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16.02.08 / Kampf gegen Rheuma / Neue Wirkstoffe und bessere Diagnosemethoden helfen, die Erkrankung zu kontrollieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-08 vom 16. Februar 2008

Kampf gegen Rheuma
Neue Wirkstoffe und bessere Diagnosemethoden helfen, die Erkrankung zu kontrollieren
von Larissa Kessner

Das Problem beginnt schon beim Namen: Unter den Begriff Rheuma fallen über 100 Erkrankungen mit unterschiedlichen Ursachen, zum Beispiel die verschleißbedingte Arthrose oder entzündungsbedingte Gelenkkrankheiten. Die häufigste Form der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist die rheumatoide Arthritis. Sie trifft etwa einen von 100 Bundesbürgern. Was die Krankheit auslöst, ist meist unklar – im Gegensatz zu den Vorgängen im Gelenk, die Mediziner mittlerweile sehr genau kennen. Bislang ist die rheumatoide Arthritis nicht heilbar. Sie kann jedoch mit Hilfe von Medikamenten, physikalischen Maßnahmen, Krankengymnastik und Ergotherapie behandelt werden, womit ihr Fortschreiten verlangsamt wird. Große Hoffnung setzen Ärzte und Patienten in neue, biotechnologisch erzeugte Wirkstoffe.

Die sogenannten Biologika gelten als Rennwagen unter den Rheumamedikamenten – nicht zuletzt deshalb, weil sie deutlich teurer sind als die konventionellen Medikamente. Sie greifen in die Kommunikation zwischen Immunzellen ein, indem sie zum Beispiel die Wirkung entzündungsfördernder Botenstoffe blockieren.

Das ist deswegen hilfreich, weil bei rheumatoider Arthritis das Immunsystem fälschlicherweise die Gelenkinnenhaut angreift. Diese schwillt an und zerstört allmählich die Kapsel und später auch die Sehnen, welche die Gelenke führen. Das schmerzt und schränkt die Bewegungsfähigkeit ein.

Mittlerweile übernehmen Krankenkassen zwar die Kosten für Biologika, aber erst dann, wenn die konventionellen, sogenannten Basismedikamente auch in Kombination keine ausreichende Wirkung zeigen. Da die neuen Wirkstoffe erst seit wenigen Jahren auf dem Markt sind, untersucht das Deutsche Rheuma-Forschungszentrum in Berlin derzeit mögliche unerwünschte Langzeitwirkungen. „Bis jetzt haben wir keine Hinweise auf bisher unbekannte Risiken gefunden“, sagt Studienleiterin Angela Zink. Bekannt ist, daß Patienten, die Biologika einnehmen, etwas anfälliger für Infektionen sind als die Rheumatiker, die konventionelle Basismedikamente einnehmen.

In Studien mit Patienten, bei denen Basismedikamente gescheitert sind, erreichten Biologika bei etwa jedem fünften Teilnehmer einen mehrmonatigen Stillstand der Gelenkentzündung. Aber auch die Kombination von konventionellen Medikamenten kann zu einem Stillstand, der sogenannten Remission, führen – und zwar um so besser, je früher man eingreift. „Wenn die rheumatoide Arthritis innerhalb der ersten sechs Monate behandelt wird, kommt es in vielen Fällen auch ohne Biologika zur Remission“, sagt Zink.

Doch genau hier gibt es ein grundsätzliches Problem: Vom ersten Anzeichen der Krankheit bis zur richtigen Diagnose vergehen im Schnitt etwa 13 Monate. Dann hat die entzündete Gelenkhaut meist bereits erste Schäden angerichtet.

Dabei hat sich nicht nur die Behandlung, sondern auch die Diagnostik der rheumatoiden Arthritis in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Das liegt nicht nur an besseren bildgebenden Verfahren, wie zum Beispiel dem Ultraschall oder der Magnet-resonanztomographie. Auch eine neue Blutuntersuchung erleichtert die Unterscheidung zwischen verschiedenen Gelenkentzündungen.

Seit Mitte 2007 bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen bei Verdacht auf rheumatoide Arthritis die Bestimmung der sogenannten Citrullin-Antikörper im Blut. Das sind Eiweiße, die der Körper zur Abwehr gegen am Entzündungsort gebildete Proteine mit einer charakteristischen Veränderung bildet.

Die Reaktion der Antikörper mit solchen Proteinen verstärke vermutlich die Entzündung im Gelenk, sagt Ekkehard Genth, Leiter der Rheumaklinik Aachen. Citrullin-Antikörper finden sich besonders häufig bei Menschen mit rheumatoider Arthritis – und das meist schon Jahre vor dem ersten Auftreten der Symptome. Studien zeigen, daß Menschen mit diesen Antikörpern im Vergleich zu anderen ein fast 40fach erhöhtes Risiko für rheumatoide Arthritis haben.

Wäre das nicht Grund genug, sein Blut auch schon vorsorglich auf diese Eiweiße untersuchen zu lassen – insbesondere, wenn Verwandte bereits an Rheuma erkrankt sind? „Das kann ich nicht empfehlen“, sagt Genth.

Wer Rheuma rechtzeitig erkennen will, sollte auf seine Beobachtungsgabe vertrauen. Typisch für die rheumatoide Arthritis sind Gelenkschmerzen, die zusammen mit einem oder mehreren der folgenden Symptome auftreten: wiederkehrende Schwellungen in mindestens zwei Gelenken, zum Beispiel in den Fingern, steife Gelenke am Morgen oder kaum Kraft in den Händen.

Wer solche Symptome bei sich beobachtet, sollte seinen Hausarzt aufsuchen. Diesem wiederum empfiehlt Genth, den Patienten bei entzündlichen Gelenkschwellungen direkt an einen Rheumatologen zu überweisen.

Allerdings gibt es in Deutschland zu wenige Rheumaexperten – Betroffene müssen oft monatelang auf einen Termin warten. Deshalb bieten Rheumazentren in Deutschland mittlerweile die sogenannten Frühdiagnose-Sprechstunden an. Dort erhalten Patienten, bei denen der Hausarzt einen Verdacht auf rheumatoide Arthritis hat, innerhalb von 14 Tagen einen Termin beim Rheumatologen.

Foto: Rheuma: Wenn jeder Schritt zur Qual wird


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