28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.03.08 / »Radikal eigenwillige Kunst« / Das Berliner Kupferstichkabinett würdigt den Zeichner Matthias Grünewald mit einer Ausstellung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-08 vom 08. März 2008

»Radikal eigenwillige Kunst«
Das Berliner Kupferstichkabinett würdigt den Zeichner Matthias Grünewald mit einer Ausstellung
von Silke Osman

Er zählt neben Albrecht Dürer und Lucas Cranach zu den berühmtesten Künstlern der deutschen Renaissance. Sein Meisterwerk, der Isenheimer Altar im Musée d’Unterlinden zu Colmar, ist eines der bedeutendsten Kunstwerke dieser Epoche. Der Altar stand im Mittelpunkt einer Ausstellung, die jetzt in Colmar zu Ende geht. Dort und in Karlsruhe würdigte man den Maler Matthias Grünewald (um 1480–1528). Daß der große Maler aber auch ein virtuoser Zeichner war, wird ab 13. März eine Ausstellung des Berliner Kupferstichkabinetts zeigen. Sie führt erstmals alle erreichbaren Studien Grünewalds an einem Ort zusammen. Die umfassende, auf langjähriger wissenschaftlicher Arbeit am Kupferstichkabinett basierende Schau bildet den Abschluß der gemeinsam mit dem Musée d’Unterlinden zu Colmar und der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe ausgerichteten Ausstellungstrilogie zum Werk Grünewalds.

Berlin ist geradezu prädestiniert, eine solche Schau zu präsentieren, findet sich im dortigen Kupferstichkabinett doch der weltweit größte Bestand an Grünewald-Zeichnungen. 35 von 36 bekannten Zeichnungen werden in der Ausstellung zu sehen sein, darunter Leihgaben aus den bedeutendsten Museen Europas und den USA. Ausgesuchte Gemälde werden ihnen gegenübergestellt, so daß der Besucher beim genauen Hinsehen die enge Verbindung entdecken kann, die zwischen Gemälde und Zeichnung besteht. Und so will die Berliner Ausstellung „einen entscheidenden Beitrag zur Lösung des vielbeschworenen ,Rätsels Grünewald‘ liefern“.

„Die umfassende Zusammenschau erweist Grünewald als bedeutenden Protagonisten einer radikal eigenwilligen Zeichenkunst: Anders als seine berühmten Kollegen, genannt seien vor allem Albrecht Dürer, Hans Baldung Grien oder Albrecht Altdorfer, scheint er sich für die aufwendige Präsentationszeichnung wenig interessiert zu haben“, betont Antje-Fee Köllermann, die Michael Roth bei der Zusammenstellung der Schau unterstützte. „Trotzdem gehören seine Blätter zum Besten, was sich aus dieser Zeit erhalten hat. Die kleine Gruppe auf uns gekommener Studien ist ausnahmslos im flüchtigen Medium der Kohle ausgeführt, alle Zeichnungen wurden auf großen Papierbögen angelegt, häufig sind die Blätter von beiden Seiten bezeichnet.

Es handelt sich mithin um einen Bestand, der wohl ausschließlich für den Gebrauch im eigenen Atelier genutzt wurde und in konkreter Vorbereitung auf geplante Gemälde entstand. Mal wird ein ausgereifter Bildgedanke in dramatischer Ausleuchtung durchgezeichnet und mit aufwendigen Weißhöhungen versehen, mal einer so-eben ersonnenen Form tastend Gestalt verliehen. Zuweilen wird ein bereits gefaßter Bildgedanke dabei auch wieder verworfen, in einer neuen Variante präzisiert oder noch einmal ganz neu aufs Papier gebracht.

In der konzentrierten Zusammenschau vermitteln sich daher einmalige Einsichten in die Zeichenkunst eines Künstlers, der sich wie kaum ein anderer dem Studium menschlicher Empfindungen und Affekte verschrieben hat. Der Besucher der Ausstellung gewinnt Aufschluß über die Wahrnehmung und die Entwurfspraxis Grünewalds. Die unmittelbare Gegenüberstellung der Zeichnungen mit den ausgeführten Gemälden bietet darüber hinaus faszinierende Einblicke in den handwerklichen und künstlerischen Entstehungsprozeß.“  Grünewalds Zeichnungen wurden nach seinem Tod in alle Winde zerstreut. So ist es ein Wunder, daß in Berlin eine solche Ausstellung zustande kam.

Die Ausstellung „Matthias Grünewald – Zeichnungen und Gemälde“ im Berliner Kupferstichkabinett, Kulturforum Potsdamer Platz, Eingang Matthäikirchplatz,  ist außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 12 / 6 Euro, vom 13. März bis 1. Juni.

Foto: Matthias Grünewald: Christus am Kreuz (Kohle, um 1515 bis 1522, Ausschnitt)


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren