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08.03.08 / »Die Aufgaben sind erfüllt« / Ära Putin zeichnet sich durch Konsolidierung der Staatsmacht aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-08 vom 08. März 2008

»Die Aufgaben sind erfüllt«
Ära Putin zeichnet sich durch Konsolidierung der Staatsmacht aus
von M. Rosenthal-Kappi

Alle auferlegten Ziele wurden erreicht. Die Aufgaben sind erfüllt!“ Was sich anhört wie die Beschwörungsformeln eines Parteisekretärs während einer KPdSU-Sitzung, ist ein Zitat Wladimir Putins aus seiner letzten großen Pressekonferenz, die der russische Präsident turnusgemäß zu Beginn eines jeden Jahres vor Journalisten abhält.

In Putins achtjährige Amtszeit fallen  innenpolitisch einerseits reaktionäre Reformen, die zu mehr staatlicher Kontrolle weiter Wirtschafts- und Unternehmenszweige sowie Einschränkungen der Pressefreiheit geführt haben, andererseits aber auch zu einem Wiedererstarken Rußlands zu einem Staat mit steigendem Wirtschaftswachstum, einer Stärkung des Militärs sowie einem leichten Anstieg des Lebensstandards. Ungelöst blieben die Probleme der Inflation und der Verarmung ländlicher Regionen sowie die demographische Entwicklung und der Tschetschenienkonflikt.

Putins konservativ-autoritärer Politikstil hat in der russischen Bevölkerung große Zustimmung gefunden. Nur zu gerne hätte das Volk eine Verfassungsänderung hingenommen, damit Putin nur weiterhin ihr „Väterchen Zar“ bliebe. Eine Verfassungsänderung lehnte Putin jedoch strikt ab; stattdessen benannte er den weitgehend unbekannten Dmitrij Medwedjew als Nachfolgekandidaten.

Anders hatte es sich bei Putins Machtantritt auch nicht verhalten. Dessen politische Karriere hatte an der Seite des damaligen Leningrader Bürgermeisters Sobtschak begonnen. Als Putin im August 1999 zum Ministerpräsidenten ernannt wurde, war er erst kurz zuvor in die Präsidialverwaltung aufgestiegen. Jelzins Umgebung sah in dem schmächtigen und unscheinbaren Putin einen Garanten für die Fortsetzung von Jelzins Reformkurs und für den Ausbau ihrer Macht. In einer großen Medienkampagne verhalf der „Jelzin-Clan“, allen voran Boris Beresowskij in seiner Funktion als Präsidentenberater und Inhaber mehrerer Fernsehanstalten und Zeitungen, Putin zur Macht. Als Gegenleistung sicherte Putin seinem Vorgänger Jelzin Straffreiheit sowie den Erhalt seiner Privilegien zu. Im ersten Jahr seiner Amtszeit blieben einige Mitglieder der Nomenklatura — wie Stabschef Alexander Woloschin und Ministerpräsident Michail Kasjanow — verschont. Gleichzeitig begann Putin, sachkundige Weggefährten aus seiner St. Petersburger Zeit nach Moskau zu holen. Als ehemaliger KGB-Agent konnte er auf die Unterstützung durch die Sicherheitskräfte zählen. Gezielt erarbeitete Putin sich seinen Machtzuwachs.

Bombenanschläge in Moskau, die dem vergifteten Ex-KGB-Agenten Alexander Litwinenko zufolge der Geheimdienst FSB angezettelt hatte, wurden tschetschenischen Rebellen angelastet und führten zum Zweiten Tschetschenienkrieg. Im Januar 2000 entließ Putin korruptionsverdächtige Kremlgrößen und begann mit Regierungsumbesetzungen. Die harte Vorgehensweise gegen Tschetschenen und die russische Mafia brachten ihm beim Volk große Sympathien ein. Putin soll den Idealen der Sowjet-union und des KGB nie abgeschworen haben. Vorbild und Förderer des jungen Putin war Jurij Andropow. Während Putins erster Amtszeit regierten im Kreml zwei gegeneinander operierende Gruppen: die „Familie“, bestehend aus Leuten, die Boris Jelzin nahestanden, und den Oligarchen, die von Jelzins Politik profitierten, sowie die „Silowiki“, eher nationalistisch Gesinnte aus Militär und Geheimdiensten. Unliebsame politische Gegner fielen Rufmordkampagnen zum Opfer, Privatsender wurden geschlossen oder verstaatlicht. Putin sagte den Oligarchen den Kampf an. Beresowskij floh nach London. Michail Chodorkowskij, damals Ölmagnat und Chef des Jukos-Konzerns, unterstützte die liberale Jabloko-Partei finanziell und kündigte an, bei der Präsidentenwahl zu kandidieren. Er wurde kurz vor der Wahl verhaftet und wegen Steuerhinterziehung in sibirische Lagerhaft gesteckt. Michail Kasjanow wurde 2004 als Premierminister entlassen und durch Michail Fradkow, Leiter der Steuerfahndung, ersetzt. Diese Warnung verstanden die übrigen Oligarchen und arrangierten sich mit dem Staat.

Während der zweiten Amtsperiode steuerte der „lupenreine Demokrat“, wie Gerhard Schröder den in die Kritik geratenen Putin nannte, hin zu einer „gelenkten Demokratie“. Die Selbständigkeit der Bundesstaaten der Russischen Föderation wurde eingeschränkt, indem die bis dahin frei gewählten Gouverneure seitdem vom Präsidenten ernannt wurden. Die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug der Parteien in die Duma wurde auf sieben Prozent erhöht, de facto ruderte Rußland zurück zu einem Einparteiensystem.

Außenpolitisch hat Rußland während der Putin-Ära die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu seinen europäischen Nachbarn ausgebaut. Öl- und Gasexporte brachten Rußland Wirtschaftswachstum und stellen zudem ein probates Druck-mittel des russischen Staates gegenüber den Importländern dar. In seinem Streben, Rußland den Status einer Großmacht zu geben, verteidigte Putin die nationalen Interessen seines Landes zuweilen recht aggressiv, insbesondere wenn es darum ging, den russischen Einfluß in den ehemaligen Sowjetrepubliken aufrechtzuerhalten sowie den US-Einfluß in dieser Region einzudämmen.

Foto: Wahlsieger: Putin und Medwedjew nehmen am Wahlabend ein Bad in der Menge.

 

Zeitzeugen

Boris Beresowskij – Unter Jelzin zu Geld und Einfluß gelangt, verhalf der Ex-Oligarch Putin zur Macht, geriet im Zuge des Vernichtungsschlags des Präsidenten gegen die Oligarchen in Bedrängnis, womit er nicht rechnete. Beresowskij lebt heute im Exil in London.

Grigorij Jawlinskij – Als Reformpolitiker der ersten Stunde legte er der Regierung Gorbatschow ein Programm zur Liberalisierung der sowjetischen Wirtschaft vor, das vom Parlament abgelehnt wurde. Jawlinskij wollte keinen Kompromiß, sondern verließ die Regierung. 1993 gründete er die liberale Partei „Jabloko“, als deren Vorsitzender er 1996 und 2000 Präsidentschaftskandidat wurde. Jabloko war von 1993 bis 2003 in der Duma vertreten, scheiterte danach  an der Fünf-Prozent-Hürde und der heraufgesetzten Sperrklausel.

Alexander Lebed – In den 90er Jahren war er der bekannteste und angesehenste General des Landes. 1996 kandidierte er für das Amt des Präsidenten und beabsichtigte, Stellung und Ausrüstung des Militärs zu stärken. Lebed verstand sich ausdrücklich nicht als Demokrat, wollte jedoch ein friedliches Rußland. Ein mittels seiner Hilfe ausgehandeltes Friedensabkommen beendete den Ersten Tschetschenienkrieg. Als Politiker kritisierte er das brutale Vorgehen russischer Eliteeinheiten in Krisengebieten. 2002 kam er unter ungeklärten Umständen bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben.

Gennadij Sjuganow – Als eingefleischter Kommunist gründete er die neue Kommunistische Partei der Russischen Föderation, deren Vorsitzender er seit 1995 ist. Die KP ist heute mit etwas über zehn Prozent der Stimmen neben „Unser Rußland“ die einzige in der Duma vertretene Opposition.

Michail Kasjanow – Im Mai 1999 wurde Kasjanow zum russischen Finanzminister ernannt. Putin machte ihn im Januar 2000 zum Premierminister. Kasjanow gilt als Liberaler, dessen Verhältnis zur Staatsmacht sich wegen seines Protests gegen die Festnahme der Jukos-Chefs abkühlte. 2004 entließ Putin Kasjanow, der sich später der Oppositionsbewegung „Das andere Rußland“ anschloß. Zur Präsidentschaftswahl 2008 wurde Kasjanow nicht zugelassen.


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