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01.03.08 / Königsberg: eine Stadt, zwei Perspektiven / Deutsch-russisches Projekt will, daß Fremdenführer aus beiden Staaten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-08 vom 01. März 2008

Königsberg: eine Stadt, zwei Perspektiven
Deutsch-russisches Projekt will, daß Fremdenführer aus beiden Staaten voneinander lernen
von J. Tschernyschew

Seit dem Ende der Sowjetära hat das Königsberger Gebiet große Aufmerksamkeit bei Touristen gefunden. Es begann in den 1990er Jahren mit dem sogenannten Heimweh- oder Nostalgietourismus. In letzter Zeit ist die Zahl dieser Touristen aus der Erlebnisgeneration jedoch zurückgegegangen. Dafür wächst das Interesse seitens der jüngeren Generation an der Region. Den größten Anteil machen die Gäste aus Rußland aus. Die 750-Jahrfeier Königsbergs hat viele Touristen in das Gebiet gelockt, die vorher noch nie in der Exklave der Russischen Föderation gewesen waren. Seitdem entwickelt sich Königsberg zielstrebig zu einem Touristenzentrum.

Russische und deutsche Touristen betrachten die Stadt oft mit unterschiedlichem Blick. Die Deutschen interessiert in erster Linie Königsberg, seine Geschichte, die Spuren der Vergangenheit, die Geschichte Ostpreußens und seiner Blütezeit. Die Russen interessieren sich eher für die Gründung der Stadt, den Beginn der Staatlichkeit auf diesem Gebiet sowie einzelne Episoden des kulturellen Lebens. An ostpreußischer Geschichte interessieren sie vor allem die Kriegs- und Nachkriegsjahre, hier besonders die Gründung und Entwicklung der Oblast.

So kommt es, daß verschiedene Vorstellungen über die Stadt und ihre Geschichte existieren. Dieses gilt umso mehr, als deutsche wie auch russische Touristikunternehmen nur eigene Fremdenführer mit ihren speziellen Exkursionsmethoden beschäftigen.

Um hier eine Brücke zu bauen, wurde ein gemeinsames Projekt mit der Bezeichnung „Kaliningrad-Königsberg. Geschichte, mit gemeinsamen Kräften erschaffen“ ins Leben gerufen. Das Projekt wird von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ unterstützt. Es hat zum Ziel, die Darstellung der Geschichte Königsbergs in der russischen und deutschen Praxis, die nationalen Blickwinkel und Interpretationen zu untersuchen.

Teilnehmer dieses Projekts sind deutsche und russische Experten für die Geschichte, den Tourismus und die Kultur der Region sowie Fremdenführer und Exkursionsleiter. Unter ihnen sind die Direktorin des Museums „Friedländer Tor“ in Königsberg, Swetlana Sokolowa, die Chefin des Informationsbüros „Königsschloß“, Natalja Saborskaja, und das Mitglied des Heimatforschervereins Alexej Laleko. Von deutscher Seite nehmen an dem Projekt der ehemalige Direktor des Deutsch-Russischen Hauses Peter Bunsch, Corinna Jentzsch und Gertrud Ranner von „StattReisen Berlin“, die Mitarbeiterin des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg, Julita Venderbosch, sowie die Studentinnen Lea Sauer und Anna Brixa teil. Mit Hilfe ihrer Kenntnisse soll ein interkultureller Stadtrundgang erarbeitet werden. Sie werden Orte und Objekte auswählen, die von einzigartigem Wert sind, sowohl für deutsche als auch für russische Touristen. Während der gemeinsamen Arbeit sollen die russischen und die deutschen Sichtweisen eines jeden konkreten historischen oder kulturellen Objekts zusammengetragen werden.

Kürzlich erst sind die Königsberger Teilnehmer des Projekts in Berlin gewesen, um sich mit ihren deutschen Kollegen zu treffen. Während eines dreitägigen Seminars haben sie die wichtigsten historischen und architektonischen Sehenswürdigkeiten bestimmt, zu der die deutsch-russische Gruppe in der nächsten Zeit arbeiten möchte. Darüber hinaus haben die Seminarteilnehmer die historischen Perioden der Geschichte Königsbergs bestimmt, die Touristen beider Länder erfahrungsgemäß am meisten interessieren. Schon beim ersten Treffen wurde klar, daß die deutsche und die russische Herangehensweise grundsätzlich verschieden sein. Das bedeutet, daß eine Annäherung vermutlich erst bei der gemeinsamen Arbeit in Königsberg möglich sein wird, wohin die deutschen Teilnehmer in der zweiten Märzhälfte reisen werden.

Thematische Stadtrundgänge, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland sehr populär sind, gibt es in Königsberg kaum. Deshalb hatte die deutsche Seite für ihre russischen Gäste zwei Stadtrundgänge durch Berlin vorbereitet, die eine führte zum Potsdamer Platz, die andere trug den Titel „Charlottengrad – russische Emigration im Berlin der 20er Jahre“.

Die Teilnehmer hoffen, daß die Erkenntnisse, zu denen sie in ihren Seminaren gelangt sind, als Erfahrungsgrundlage für die Erarbeitung und Verbreitung einer neuen Darstellung der Geschichte Königsbergs dienen werden. Darüber hinaus ist geplant, thematische Stadtrundgänge sowie eine methodische Anleitung für Fremdenführer und Exkursionsleiter zu erarbeiten.


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