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23.02.08 / Erste Schritte zum Alkoholiker / »Kliniken sind keine Erziehungsanstalten« – Die Eltern sind zur Wachsamkeit aufgerufen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-08 vom 23. Februar 2008

Erste Schritte zum Alkoholiker
»Kliniken sind keine Erziehungsanstalten« – Die Eltern sind zur Wachsamkeit aufgerufen
von Rosemarie Kappler

Zirka 750000 Menschen in der Bundesrepublik trinken jedes Jahr das erste Mal Alkohol. Für jeden zehnten kann dies der Beginn einer zweifelhaften Alkoholikerkarriere sein. Das Einstiegsalter für regelmäßigen Alkoholkonsum ist seit 1970 von 15 auf 13 Jahre zurückgegangen. Somit zählen heute schon Kinder zu den Konsumenten. Hinweise mehren sich, daß ein Grund das stetig wachsende Angebot an süß schmeckenden alkoholischen Getränken (Alkopops) ist, die sogar ausdrücklich für diese Altersgruppe angepriesen werden.

Die besondere Gefahr dabei: Kindern fällt es noch schwerer als Erwachsenen, die Risiken des Alkoholkonsums zu erkennen. Der kindliche Organismus ist extrem anfällig für Schädigungen durch Alkohol. Je eher ein Kind beginnt, alkoholische Getränke zu konsumieren, desto höher ist die Gefahr, daß es später einmal alkoholkrank wird. Es sind bereits jetzt etwa 100000 Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 25 Jahren abhängig, schätzt man bei der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren in Hamm. Die Tendenz scheint steigend, wie eine Untersuchung von Ludwig Gortner an der Universitäts-Kinderklinik Homburg nahelegt.

An 22 großen deutschen Kinderkliniken sammelte sein Team Daten  von Alkoholvergiftungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von zehn bis 17 Jahren, die stationär aufgenommen werden mußten. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, daß exzessiver Alkoholkonsum weiterhin ein Problem bei Kindern und Jugendlichen darstellt. Unsere Ergebnisse zeigen zudem, daß zunehmend auch Mädchen zu problematischem Trinkverhalten neigen“, so Gortner. Aktuell ist die Hälfte derjenigen Jugendlichen, die zwischen einem und vier Tagen wegen einer Alkoholvergiftung stationär behandelt werden müssen, weiblich, schlägt der Kinderarzt Alarm. Diesem Alkoholproblem sind bei weiblichen Teenagern zwei weitere übergelagert: ungewollte Schwangerschaften aufgrund von Mißbrauch unter Alkoholeinfluß und zum zweiten die Schädigung der Frucht durch chronischen Alkoholkonsum, der insgesamt bei Mädchen stark zugenommen hat. „Alkohol ist nach Kokain das stärkste fruchtschädigende Gift überhaupt und Hauptgrund für geistig zurückgebliebene Kinder“, warnt Gortner.

Das kindliche Nervensystem reagiert empfindlicher als das eines Erwachsenen – bereits ab 0,5 Promille Alkohol im Blut kann ein Kind bewußtlos werden. Alkohol wirkt sich bei Kindern weniger schädlich auf die Leber als auf das Gehirn aus, das gerade während der Pubertät und unter hormonellem Einfluß eine unglaubliche Vernetzungsaktivität entfalten muß. Ein Prozeß, der durch Alkohol empfindlich gestört wird. Die Untersuchung von Gortner zeigt auch, daß die 15- bis 17jährigen mit fast 70 Prozent den Löwenanteil an den rund 900 zwischen 2000 und 2002 erfaßten Fällen stellen. Daß auch 20 Kinder im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren in der Untersuchung auftauchten, stimmt besonders nachdenklich. Dabei beginnt alles oft so harmlos: Omas Geburtstag – es darf zur Feier des Tages ein

Schlückchen Sekt genippt werden, der erste Schritt in die Erwachsenenwelt. Die Erwachsenen machen es den Kindern vor: Alkohol gehört zum Erwachsensein! Meistens darf zur Konfirmation das erste Mal „richtig“ getrunken werden – die Jugendlichen sind dann gerade mal 14 Jahre alt. „Um das kritische Trinkverhalten von Kindern und Jugendlichen in Zukunft positiv zu beeinflussen, sind gesellschaftliche Anstrengungen auf den verschiedensten Ebenen erforderlich“, mahnt Gortner zur Wachsamkeit und ergänzt: „Kliniken und Intensivstationen sind keine Erziehungsanstalten.“

 

Diese Gefahren drohen Kindern und Jugendlichen

Je geringer das Gewicht des Kindes ist, umso mehr bewirkt die aufgenommene Alkoholmenge einen höheren Blutalkoholgehalt im Körper – bereits kleine Mengen Alkohol können tödlich sein! 

Beim Schulkind liegt die Gefahrenzone bei etwa drei Gramm Alkohol je Kilogramm Körpergewicht, während beim Erwachsenen erst doppelt soviel zum Tode führt.

Beim kleineren Kind fehlt das sonst so typische rauschhafte Anfangsstadium – das Kind kann schlagartig vom wachen Zustand in tiefe Betäubung fallen!

Alkohol beeinträchtigt die seelisch-geistige und körperliche Entwicklung der Kinder.

(Quelle: Selbsthilfegruppe A-connect e.V. in Meinerzhagen, www.a-connect.de)


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