19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
23.02.08 / Spuren in der Welt hinterlassen / Der Reisende von einst und der moderne Tourist haben nicht mehr viel gemein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-08 vom 23. Februar 2008

Spuren in der Welt hinterlassen
Der Reisende von einst und der moderne Tourist haben nicht mehr viel gemein
von Silke Osman

Über Jahrhunderte war es das Land der Sehnsucht für die Deutschen. Italien, das war der Inbegriff südlichen Lebens. Nicht nur Maler und Schriftsteller zog es dorthin, später waren es auch Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller, die der Sonne und der Kultur wegen die Alpen überquerten. Ob Rom oder Rimini – Italien war „in“, solange, bis Spanien mit seinen Sonnenstränden ihm Anfang der 1980er Jahre den Rang ablief. Dieser Trend hat sich nun offenbar gewandelt. Eine Umfrage der BAT Stiftung für Zukunftsfragen unter 4000 Bundesbürgern ab 14 Jahren ergab, daß es zehn Prozent aller deutschen Auslandsurlauber im vergangenen Jahr nach Italien zog. Spanien wählten nur 9,2 Prozent. Den Vogel schoß allerdings der Urlaub in Deutschland ab: 34 Prozent machten Ferien im eigenen Land.

Johann Wolfgang von Goethe, der mit seiner „Italienischen Reise“ die Sehnsucht nach dem „Land, wo die Zitronen blüh’n“ einst bei vielen erst weckte, war von 1786 bis 1788 in Italien und arbeitete dort an der „Iphigenie auf Tauris“, dem „Egmont“, dem „Faust“ und dem „Tasso“. Sein Freund Johann Gottfried Herder reiste zwei Monate nach Goethes Rückkehr nach „Arkadien“, war allerdings wenig begeistert. Im Dezember 1788 schrieb er an den Freund: „Mit Dir wars in Allem anders, weil Du ein artifex bist, und mich freuets, daß Du Deinem Beruf treu bleibst und dort Dein Werk fortsetzest. Wenn ich aus Italien komme, will ich mir von Dir erzählen lassen, was Du gesehen hast und ich hätte sehend sehen sollen und meinen Mund dazu nicht auftun ... Ich fürchte, ich fürchte, Du taugst nicht mehr für Deutschland; ich aber bin nach Rom gereist, um ein echter Deutscher zu werden ...“

Besonders lange hielt es den im ostpreußischen Neidenburg geborenen Historiker Ferdinand Gregorovius in Italien. Eine Gedenktafel, aus Anlaß seines 100. Todestages 1991 enthüllt, erinnert heute an dem Haus Via Gregoriana Nr. 13 in Rom, in das er am 11. Oktober 1860 eingezogen war, an ihn. Am 2. April 1852 hatte er Deutschland verlassen, um seinen Freund Ludwig Bornträger in Italien zu treffen. Bornträger jedoch war bereits gestorben, als Gregorovius im Süden eintraf. Über Trient, Florenz und Livorno gelangte der Deutsche schließlich auf die Insel Korsika. Später notierte er in seinem Tagebuch: „Korsika entriß mich meinen Bekümmernissen, es reinigte und stärkte mein Gemüt; es befreite mich durch die erste Arbeit, deren Stoff ich der großen Natur und dem Leben selbst abgewonnen hatte; es hat mir dann den festen Boden unter die Füße gestellt ...“

Als Ferdinand Gregorovius dann am 2. Oktober 1852 („4 1/2 nachmittags“) Rom erreichte, wo er im Hotel Cesari am Corso abstieg, führte ihn sein erster Weg auf das Kapitol und auf das Forum: „Noch spät ins Kolosseum, darüber der Mond stand. Worte habe ich nicht zu sagen, was da alles auf mich einstürmte ...“

Nahezu auf den Tag genau zwei Jahre später traf der Ostpreuße einen folgenschweren Entschluß: „Ich beabsichtige, die Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter zu schreiben ... Ich faßte den Gedanken dazu, ergriffen vom Anblick der Stadt, wie sich dieselbe von der Inselbrücke S. Bartolomeo darstellt. Ich muß etwas Großes unternehmen, was meinem Leben Inhalt gäbe ...“

Zwei Jahrzehnte später war diese Arbeit abgeschlossen. Vom Vatikan allerdings wurde sie nicht begeistert aufgenommen, sondern auf den Index gesetzt – „ein Pfeil, weniger gegen mich als gegen Preußen“, wie Gregorovius erkannte. Wie kaum ein anderer seiner Zeit haben der Autor und sein Werk die Gemüter bewegt. Historiker oder Dichter? Oder gar beides gemeinsam? Über diese Fragen wurden sich die Experten nicht einig. Zweifellos aber hat der Ostpreuße mit seinem Werk das Italienbild der Deutschen ebenso nachhaltig beeinflußt wie Goethe. Den Erfolg des Deutschen in Italien sieht der Historiker Alberto Forni, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Camera dei Deputati Rom, unter anderem darin begründet, daß er nicht nur wichtige, sehenswerte Monumente beschrieben hat, „sondern auch die Aufmerksamkeit auf die Landschaft gelenkt und in einer Zusammenschau Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbunden“ habe.

Über diese Dinge verschwendet  der Tourist von heute nun keinen Gedanken. „All inclusive“ ist das Zauberwort. Rund um die Uhr versorgt sein – vor allem mit Getränken und bedingt exklusiven Gaumengenüssen –, das möchte der  moderne Tourist („Und mein Papi hat keinen Pfennig dazubezahlt“, all inclusive eben). Was wirklich „all inclusive“ ist, das zeigen Arbeiten von 30 internationalen Künstlern derzeit in der Schirn Kunsthalle Frankfurt, die sich mit den Spuren beschäftigen, die der Tourismus in aller Welt hinterläßt. Der Massentourismus hat schließlich nicht nur Menschen, sondern auch ganze Landstriche verändert – nicht immer zum Guten.

Die Ausstellung „All-Inclusive. Die Welt des Tourismus“ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt, Römerberg, 60311 Frankfurt, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr, mittwochs und donnerstags bis 22 Uhr geöffnet, Eintritt 8 / 6 Euro, bis 4. Mai.

Foto: Die Welt im Koffer: Tourismus ist zu einem Phänomen der mobilen Gesellschaft geworden. Der Chinese Yin Xuizhen hat mit seinen Objekten der Serie „Portable City“ (Tragbare Stadt) seinen Eindruck künstlerisch zusammengefaßt.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren