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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-08 vom 08. März 2008
Nichts für Depressive Es gibt Autoren, von denen man sich wünscht, sie hätten mehr geschrieben. Richard Yates (1926–1992) ist ein solcher. Buch für Buch können sich jetzt auch deutsche Leser mit dem Werk des modernen Klassikers der US-Literatur vertraut machen. Der Band „Verliebte Lügner“ enthält sieben Kurzgeschichten voller Melancholie und Lakonie. Als Antidepressivum sollte man Yates nicht konsumieren, denn wenn seine Figuren nach Liebe, Erfolg oder Sinn suchen, dann suchen sie vergebens. Yates kam aus einer zerbrochenen Familie, hatte eine starke Affinität zu Alkohol und Nikotin. Man würde ihn wohl als instabil bezeichnen mit einem Hang zu psychischen Krisen: Doch welcher große Künstler ist schon „stabil“ oder „normal“? Das war auch Yates literarisches Vorbild F. Scott Fitzgerald nicht, und trotzdem verdanken wir diesem lebenslangen Trinker einige der größten Romane der englischsprachigen Literatur. Ein anderer großer amerikanischer Autor – Ernest Hemingway – war ebenfalls ein Säufer und zudem ein seelisch instabiler Selbstmörder, wenn auch seine „männliche Prosa“ von den Stimmungsschwankungen des Autors ablenken sollten. In der Geschichte „Abschied von Sally“ verweist Yates folgerichtig immer wieder namentlich auf sein erzählerisches Vorbild Fitzgerald, das auch das Vorbild vieler seiner literarischen Figuren darstellt. Yates ist erst nach seinem Tod in den Vereinigten Staaten wieder entdeckt worden. Neben seiner Schriftstellerei mußte er sich Zeit seines Lebens als Werbetexter und Redenschreiber durchschlagen. Außerdem unterrichtete er Creative Writing an Colleges und versuchte sich wenig erfolgreich als Drehbuchschreiber. Nach „objektiven“ Maßstäben würde man sagen, daß er beruflich wie privat gescheitert ist. Dies hat er mit den Figuren, die seine Romane und Short Stories bevölkern, gemeinsam. Doch wie kann man über einen so grandiosen Autor sagen, daß er gescheitert ist, nur weil sich die Außenwelt bis vor ein paar Jahren weigerte, den Wert seines Schreibens zu erkennen? Yates bricht nie den Stab über seine Figuren, er denunziert seine „Helden“ nicht und gibt sie nicht der Lächerlichkeit preis. Darum wirken sie so, als kämen sie aus dem realen Leben und nicht aus irgendeinem irrealen amerikanischen Traum. Ansgar Lange Richard Yates: „Verliebte Lügner“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, 320 Seiten, 19,95 Euro |
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