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16.02.08 / Furcht und Faszination / 200 Jahre Auf und Ab: Berliner Ausstellung beleuchtet das zwiespältige Russenbild der Deutschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-08 vom 16. Februar 2008

Furcht und Faszination
200 Jahre Auf und Ab: Berliner Ausstellung beleuchtet das zwiespältige Russenbild der Deutschen
von Markus Schleusener

Vor zwei Jahren zierte den „Stern“ das Bild einer dicken alten Frau am Strand. Die Überschrift „Die Russen kommen“ sollte auf den neuen Wohlstand und die Reiselust unser östlichen Nachbarn hinweisen, die uns in bestimmten Urlaubsregionen immer öfter über den Weg laufen. Im Text jammerte das Hamburger Hochglanzmagazin dazu: „Hartz IV und Rentenloch waren schon schlimm genug. Jetzt nehmen uns auch noch die Russen unsere Liegestühle weg.“

Längst ist es nicht nur eine Handvoll superreiche Oligarchen, die Baden-Baden mit ihren goldenen Kreditkarten leerkauft. Auch der normale deutsche Mittelmeerurlauber begegnet in Griechenland oder der Türkei immer mehr russischen Touristen.

Da werden schnell alte Klischees wachgeküßt, die von Glasnost, Perestroika und Michael Gorbatschows großer Beliebtheit nur vorläufig verdrängt worden sind. „Die Russen kommen“ ist als Weckruf wieder öfter zu hören und schürt neue (und zugleich alte) Ängste, die „die Japaner kommen“ oder „die Franzosen kommen“ nie und nimmer erzeugen können.

In Berlin ist jetzt eine Ausstellung zu sehen, die sich mit solchen Klischees auseinandersetzt. „Unsere Russen, unsere Deutschen“ versucht die Hintergründe zu beleuchten, die zu solchen Stereotypen geführt haben. Gezeigt werden die „Bilder vom anderen“, darunter viele Karikaturen, die ganz besonders nationale Befindlichkeiten ausdrücken.

Es gibt viele gute Seiten Rußlands. Jeder kann sich den Russen als großzügigen und trinkfesten Gastgeber vorstellen. Und so manch ein deutscher Dichter (allen voran Thomas Mann) schwärmte von der „russischen Seele“. Tolstois und Dostojewskis Romane fanden in Deutschland rasenden Absatz. Und auch heute kommt fast jedes neue Buch des russischstämmigen Wahlberliners Wladimir Kaminer auf die Bestsellerlisten.

Zum Rußlandbild gehören aber auch politische Urteile, die oft vorschnell gesprochen werden – und meistens sehr negativ ausfallen. Der Koordinator der Ausstellung Peter Jahn sagt: „Die deutsche Öffentlichkeit macht es sich zu einfach und greift zu häufig auf alte Muster zurück.“

Er meint das Bild vom autoritären Kreml-Regime, das das Land nach Nazi- oder Kommunistenmanier gleichgeschaltet habe. Das Ende der Pressefreiheit zum Beispiel. Schon mehrfach, auch jetzt vor der Präsidentenwahl wieder, erheben Deutsche den Zeigefinger und berichten über Einschnitte in dieses Grundrecht. Dabei betreffe das nur das Fernsehen. Im Verlagswesen und im Internet werde weiterhin kritisch berichtet, relativiert Jahn. Wir hätten uns einfach angewöhnt, ein negatives Bild von Rußland zu pflegen.

Das gleiche gilt für die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit. Dieses Recht wird auch in Deutschland immer wieder eingeschränkt, aber nur im Falle Rußlands wird dies gleich als Beleg für den Rückfall in ein totalitäres Zeitalter gewertet.

Und dann natürlich der Krieg. Die Ereignisse von 1939/45 haben das deutsch-russische Verhältnis auf Jahrzehnte vergiftet. Aber was mit der millionenfachen Vertreibung endete, war nicht der erste Krieg, der das Verhältnis beider Nationen geprägt hat.

Schon 1813 erschien in  Leipzig eine Broschüre unter dem Titel: „Über die russischen Soldaten und wie man es anzufangen hat, daß man gut mit ihnen auskommt.“ Damals – im Jahr der Völkerschlacht – wurden die Russen, von denen sich viele in  Leipzig aufhielten, ein Stückweit als Befreier wahrgenommen. Diesmal wirklich.

Vorher mußten viele Deutsche mit Napoleon als dessen Verbündete nach Rußland in den Krieg ziehen. Der Feldzug erstarb im russischen Frost. General Winter avancierte damit zu einer festen Angstgröße im strategischen Denken deutscher Militärs.

Wie wir sehen, sind nicht alle  Vorurteile falsch. So meint auch Peter Jahn: „In diesen Bildern findet sich auch ein Stück Realität. Deren Vereinfachung ist für unsere Orientierung unerläßlich.“

Die Ausstellung, die auch die russische Sichtweise der Dinge zeigt, wird begleitet von einem Rahmenprogramm. So hält am 21. Februar um 18 Uhr Wolfgang Eichwede einen Vortrag über „Deutsche Rußlandbilder nach 1945“. Die Ausstellung ist noch bis zum 2. März im Schloß Charlottenburg zu sehen.


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