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23.02.08 / Direkt betroffen / Wie der Staat überwacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-08 vom 23. Februar 2008

Direkt betroffen
Wie der Staat überwacht

„Mit dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung haben wir die Grenze vom Präventions- zum Überwachungsstaat überschritten“, meinte kürzlich der FDP-Politiker Burkhard Hirsch und ist damit nicht allein. Die meisten Bürger jedoch kümmert das Gesetz nicht weiter, da sie redliche Menschen sind, stört sie es nicht, wenn da irgendwas – was genau wissen sie noch nicht mal – aufgezeichnet wird.

Wolfgang Sofsky, lange Jahre Professor für Soziologie in Göttingen, zeigt in „Verteidigung des Privaten“ aber auf, daß es uns durchaus kümmern sollte. So schildert er den Fall eines Familienvaters, der seinen Sohn in den Kindergarten bringt und dabei gleich mehrfach registriert wird: Er telefoniert mit dem Handy, zahlt an der Tankstelle sein Benzin mit Kreditkarte, wird auf dem Weg vom Kindergarten zur Arbeit geblitzt, fährt in ein Parkhaus und sticht sich bei der Zeituhr bei der Arbeit ein. Jeder dieser alltäglichen Vorgänge ermöglicht es, fast minutengenau den Weg dieses Familienvaters aufzuzeigen.

Gleich danach schildert der Autor die Geschichte der privaten Freiheit. Wann hat der Staat wie Kontrolle über seine Bürger gehabt? Wann legten die Menschen auch selber besonders viel Wert auf ihren privaten Freiraum, und wie sehen die kulturellen Unterschiede aus? Während die Asiaten beispielsweise untereinander auf Distanz gehen, küssen sich die Franzosen und Italiener zur Begrüßung ab. Vor allem in den eigenen vier Wänden würden Menschen aber die Möglichkeit zur Privatheit nutzen.

„Der Staat ist eine Einrichtung zur Beherrschung der Bürger. Mit dem Umfang der Registraturen und der Zahl der Staatsdiener nimmt die Freiheit der Bürger ab.“ Ziemlich schnell wird deutlich, daß Wolfgang Sofsky kein Freund eines starken Staates ist. Er ist überzeugt, daß die Menschen selbst besser wissen, „was für sie das Gute ist“. Vorsorge und Fürsorge seien nur fadenscheinige Versprechen. „Der Staat ist weder ein Hort der Sittlichkeit noch eine moralische Anstalt.“

Für den Autor ist es wichtig, daß der Mensch frei über seine Belange bestimmen kann. Dazu gehört auch sein Eigentum. „Das Privateigentum genießt keinen guten Ruf. Obwohl jeder danach strebt, gilt es als anstößig … Geld verderbe den Charakter, sagt der Volksmund, und viel Geld ruiniere ihn vollends … Von alledem ist wenig wahr. Kein Mensch ist, was er hat. Laster und Tugenden entsprechen weder der Höhe des Bankkontos noch der Ausdehnung des Landbesitzes … Zwar gibt es ohne Besitz keinen Geiz und keinen Neid, aber auch keine Gaben und keine Freizügigkeit. Wer nichts hat, kann auch nichts teilen.“ Eine der vor allem für politisch links Orientierte schwer zu verkraftenden Aussagen Sofskys: „Gleichheit oder Gemeineigentum sichern keine friedliche Grundversorgung.“

Die Lektüre von „Verteidigung des Privaten“ ist keineswegs leichte Kost, doch der Autor kann seine Thesen durchaus anhand von Beispielen lebendig machen und so das theoretische Thema in den normalen Alltag heben, so daß dem Leser schnell bewußt wird, daß er von der Fragestellung direkt betroffen ist. Rebecca Bellano

Wolfgang Sofsky: „Verteidigung des Privaten“, C. H. Beck, München 2007, geb., 158 Seiten, 14,90 Euro


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