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16.02.08 / Ideologiefreie Wissenschaft / Geschichte der Reichsmarine während der Weimarer Zeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-08 vom 16. Februar 2008

Ideologiefreie Wissenschaft
Geschichte der Reichsmarine während der Weimarer Zeit

Es ist offenkundig, daß eine erkleckliche Anzahl jener vor allem beamteten Zeitgeschichtler, denen die Spalten der überregionalen Zeitungen und die Sendezeiten von Radio- und Fernsehstationen offen stehen, sich seit den 70er Jahren vor allem bemühen, die deutsche Geschichte seit dem Ersten Weltkrieg in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen. Viele mündige Bürger setzen daher ihre Hoffnungen auf eine junge Generation von Historikern, die sich von dem Mief und der Gesinnungsunterdrückung der 68er frei machen.

Das vorliegende Buch mit dem für deutsche wissenschaftliche Publikationen wohl unvermeidlich trockenen Titel „Die Reichsmarine zwischen Küstenverteidigung und Weltmachtstreben – Die Probleme der deutschen Seestrategie im Ostseeraum 1918 bis 1933“, das ein junger Kapitänleutnant d. R. als Magisterarbeit an der Hamburger Universität vorgelegt hat, ist ein solcher Lichtblick. Zwar behandelt Stefan Kiekel nur einen kleinen Zeitausschnitt, doch ist unverkennbar, daß er die Marinegeschichte der Weimarer Republik strikt nach dem Rankeschen Grundsatz erforscht hat, herauszufinden, wie es eigentlich gewesen ist. Volkspädagogische Intentionen sind nicht spürbar, und das tut wohl.

Der Versailler Friedensvertrag zwang das Deutsche Reich zur fast völligen Abrüstung – im Gegensatz zu den Siegermächten.

Auf dem Gebiet der Marine wurde Deutschland verboten, eine moderne Streitmacht zu unterhalten. Nicht mehr als sechs bereits im Ersten Weltkrieg veraltet gewesene Linienschiffe, einige ebenso veraltete Kleine Kreuzer sowie wenige Torpedoboote waren genehmigt. Weder Schlachtschiffe noch U-Boote und Marineflieger waren erlaubt. Moderne Kriegsschifftypen neu zu bauen, war verboten. So verfügte das Reich nur über eine zweitklassige Küstenmarine mit nicht mehr als 15000 Mann.

Der Autor untersucht, welche Ziele diese Marine hatte und wie sich die Soldaten auf ihre Aufgabe vorbereiteten.

Die größte aktuelle Bedrohung der Weimarer Republik bildete das wieder erstandene Polen. Unverhohlen verfolgte es eine militärisch fundierte Machtpolitik. Es scheute sich nicht, sich mit nahezu sämtlichen Nachbarn militärisch anzulegen, ob es sich um die UdSSR handelte oder um Litauen, die Tschechoslowakei oder das Deutsche Reich – hier sei an die von Polen inszenierten Aufstände in Oberschlesien erinnert. Kiekel sagt es klipp und klar: Polen verfolgte seit seiner Neugründung das Ziel, sich Danzig, die noch nicht in polnische Hand gefallenen Teile Schlesiens sowie Ostpreußen anzueignen. Mit diesem Ziel baute es eine Kriegsmarine auf und verbündete sich mit Frankreich.

An allererster Stelle – und das belegt der Autor anhand der Quellenlage einleuchtend – stand bei der deutschen Marine die Aufgabe, die Versorgungswege zur See zwischen dem Reich und Ostpreußen, das durch den Versailler Vertrag vom Reich abgeschnitten war, auch für Krisenfälle zu sichern.

Weiter mußte die deutsche Marine gerüstet sein, die Seeherrschaft in der Ostsee zu behalten, da Deutschland auf Einfuhren aus Skandinavien angewiesen war. Und zum dritten hatte sie die Aufgabe, die Zugänge aus der Nordsee in die Ostsee im Krisenfall zu sperren, um die französische Flotte daran zu hindern, in die Ostsee vorzustoßen.

Daß das angesichts der völlig unzureichenden Ausrüstung ganz ungewöhnlicher Anstrengungen bedurfte, leuchtet ein.

Der Autor wendet sich gegen jene Historiker, die selbst die bescheidenen Anstrengungen der deutschen Marine umdeuteten in Revanchismus und Militarismus. Als herausragendes Beispiel für einen solchen eher als Agitator zu bezeichnenden Buchautor sei Gerhard Schreiber genannt, der früher zur „Roten Zelle“ des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes gehörte und die Hetzausstellung Jan Philipp Reemtsmas gegen die Wehrmacht unterstützte.

In zahlreichen Schriften beschuldigte er die deutsche Marine, alles getan zu haben, um sich auf einen neuen Krieg vorzubereiten, in dem Deutschland seine Weltmachtstellung zurückgewinnen sollte.

Stefan Kiekel hat mit seiner Schrift ein Beispiel für eine moderne ideologiefreie Wissenschaft gegeben. Möge er für andere Themen der Zeitgeschichte viele Nachahmer finden.   H.-J. von Leesen

Stefan Kiekel: „Die Reichsmarine zwischen Küstenverteidigung und Weltmachtstreben – Die Probleme der deutschen Seestrategie im Ostseeraum 1918 bis 1933“, Bernard & Graefe Verlag, Bonn 2007, gebunden, 104 Seiten, 24 Euro


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