27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
23.02.08 / Von Heuchelei geprägt / Nicht nur das Kosovo wächst der EU über den Kopf, auch der West-Balkan gibt Rätsel auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-08 vom 23. Februar 2008

Von Heuchelei geprägt
Nicht nur das Kosovo wächst der EU über den Kopf, auch der West-Balkan gibt Rätsel auf
von Wolf Oschlies

Die EU-Mitgliedschaft ist unser strategisches Hauptziel“, heißt es von Zagreb über Sarajevo bis Skopje. „Die europäische Perspektive für den West-Balkan bleibt offen“, versichert Brüssel. Diese verbale Einmütigkeit wird immer nachhaltiger von drei Fragen übertönt: Glauben beide Seiten ihren Aussagen? Glauben sie einander die jeweiligen Zusagen? Können sich beide ihren Aus- und Zusagen konform verhalten?

Drei Fragen, dreimal Nein als Antwort. Mehr noch: Auf Seiten der EU waltet schiere Heuchelei, seit sie ihre „Aufnahmekapazität“ unlängst als zusätzliches Beitrittskriterium fixierte. Damit wurde die jahrelange Debatte, ob Erweiterung oder Vertiefung vorrangig seien, grobschlächtig entschieden: Durch die Erweiterungen vom Mai 2004 (zehn neue Mitglieder) und vom Januar 2007 (zwei) hat sich die unreformierte EU bis zur Selbstlähmung überdehnt und muß hilflos zusehen, wie die 27 Mitgliedsstaaten eigene Interessen und eigene Konflikte verfolgen. Die potentiellen Beitrittskandidaten fanden sich damit ab, keine Vollmitglieder zu werden; sie nehmen Brüsseler Hilfsgelder und kümmern sich zumeist kaum um EU-Auflagen.

„Ritterschlag“ der EU sind die „Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen“ (SAA), die bisher Mazedonien (April 2001), Kroatien (Oktober 2001), Albanien (Juni 2006) und Montenegro (Oktober 2007) bekamen. Bis zur Erhebung in den „Status“ eines Beitrittskandidaten dauerte es noch länger, bei Mazedonien zum Beispiel vier Jahre, und für den Beginn offizieller Beitrittsverhandlungen wurden zumeist überhaupt keine Termine gesetzt. Davor liegen „Durchführungsstudien“, danach die Ratifizierung durch alle 27 EU-Staaten – Zeit und Möglichkeiten genug, eigene Aversionen als EU-Votum zu tarnen. Für Ende 2007 hatte der EU-Gipfel Serbien ein SAA fest zugesagt, das in letzter Minute durch niederländischen Einspruch verhindert wurde. Seit Jahren beabsichtigt Brüssel, demokratische Prozesse auf dem West-Balkan zu fördern, aber seine konkrete Politik fördert dort Nationalismus, Reformfeindschaft, Aggressivität. 

Das Grundproblem der EU ist, daß sie kein Konzept für den West-Balkan hat – wenigstens keins, das dessen in Jahrhunderten von Fremdherrschaften und Jahrzehnten kommunistischer Regime angehäuften Problemen entspräche –, daß sie ihre finanziellen Möglichkeiten überschätzt und die Menschen vor Ort unterschätzt.

Weil die EU ihre Forderungen immer öfter mit vagen Versprechungen und massiven Drohungen garniert, weckt sie nur ur-balbanischen „inat“ (Trotz) und läßt eigenes Prestige gegen Null tendieren.

Was bezweckt die EU, wenn sie  „seit 30 Monaten Mazedonien wie in einem schlechten Film, der immer wieder von vorn beginnt, auftreten läßt“, rügte im Februar 2008 Radmila Sekerinska, Vorsitzende des mazedonischen „Nationalrats für europäische Integration“. Mazedonien ist lange Jahre von der EU als „Oase des Friedens“ gelobt worden, weil nur es sich aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg der 1990er Jahre heraushielt, bekam 2001 das erste SAA der Region, durfte sich im März 2004 offiziell bei der EU „anmelden“ und wird seither von dieser kaum noch bemerkt. So sagte es Staatspräsident Branko Crvenkovski in einem PAZ-Interview. Das multiethnische, friedliche Mazedonien hat seine Hausaufgaben erledigt, die EU verschanzt sich hinter ihrer „Aufnahmekapazität“, stellt aber immer neue Forderungen und setzt knappe Fristen. Bis März 2008 soll Mazedonien einmal mehr seine EU-Reife „beweisen“, ohne zu wissen, was damit eigentlich gemeint ist.

Viel besser haben es die „bösen Buben“ wie Montenegro. Es bekam seinen SAA, obwohl die EU wußte und sagte, daß das Land korrupt, unreformiert und in den Händen des international organisierten Verbrechens ist.

Ein hoffnungsloser Fall ist Bosnien, in dessen „Entitäten“ – bosnisch-kroatische Föderation und Republika Srpska – die politische Obstruktion aller gegen alle wütet und wo nicht einmal härteste Brüsseler Drohungen einen Sinneswandel zu staatlicher Gemeinsamkeit, Polizeireform etc. bewirkten. Für die EU verloren ist auch Kroatien, wo der Nationalist Ivo Sanader nur in einer Koalition mit Bauernpartei und Sozialliberalen regieren kann. Deren Vorsitzende, Josip Friscic und Djudja Adlesic, waren zur Kooperation nur unter der Bedingung bereit, daß Sanader die kroatischen Adriagewässer ausweitete und für EU-Schiffe sperrte. Der tat das, und ganz Kroatien wundert sich seit Jahresbeginn, warum die EU und ihr derzeitiger Präsident Slowenien so „böse“ auf Kroatien sind, das doch nur sein „Recht“ wahrnimmt.

Das Hauptinstrument der EU bleibt die Gießkanne: Sie verstreut wahllos Geld und hehre Proklamationen, ohne sich um Verbleib und Wirkung zu kümmern. Ihre Gunst wie ihr Mißfallen treffen stets die Falschen – wer sich an EU-Weisungen und -Forderungen hält, sieht sich am Ende als der Dumme, während die triumphieren, die Brüssel als dummen, reichen Onkel ansehen und behandeln.

Foto: Unter steter Überwachung: Nicht nur das Kosovo ist ein Sorgenkind der EU.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren