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23.02.08 / Auf der Suche nach Versorgungsposten / Vor der politischen Klasse plagten die Herrscherhäuser ähnliche Probleme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-08 vom 23. Februar 2008

Auf der Suche nach Versorgungsposten
Vor der politischen Klasse plagten die Herrscherhäuser ähnliche Probleme
von Manuel Ruoff

Die politische Klasse in Deutschland steht vor einer grundsätzlichen Herausforderung. Sie hat mehr Angehörige, als es politische Entscheidungspositionen im Lande gibt. Der Ausweg sind Versorgungsposten. Diese finden sich beispielsweise im Bundestag und den 16 Landesparlamenten, in der Institution des parlamentarischen Staatssekretärs, in der Europäischen Union und in Staats- beziehungsweise staatsnahen Betrieben. Nun ist die Parteiendemokratie ein relativ junges Phänomen. Schließlich entwickelten sich erst infolge der bürgerlichen Revolution von 1789 Parteien, und seine Blüte erreichte der Parteien- und Verbändestaat in unserem Lande erst nach den Weltkriegen.

Es wäre allerdings falsch, anzunehmen, daß es vor dem bürgerlichen Zeitalter keinen Bedarf an Posten gegeben hätte. Der Hochadel wollte versorgt sein. Insbesondere stellte sich die Frage, wie in dem gar nicht so seltenen Fall zu verfahren sei, daß ein Fürst mehr Nachkommen zeugt, als er Fürstentümer zum Vererben hat.

Eine Möglichkeit war – analog zum bürgerlichen Zivilrecht – die Teilung zwischen den (männlichen) Kindern. Die Realteilung beförderte jedoch die Kleinstaaterei und führte zum Entstehen von kaum lebensfähigen Territorien.

Die Primogenitur, in der Regel der Anfall des Erbes bei nur einem Familienmitglied, nämlich dem ältesten Sohn, hatte diesen Nachteil nicht. Je mehr die Territorien als Staat begriffen und mit der entsprechenden Erwartungshaltung konfrontiert wurden, desto erstrebenswerter wurde das Ziel einer gewissen Mindestgröße. Ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Durchsetzung der Primogenitur im Reich war die Goldene Bulle von 1356. Sie bestimmte dieses Erb-recht zumindest für die Kurfürstentümer, also die mächtigsten und größten Territorien, deren Landesherrn den Kaiser wählten. Eine der ältesten Bestimmungen, welche die Primogenitur auch unterhalb der Ebene der Kurfürsten vorschrieb, war das Primogeniturstatut von 1375 der Herrschaft und späteren Grafschaft Hanau. In Mecklenburg, wohin Bismarck gehen wollte, wenn er wüßte, daß morgen die Welt untergeht, weil dort alles 100 Jahre später passiert, wurde die Primogenitur erst durch den Hamburger Vergleich 1701 verbindlich eingeführt.

Ein Problem bei der Primogenitur sind die jüngeren Brüder beziehungsweise deren Versorgung. Eine Lösung stellten anfänglich kirchliche Pfründe dar. Reformation und Säkularisation setzten dem jedoch ein Ende. Hier führte es zu einer Erleichterung der Situation, wenn ein Herrscher beziehungsweise ein Herrscherpaar über nicht nur ein Fürstentum gebot und die Zahl der Söhne sich in Grenzen hielt.

Bezüglich des Erbes von Maria Theresia und ihres Ehemannes Franz I. Stephan war beispielsweise vorgesehen, daß der erste Sohn das Erbe der Mutter und der zweite das Erbe des Vaters antritt. Als dann erst der zweite (1761) und dann auch noch der erste Sohn (1790) kinderlos starb, erbte der dritte schließlich beides, erst die Toskana und dann auch Österreich. Nachdem er das Erbe seines ältesten Bruders 1790 angetreten hatte, verzichtete er auf das 1765 angetretene Erbe seines Vaters. Noch zu Lebzeiten machte er seinen zweiten Sohn Ferdinand zum Großherzog der Toskana. Das Ergebnis war eine Sekundogenitur.


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