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01.03.08 / Leben mit 4,25 Euro am Tag / Berlins Finanzsenator Sarrazin macht sich mit seinen Speise-Plänen für Hartz-IVer Feinde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-08 vom 01. März 2008

Leben mit 4,25 Euro am Tag
Berlins Finanzsenator Sarrazin macht sich mit seinen Speise-Plänen für Hartz-IVer Feinde
von Markus Schleusener

Und wieder hat er es getan. Thilo Sarrazin hat sich mit starken Worten aus dem Fenster gehängt und damit einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen – vor allem auch bei den eigenen Leuten.

Ganz zum Schluß hat Sarrazin am vergangenen Wochenende dann auch noch Berlins Schulen herabgewürdigt. Die bringen nichts, findet der Berliner Finanzsenator. Schüler in Bayern ohne Abschluß können mehr als „unsere in Berlin mit Abschluß“.

Dies war der vorläufige Höhepunkt einer Serie von gezielten Provokationen des SPD-Mannes. Der erste Streich des Regierungsmitglieds war vor drei Wochen ein Speiseplan für Hartz-IV-Empfänger. Laut dem Menüplan à la Sarrazin ißt ein Arbeitsloser morgens zwei Brötchen (Marmelade, Käse) und einen Apfel. Dazu trinkt er Saft und Tee, später Kaffee. Mittags gibt es Spaghetti Bolognese. Abends dann Leberkäse und Kartoffelsalat. Das ganze kostet weniger als vier Euro am Tag.

Sarrazin hat seine Beamten beispielhaft ausrechnen lassen, daß ein Erwachsener auch mit dem Hartz-IV-Regelsatz für Essen von 4,25 Euro pro Tag gut leben könne. „Man kann sich vom Transfereinkommen vollständig, gesund und wertstoffreich ernähren“, lautete das Fazit des Senators.

Die Reaktionen von Politikern reichten von Bestürzung bis hin zu Protest. Die Grünen zum Beispiel setzten Sarrazin zu seinem 63. Geburtstag ein solches Menü vor. Und CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla kritisierte, Sarrazin provoziere die „Schwächsten der Schwachen“. Das sei unanständig. Friedbert Pflüger wiederum sprach von zynischen Äußerungen. Von armen Menschen habe Sarrazin keine Ahnung, so Pflüger.

Solche gastronomischen Gedankenspiele Sarrazins haben natürlich einen politischen Kern. Der Finanzsenator hat ein Szenario entwerfen lassen, wie sich steigende Ausgaben auf den Haushalt auswirken würden. Konkret befürchtet er höhere Sozialausgaben und deutliche Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst – zur Zeit laufen Warnstreiks. Dies alles bedroht den Konsolidierungskurs der Stadt, die sich gerade mit Ach und Krach aus der Schuldenfalle befreit hat.

Berlin liegt auch nur deshalb im Plan, weil das restliche Land massiv mit Geld aushilft. Aus dem Länderfinanzausgleich erhält die deutsche Hauptstadt 2,89 Milliarden Euro. Das ist mehr als das, was Brandenburg (669 Millionen Euro), Sachsen-Anhalt (623), Mecklenburg-Vorpommern (508), Bremen (471), Rheinland-Pfalz (341), Schleswig-Holstein (136) und das Saarland (125) zusammen erhalten!

Mit dem geringfügigen Überschuß, der jetzt am Ende vom Jahreshaushalt übrigbleibt, braucht Berlin noch Jahrhunderte, um seinen Schuldenberg in Höhe von 60 Milliarden Euro abzutragen. Was aber, wenn nach der nächsten Bundestagswahl nicht mehr Sarrazins Parteigenosse Peer Steinbrück im Finanzministerium sitzt, sondern ein CDU- oder FDP-Mann? Oder wenn sich die Konjunktur abkühlt?

Also lieber keine neuen Ausgaben, keine höheren Sozialkosten, die den Landeshaushalt zusätzlich belasten, hat sich Sarrazin gesagt. Um das Argument zu untermauern, legte er gleich noch mal in einer TV-Sendung nach: „Das kleinste Problem von Hartz-IV-Empfängern ist das Untergewicht.“

Wieder hagelte es Proteste, diesmal auch aus der eigenen Partei. Die SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill schimpfte „Thilo, es reicht“. Der Partei- und Fraktionschef der SPD-Genossen Michael Müller nannte Sarrazins Äußerungen „unnötige und überflüssige Zahlenspiele“.

Für die etwa 500000 Betroffenen in Berlin dürfte es nicht leicht sein, sich von Leuten mit einem zehn- bis 20fachen Einkommen belehren lassen zu müssen, wie ihr Speiseplan auszusehen hat. Wie sich so eine Situation mit 347 Euro im Monat dennoch meistern läßt, das hat der Berliner Autor Bernd Wagner jetzt in einem Buch zusammengefaßt. Seine Methode: mit Humor.

Sein „Stadtführer für Lebenskünstler“ mit dem Titel „Berlin für Arme“ beginnt mit dem Antrag auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Er nimmt den Leser mit aufs Amt und erklärt gleich die ersten Tricks im Umgang mit der Behörde.

Dann liefert er wichtige Hinweise für das Schwarzfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln oder für das Abwimmeln des lästigen GEZ-Heinis. Außerdem rät Wagner dazu, sich in Landesvertretungen und bei speziellen Empfängen („zahlt der Steuerzahler“) durchzufuttern.

Vielleicht kann der Leser da sogar einmal Thilo Sarrazin treffen. Am Buffet zum Beispiel.

Freitag, 7. März, 17.00 Uhr: Buchpremiere von „Berlin für Arme“ von Bernd Wagner im Kaufhaus Humana am Frankfurter Tor 3, 10243 Berlin

Foto: Gut im Futter: „Das kleinste Problem von Hartz-IV-Empfängern ist das Untergewicht.“ Thilo Sarrazins Aussage stieß auf wenig Gegenliebe.


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