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09.02.08 / Wo liegt das größte Dorf Preußens? / Das Ruhrgebiet hat nicht nur Industrie, sondern auch viel Kultur und Natur zu bieten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-08 vom 09. Februar 2008

Wo liegt das größte Dorf Preußens?
Das Ruhrgebiet hat nicht nur Industrie, sondern auch viel Kultur und Natur zu bieten
von Dörte Langwald

Ruhrgebiet – da denkt man doch zuerst an Kohlestaub, Fördertürme, Schornstein-qualm und rustikalen Pottjargon. Wer die Region nicht kennt, weiß meist nicht: Das Ruhrgebiet ist grüner, als man denkt! Mag das Revier mit seinen fünf Millionen Einwohnern auch Deutschlands größtes Ballungszentrum sein – die Naherholungsmöglichkeiten sind hier enorm. Immerhin war das Gebiet einst eine Heide- und Bruchlandschaft, bevor es vor 150 Jahren vom „schwarzen Gold“ vereinnahmt wurde. Der Bergbau hat sich inzwischen jedoch längst wieder zurückgezogen; wo einst die vielen Pütts das Panorama prägten, bezaubern heute weit-läufige Wiesen und Wälder. Zudem bietet wohl keine andere Region in Deutschland eine derart dichte Kulturlandschaft. Nicht umsonst wurde das Ruhrgebiet zur Kulturhauptstadt Europas 2010 ernannt!

Man nennt es die „grüne Lunge des Reviers“: das ausgedehnte Waldgebiet Die Haard am nörd-lichen Rand des Ruhrgebiets. Das etwas 5500 Hektar große Natur-areal bietet Wanderwege, die durch Kiefernwälder, knorrige Eichenhaine und luftige Birken-schonungen führen. Bis vor wenigen Jahrzehnten wurden die Kiefern als Grubenholz für die nahe liegenden Zechen verwen-det. Hier und da kann man die alten Fördertürme in der Ferne noch erspähen – wie mächtige Stahlwächter ragen sie in den Himmel! Typisch für Die Haard: Auf den Kuppen ihrer sanften Hügelchen findet man vielerorts verfestigte Sandsteinbänke. Hier wurde früher Quarzit abgebaut, das man als Baumaterial für die benachbarten Wasserburgen benutzte. Ein besonders attrak-tives Beispiel für derartige Prachtbauten: das nahe gelegene Wasserschloß Lembeck. Rund ums Jahr lockt die barocke Anlage mit ihrer einzigartigen Architek-tur und ihrem eindrucksvoll bepflanzten Schloßpark zahlrei-che Besucher an.

Die traditionelle Arbeit eines Köhlers wird alljährlich ab dem 1. Mai in der Haard wiederbelebt. Während der mächtige Holz-kohlenmeiler drei Wochen lang brennt, können Besucher mit dem Köhler plauschen oder aber ein vielfältiges Unterhaltungspro-gramm im Schatten des glühenden Meilers genießen. Wer noch einen weiteren seltenen Beruf kennenlernen möchte, der sollte den Forsthof Haard aufsuchen, eine Auffang-station für Greifvögel und Eulen, die sich mitten im Wald befindet. Hier bietet ein Falkner Führungen an, bei denen man nicht nur die außergewöhn-lichen Patienten der Vogel-station hautnah bewundern kann, sondern auch viel Wissenswertes über die gefiederten Tiere erfährt.

Bottrop, von den Einheimi-schen liebevoll das „größte Dorf Preußens“ genannt, hat trotz Montageindustrie sein grünes Flair erhalten. Direkt vor den Toren der Stadt beginnt ein einzigartiges Naturschutzgebiet, das man so wohl kaum im Ruhrgebiet vermuten würde: die Kirchheller Heide, eine wild-romantische Moor- und Heidelandschaft! Spechtbach, Rotbach und Schwarzbach fließen durch ihre Wälder und Auen, und seltene Tiere wie Uferschwalbe und Moorfrosch haben hier eine Heimat. Auf dem Terrain gibt es einiges zu entdecken: die Teufelssteine aus Tertiärquarzit zum Beispiel, die gegen Ende der Braunkohlenzeit entstanden sind. Eine uralte Buche, die als Naturdenkmal geschützt ist. Oder aber die 126 Meter hohe Halde Haniel, ein Relikt des Steinkohlebergbaus. Einzigartig: Auf der einen Seite ihres Gipfelplateaus ist ein modernes Amphitheater inte-griert, das 800 Besuchern Platz bietet! Nicht weniger spektakulär ist auch der monumentale Aussichtsturm Tetraeder. Die pyramiden-förmige Stahlkonstruktion thront in 60 Metern Höhe auf der Halde neben der Bottroper Zeche Prosper. Insgesamt 387 Stufen führen zu mehreren Aussichtsplattformen, von denen man atemberaubende Blicke auf die gesamte Emscher-Region genießen kann.

Essen ist eine Stadt mit zwei Gesichtern. Während ihr nörd-liches Antlitz noch heute vom Bergbau gezeichnet ist, sonnt sich das Südgesicht an den grünen Ufern der Ruhr. Dort, wo das Reviergewässer schiffbar ist, fließt es in den Baldeneysee, einen malerischen Stausee. Hier lassen Spaziergänger, Sonnenanbeter oder Wassersportler am Wochen-ende ihre Seele baumeln. Ein absoluter Blickfang oberhalb des Sees: die herrschaftliche Villa Hügel, einst Wohnsitz der Industriellenfamilie Krupp und heute Schauplatz hochkarätiger Kunstausstellungen. Die Residenz liegt idyllisch umgeben von drei Wäldern, die ineinander übergehen: dem Kruppwald, Stadtwald und dem Schnellen-berger Wald. Für Wanderer ein wahrhaft fürstliches Forstangebot also, bei dem plätschernde Bäche, verwunschene Täler und mit-unter sogar stattliche Stech-palmen (!) mitten im dichten Forst für visuelle Abwechslung sorgen.

Noch vor der offiziellen Grün-dung Essens, zirka im Jahre 800, wurde im südlichen Stadtteil Werden ein Kloster errichtet – die Basilika St. Ludgerus. Die Gebei-ne des hl. Liudger ruhen hier in einer Krypta, zudem gibt es wertvolle Sakralgegenstände in der klösterlichen Schatzkammer zu besichtigen.

Besonders interessant für Kulturinteressierte dürfte jedoch der prominente „Untermieter“ der historischen Abtei sein: Im barocken Hauptgebäude ist die weltberühmte Folkwang Hoch-schule für Musik, Theater und Tanz untergebracht. Zu ihren Absolventen gehören unter anderem Pina Bausch, Jürgen Prochnow oder Thekla Carola Wied.

Idyllischer könnte ein Ort zum Studieren der schönen Künste kaum sein: Denn nicht nur die Basilika selbst ist wunderschön; auch die anliegende Werdener Altstadt bietet allerlei Sehenswertes. Etwa das alte Gebäude, welches 1830 die Poststelle der Thurn und Taxisschen Fahrpost beherbergte. Eine alte Korn-mühle von 1855, oder aber die vielen lieblichen Fachwerk-häuser in der Rittergasse.

Die Stadt Witten im Südosten des Ruhrgebiets gilt als die Wiege des Steinkohlebergbaus – bereits im Jahre 1578 fanden hier erste Bergbauaktivitäten statt!

Den Besucher erwartet aber keineswegs eine graue Pott-Metropole: Zwei Drittel des Stadtgebietes bestehen heute aus Grün- und Wasserflächen! Eine der wohl schönsten Wanderungen im Ruhrgebiet überhaupt führt auf die Spuren des Wittener Bergbaus: die Tour durch das Muttental, bei der man in herrlichster Natur an allerlei Sehenswürdigkeiten entlang flaniert. Da gibt es zum Beispiel das historische Bethaus der Bergleute zu bewundern, oder die alte Zeche Nachtigall, in der heute einmal jährlich eine Opern-Aufführung stattfindet – ein echtes Erlebnis!

Wie sang Herbert Grönemeyer einst so schön in seiner Hymne ans Revier: „Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt, ist es besser, viel besser als man glaubt.“ Mag im Ruhrgebiet der viel zitierte „Pulsschlag aus Stahl” auch hier und da noch zu hören sein – wer den Pott erkundet, der kann wahrlich sein grünes Wunder erleben. In diesem Sinne: Glückauf!

Foto: Romantisches Ruhrgebiet: Hat mehr als nur Zechen zu bieten


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