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08.03.08 / Blutiger Flickenteppich / Ost-Timor kommt nicht zur Ruhe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-08 vom 08. März 2008

Blutiger Flickenteppich
Ost-Timor kommt nicht zur Ruhe
von Joachim Feyerabend

Das kleine Ost-Timor ist auch durch seine international anerkannte Unabhängigkeit 2002 nicht zur Ruhe gekommen. Bis 1975 hatten die Portugiesen, jahrhundertelang Kolonialherren, den Inselstaat im Griff. 1975 marschierten die Truppen Indonesiens in das zu 96 Prozent katholische Ost-Timor ein. Seitdem hat ein Viertel der heute rund eine Million Einwohner bei Gemetzeln der muslimischen Streitkräfte des großen Nachbarlandes, bei Rebellionen und lokalen Massakern zum Teil grausam den Tod gefunden.

Der junge Staat gilt trotz reicher Erdgasvorkommen vor seiner Küste noch immer als Armenhaus Südostasiens mit extrem hoher Kindersterblichkeit, mangelnder ärztlicher Versorgung und einem Pro-Kopf-Einkommen von nur 55 Cent pro Tag. Dies alles bei gleichzeitig stark wachsender Geburtenzahl und einer perspektivlosen, anarchischen und gewaltbereiten Jugend. Rund 100000 Flüchtlinge vor den immer wieder aufflackernden Massakern überall im Land leben noch heute in Behelfslagern. Rund 40 Familien beherrschen das Land und stehen gegen ein Heer hungernder Mäuler.

Das jüngste Attentat im Februar auf den Präsidenten José Ramos Horta durch den bei dem Überfall getöteten Rebellenführer und General Alfredo Reinado markiert nur den vorläufig letzten Akt der Aufstände, die Ost-Timor seit seiner Unabhängigkeit regelmäßig heimsuchten – die internationale Schutz- und Polizeitruppe von rund 2000 Mann (zu 70 Prozent Australier) scheint hilflos. Ost-Timor ist ein Flickenteppich verschiedenster kleiner Völker, von der Uno in den vergangenen Jahren weitgehend im Stich gelassen. Der Staat umfaßt ein Gebiet von der Größe Schleswig-Holsteins.

Dabei lastet auch das portugiesische Kolonialerbe schwer auf dem Land. Ganze 20 Kilometer geteerter Straße hatten die Kolonialherren aus Lissabon bei ihrem Abzug 1975 hinterlassen, entsprechend sieht auch die übrige Infrastruktur des Landes aus. Dabei war bei der Gründung des umkämpften Staates 2002 dank der vorhandenen „Timor-Gap“-Gasfelder in der See schwärmerisch bereits von einer künftigen „Schweiz“ Südostasiens gesprochen worden. Indes: Es wird bis heute nicht ein Kubikmeter gefördert, denn die nötigen Investoren (zusätzlich für den Aufbau eines Devisen bringenden Tourismus) bleiben wegen der permanenten Unruhen aus.

Jahrzehntelang hatten José Ramos Horta und die „Fretilin“-Partei (Frente Revolucionario do Timor-Leste Independente) vom Exil aus mit friedlichen Mitteln um die Unabhängigkeit gekämpft und dafür 1996 den Friedensnobelpreis erhalten. Mit der „Nelkenrevolution“ wurde sie erstmals 1974 Wirklichkeit, bis die indonesische Armee 1975 von West-Timor aus den östlichen Inselteil mit einem Einmarsch annektierte, 200000 Bürger dahin metzelte, das eroberte Land als 27. Provinz des Vielvölkerstaates Indonesien proklamierte und sogleich mit dem sogenannten „Transmigrasi-Projekt“ begann, die überwiegend katholische Bevölkerung Ost-Timors zugunsten eingewanderter Muslime auf andere Inseln zwangsumzusiedeln.

Der Unfrieden aber hatte nach der international erzwungenen, erneuten Unabhängigkeit 2002 kein Ende. Unzufriedene Fretilin-Mitglieder, die von heimkehrenden Exilanten aus ihren Ämtern verdrängt wurden, verbündeten sich mit wegen Menschenrechtsverletzungen aus der Armee Ausgestoßenen. 2006 revoltierte rund die Hälfte aller Soldaten. Zusammen mit marodierenden Jugendbanden lieferten sie sich immer neue Scharmützel mit den Sicherheitskräften.

Nun traf es sogar den Präsidenten selbst. José Ramos Horta wurde schwer verwundet in einem Hospital der australischen Hafenstadt Darwin eingeliefert, der bei dem Überfall glimpflich davongekommene Premierminister Xanana Gusmao versucht derweil, zusammen mit den fremden Sicherheitskräften und unter dem Schutz eines australischen Kriegsschiffes die labile Ordnung wiederherzustellen – bis zum nächsten Putsch.


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