffentlichen Einrichtungen, später auch aus der Wirtschaft alle Personen zu entfernen, die nach Ansicht der Besatzungsmacht politisch belastet waren. Sie wurden ersetzt durch Personen, deren Qualifikation darin bestand, daß sie wirklich oder angeblich Gegner des Nationalsozialismus gewesen waren. Das führte dazu, daß – wie auch in der US-Zone – bald größte Schwierigkeiten auftraten, woraufhin die strikte Entnazifizierungspolitik gelockert werden mußte.

Die Zeitungen waren zunächst ausschließlich in den Händen der Besatzungsmacht, und auch als 1947 die Militärregierung deutschen Antifaschisten Lizenzen für Zeitungen erteilte, durften zunächst nur Meldungen veröffentlicht werden, die den Besatzern paßten. Volker Koop meint, daß Axel Springer dabei Hauptgewinner war, weil er „Die Welt“ als Organ der Militärregierung verlegen durfte. In den Kinos wurden lediglich britische Filme, zum Teil mit deutschen Untertiteln, gezeigt sowie speziell für die Besiegten hergestellte Wochenschauen. Kirchen, Parteien, darunter zunächst auch die Kommunisten, und Gewerkschaften erhielten den Auftrag, die Deutschen im Sinne der Besatzungsmacht umzuerziehen.

Die Deutschen mußten Fragebögen mit 133 Fragen ausfüllen, darunter auch jene, was der Betreffende 1932 gewählt habe. Danach wurden sie in fünf Kategorien eingeteilt von „entlastet“ bis „hauptschuldig“ und gegebenenfalls vor dubiose Entnazifizierungsgerichte gestellt. Die Briten hatten genauso wie die Amerikaner, Franzosen und Sowjets Internierungslager eingerichtet, in die etwa 60000 Personen eingeliefert wurden, welche die Besatzungsmächte automatisch arretierten und teils jahrelang festhielten, meist ohne Anklage und ohne Urteil.

Die Städte in der britischen Zone waren meist zerstört. Und in diese Zone waren Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen geströmt, die ebenso wenig eine Unterkunft hatten wie die Ausgebombten. Sie vegetierten in Not- und Massenunterkünften. Nachdem die Besatzungsmacht auch die noch intakten Strukturen lahmgelegt hatte, brachen bald bedrohliche Zustände aus. 1946 fehlten 600000 Tonnen Brotgetreide. Es gab keine Kartoffeln geschweige denn Fleisch. Die tägliche Fettration belief sich auf sieben Gramm. Nach den ausgegebenen Lebensmittelkarten betrug die Tagesration theoretisch 1000 bis 1200 Kalorien. Die Lage verschlimmerte sich gegen Jahresende. In einigen deutschen Zeitungen wurden die Rationen mit denen in den ehemaligen KZ verglichen, woraufhin die Briten die Zeitungen verboten. Im November appellierte der nord­rhein-westfälische Landtag an die Welt, wenn keine Hilfe käme, würde „ein Millionenvolk zugrunde gehen“. Dem einzelnen standen nur noch 900 Kalorien täglich zur Verfügung, und das bedeutete den Hungertod. Bergarbeiter, Beamte und Werftarbeiter streikten. Es gab keinen Brennstoff – die im Ruhrgebiet geförderte Kohle wurde größtenteils als Reparation ins Ausland gebracht. Die deutschen Wälder wurden systematisch abgeholzt, weil das Holz gebraucht wurde für den britischen Bergbau. Tuberkulose begann zu grassieren. Wer sich nicht über Gesetze hinwegsetzte und auf eigene Faust versorgte, etwa auf dem schwarzen Markt, durch das Hamstern bei Bauern, den Tausch von Wertsachen gegen Kartoffeln, Milch oder gar Fett, sowie wohl auch durch Klauen von Brennstoffen und so weiter, dessen Leben war in höchster Gefahr.

Die Sieger hatten nichts Wichtigeres zu tun, als auf englische Initiative im Februar 1947 Preußen als „Träger des Militarismus und der Reaktion“ aufzulösen. 700000 deutsche Patente wurden von britischen Spezialeinheiten gestohlen und an britische Firmen weitergegeben. In Schlössern und Herrenhäusern stahl die Besatzungsmacht Kunstwerke und Schmuck, wobei man auch keine Rücksicht darauf nahm, daß manche Besitzer mit dem britischen Königshaus verwandt waren.

Inzwischen begriffen auch die Sieger, daß die unheilige Allianz zwischen Bolschewismus und Kapitalismus keinen Bestand haben konnte. Es waren die Amerikaner, die ihren beiden westlichen Verbündeten klarmachten, daß man ohne die Deutschen gegen die Sowjetmacht kaum bestehen könne. Amerikaner und Engländer bildeten aus ihren beiden Zonen die Bi-Zone, um die deutsche Wirtschaftskraft zu fördern. Trotzdem bombardierten die Engländer weiter Helgoland, von dem sie behaupteten, die Insel sei „eine Bedrohung Großbritanniens“. Dann wollten sie Helgoland mit einer Riesensprengung total vernichten, was mißlang. Erst als im Dezember 1950 deutsche Studenten die Insel besetzten, um gegen den Wahnsinn zu protestieren, hörte die Bombardierung auf. 1952 wurde Helgoland an Deutschland zurück gegeben.

Alles in allem ein hoch interessantes Buch! Man erkennt, wie wenig weise die Politiker auch Großbritanniens waren.

Volker Koop: „Besetzt – Britische Besatzungspolitik in Deutschland“, be.bra verlag, Berlin 2007, 328 S. 24.90 Euro


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