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08.03.08 / Und wer fragt nach dem Wohl der Kinder? / Nicht alle haben die gleichen Bedürfnisse, Schlagworte helfen da wenig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-08 vom 08. März 2008

Und wer fragt nach dem Wohl der Kinder?
Nicht alle haben die gleichen Bedürfnisse, Schlagworte helfen da wenig
von George Turner

Wieder einmal gibt es einen Grundsatzstreit zwischen den Parteien, aber auch unter Fachleuten. Was ist besser – wenn Kinder zu Hause erzogen werden oder wenn sie mit anderen in eine Kindertagesstätte oder ähnliche Einrichtung gehen? Wie immer kommt es darauf an, nämlich auf die Umstände des Einzelfalls. Der politische Streit aber wird grundsätzlich geführt und läuft auf ein Entweder-Oder hinaus. Sollen Einrichtungen für Kinder im Vorschulalter ausgebaut werden oder ein Betreuungsgeld für häusliche Erziehung gezahlt werden? Ist es besser, das Kindergeld zu erhöhen oder den Kindern Sachleistungen wie Essen in der Schule zu bieten?

Es gibt gute Gründe, den Eltern die Entscheidung darüber zu belassen, ob sie ihre Kinder in Krippen beziehungsweise Kindertagesstätten geben oder sie ausschließlich zu Hause erziehen. Wählen Sie die erste Möglichkeit, soll dies kostenfrei sein. Entscheiden sie sich für das letztere,  ist es konsequent, ihnen ein Betreuungsgeld zukommen zu lassen. Das aber ist nur ein Teil der Lösung. Das Pro und Contra muß auch andere Aspekte einbeziehen.

Bei der Diskussion, welches das richtige Grundmodell ist, geht es nicht nur darum, daß Eltern, meistens sind es die Mütter, weiter ihren Beruf ausüben können. Dies ist gewiss ein wichtiges Kriterium für die individuelle Entscheidung. Ein Argument für den Ausbau von Einrichtungen für Kinder im vorschulischen Alter ist aber vor allem das Erfordernis, Kindern aus sogenannten bildungsfernen Schichten, aus sozial problematischen und aus Familien mit Migrationshintergrund einen besseren Start zu eröffnen, besonders durch Förderung der Sprachkompetenz. Das Bemühen um Chancengleichheit beziehungsweise der Ausgleich von Nachteilen auf Grund familiärer Umstände rückt deshalb in der Debatte regelmäßig in den Vordergrund. Ein weiteres Ziel ist die Ausschöpfung aller Begabungsreserven im Interesse der Volkswirtschaft und damit im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Eine Rolle spielt ebenfalls, ob womöglich ein gut ausgebildetes Elternteil angesichts eines Arbeitskräftemangels in bestimmten Branchen nicht zur Verfügung steht, ein Potential insoweit also „brach“ liegt. Es ist also ein Bündel von Gründen, die es zu bedenken gilt und die mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung jeweils ins Feld geführt werden, wenn die beiden Modelle zur Wahl stehen.

Gerade bei Kindern aus einem sozial schwierigen Umfeld, aber auch bei Familien, die den Nutzen solcher Angebote nicht einsehen (wollen), ist die Gefahr gegeben, daß sie sich für die elterliche Betreuung entscheiden, damit sie die entsprechenden Beträge erhalten, ohne sie im Interesse der Kinder zu verwenden. Im krassesten Fall wird das zusätzliche Einkommen in Alkohol umgesetzt. Dann bleiben aber exakt die Kinder, denen in erster Linie die öffentliche Sorge um ihre persönliche Zukunft gilt, auf der Strecke. Auch zum Nachteil von Schulkindern besteht die Gefahr, daß das Kindergeld nicht für das Schulessen eingesetzt wird.

Entscheidet man sich allein für das Modell der kostenlosen Betreuung, bleibt offen, ob sie für die Kinder, welche die Förderung besonders nötig haben, aus Nachlässigkeit oder grundsätzlicher Ablehnung überhaupt wahrgenommen wird. Bei einem solchen Verfahren werden im übrigen die Eltern „bestraft“, welche öffentliche Einrichtungen nicht in Anspruch nehmen. Sie erhalten kein Betreuungsgeld.

Das Problem liegt wieder einmal bei einer Minderheit, die aus Uneinsichtigkeit, fehlender Kenntnis der Zusammenhänge oder Verantwortungslosigkeit gegenüber den eigenen Kindern aus dem Rahmen fällt. Das kann der Fall sein, wenn die vom Staat vorgehaltenen Möglichkeiten nicht wahrgenommen werden oder das Betreuungs- beziehungsweise Kindergeld nicht zum Wohl der Kinder verwendet wird.

Die Lösung kann nur darin liegen, daß man diese problematischen Fälle gesondert behandelt. Ist der begründete Verdacht gegeben, daß Erziehungsberechtigte Mißbrauch mit den ihnen für einen bestimmten Zweck gewährten Leistungen treiben, müssen staatliche Stellen einschreiten dürfen. Es fallen nämlich sonst exakt die Kinder „durch den Rost“, um die staatliche Instanzen zu Recht meinen, sich besonders kümmern zu müssen.

Wenn beim Vorliegen gewisser Voraussetzungen sogar das Sorgerecht entzogen werden kann, ist nicht einzusehen, warum nicht ein weniger gravierender Eingriff möglich sein soll, nämlich die Streichung der Mittel oder die Verpflichtung zum Besuch vorschulischer Bildungseinrichtungen. Elternrecht darf nicht soweit gehen, daß den Kindern dauerhafter Schaden zugefügt wird. Das ist unstreitig bezüglich der körperlichen Integrität. Warum soll das im Hinblick auf ihre sonstige Entwicklung anders sein? Die Formel, man nehme auf diese Weise den Eltern die Kinder weg, kann hier nicht zur Abwehr eingesetzt werden. Bei der Abwägung, ob solche Eingriffe vertretbar sind, muß das oft zitierte Wohl des Kindes Vorrang haben. Dies liegt in solchen Fällen darin, daß es überhaupt eine Chance bekommt, den Kreislauf von Vernachlässigung oder fehlendem Interesse der Eltern und Verbleiben der nächsten Generation in vergleichbaren Umständen zu durchbrechen.

Die Ausgangsfrage, was besser sei, Betreuungsgeld mit dem Ziel der häuslichen Erziehung oder Ausbau des öffentlichen Sektors von Kindertagesstätten, ist nicht eindeutig zu beantworten. Entscheidet man sich für das Betreuungsgeld, bedarf es bei den Eltern des Eingriffs, wo Mißbrauch damit getrieben wird. Entsprechende Maßnahmen sind aber auch angezeigt, wenn kostenlose Angebote nicht wahrgenommen werden. Um dieses Problem aber bewegen sich die politischen Akteure wie die Katze um den heißen Brei.

Die Lösung wäre: Die öffentlichen Angebote werden angemessen ausgebaut. Wer seine Kinder dorthin schicken will, kann dies tun. Wer sie lieber zu Hause behalten möchte, erhält stattdessen Betreuungsgeld. Fehlverhalten der Eltern durch Vorenthalten der den Kindern eingeräumten Möglichkeiten hat Folgen, so schwierig es im Einzelfall sein mag, mit Erfolg einzugreifen.


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