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01.03.08 / Und plötzlich bist du 60 / Gedanken über das Älterwerden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-08 vom 01. März 2008

Und plötzlich bist du 60
Gedanken über das Älterwerden
von Helga Licher

Es ist ein Kreuz, älter werden wollen wir alle, doch niemand will alt sein. Ich kann es inzwischen nicht mehr verheimlichen: Ich bin eine Seniorin. „Wie sich das anhört ...“, sage ich zu meinem Mann, „eine Seniorin bekommt im Restaurant einen Seniorenteller, sie fährt mit dem Seniorenpaß der Deutschen Bahn und schläft in einem verstellbaren Seniorenbett.“

Mein Gatte sieht mich aufmerksam an. Auch er kommt ja schließlich so langsam in die Jahre.

„Denken Männer überhaupt über das Alter nach?“ frage ich ihn neugierig. Einen Augenblick überlegt er, dann sagt er: „Ich fühle mich noch nicht alt, warum soll ich über das Alter nachdenken?“

Das ist wieder so eine Männerlogik, die ich nicht verstehe. Sind es wirklich nur wir Frauen, die sich im Gegensatz zum starken Geschlecht schon frühzeitig Gedanken über ihr Alter machen? Ich kann mich noch gut erinnern: Als ich 40 Jahre alt wurde, nahm ich zwei Stufen auf einmal, wenn ich eine Treppe hinaufrannte. Als ich 50 wurde, ging ich langsam Stufe für Stufe die Treppe hinauf, und heute – ja, heute wünschte ich mir manchmal einen Treppenlift, um in die oberen Stockwerke zu gelangen. Es verlangt schon sehr viel Selbstbeherrschung, nicht nach jeder zehnten Stufe eine längere Pause einzulegen. Meine Haare sind längst ergraut, die rote Farbe ist nur Tarnung.

Heilfroh bin ich, wenn ich morgens halbwegs schmerzfrei aus dem Bett gekommen bin. Im Bus bekomme ich immer einen Sitzplatz, und mein Versicherungsvertreter verkauft mir keine Lebensversicherung mehr. Das Risiko sei zu groß ...

„Was soll ich machen“, frage ich meinen Mann, „soll ich für den Rest meines Lebens 58 bleiben?“ Mein Gatte sieht mich milde lächelnd an. Er kann meine Panik so gar nicht verstehen. „Ich glaube, ich sehe für mein Alter noch recht gut aus“, sagt er,  „Ich habe kein Übergewicht, und mein Gesicht ist noch so gut wie faltenfrei.“

Von seinem Selbstbewußtsein hätte ich gerne eine Portion, denke ich.

„Und was ist mit deinen Bandscheiben und deinem hohen Blutdruck?“

Mein Mann runzelt seine faltenlose Stirn und rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

„Das hat nicht unbedingt etwas mit dem Alter eines Menschen zu tun“, sagt er leicht verstimmt.

Ich schweige erst einmal und deute dann mit dem Finger auf sein inzwischen schon sehr schütteres Haupthaar.

„Irgendwie wird deine Frisur auch sehr übersichtlich. Die Freifläche auf deinem Hinterkopf wird langsam größer ...“ Ich finde, Männer sind in diesem Punkt eindeutig im Vorteil. Es gibt viele interessante Männer, denen ein leicht ergrauter Haarkranz hervorragend steht. Bei uns Frauen ist das leider anders, oder hat Ihnen schon mal ein Mann Komplimente über ihre ergrauten Geheimratsecken gemacht? Sicher nicht ...

Als ich vor einigen Tagen in der Drogerie eine Handcreme kaufen wollte, dirigierte mich die Verkäuferin unauffällig in eine Ecke des Ladens und zeigte mir dort diskret einige Cremes und Salben, mit dem Hinweis „für die alternde Haut“ oder noch schlimmer: „gegen die völlige Austrocknung der Haut“.

Ich bitte Sie, wer will denn schon jeden Morgen vor dem Spiegel daran erinnert werden, daß die Haut kurz vor dem Austrocknen ist?

Daß wir älter werden, ist halt nicht zu ändern, aber alt sind wir deshalb noch lange nicht.

Zum 60. Geburtstag werde ich mir ein Cabrio mieten und mit meinem Mann einen Tango tanzen ... und einen Seniorenteller bestellen wir bestimmt nicht ...


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