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15.03.08 / Wer kann sich denn noch einen Mercedes leisten? / Deutschlands gesellschaftliche Mitte bricht weg – Vertrauen in Soziale Marktwirtschaft auf dem Tiefpunkt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Wer kann sich denn noch einen Mercedes leisten?
Deutschlands gesellschaftliche Mitte bricht weg – Vertrauen in Soziale Marktwirtschaft auf dem Tiefpunkt
von Ansgar Lange

Verdi und der Deutsche Beamtenbund, die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, die Gewerkschaft der Polizei, die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie oder auch die IG Metall: Sie alle eint ein Gedanke und der heißt „Money, money, money“. Angesichts hoher Lohnforderungen warnen sogleich Arbeitgeber vor der Gefährdung des Aufschwungs. Sicher, Lohnzurückhaltung ist und war eine Tugend, die deutsche Unternehmen wieder konkurrenzfähig gemacht hat. Aber kann das so weiter gehen?

Der wirtschaftliche Aufschwung der letzten Jahre ist an weiten Teilen der Bevölkerung vorbeigegangen. Am 2. März titelte die „Welt am Sonntag“: „Die geprellte Mitte der Gesellschaft“. Tenor des Artikels: Die Mittelschicht ist der große Verlierer der deutschen Steuerpolitik der letzten eineinhalb Jahrzehnte. Während sich sowohl Reiche als auch Geringverdiener über Erleichterungen freuen konnten, kamen für die breite Masse ständig neue Lasten hinzu. In dieser Zeit haben im Bund CDU / CSU und FDP, SPD und Grüne sowie Union und SPD regiert, so daß sich keiner von Schuld freisprechen kann.

„Ein lediger Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen von rund 37000 Euro etwa mußte im Jahr 2005 inflationsbereinigt rund fünf Prozent mehr Einkommenssteuern zahlen als 1992. Bei einem Verdienst von rund 59000 Euro lag die Mehrbelastung sogar bei zehn Prozent“, rechnete die „Welt am Sonntag“ vor. 

Die wirklich Wohlhabenden aber finden ihre Schlupflöcher durch Beteiligungen an Schiffsfonds und andere Möglichkeiten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat errechnet, daß die 450 Deutschen mit dem höchsten Einkommen im Jahr 2002 durchschnittlich 34 Prozent Einkommenssteuer und damit deutlich weniger als den Höchstsatz (42 Prozent) gezahlt haben. Während die Mittelschicht immer weniger von der Steuererklärung absetzen kann (zum Beispiel wurde die Pendlerpauschale gestrichen), profitieren die Armen von der Senkung des Eingangs- und die Reichen von der Senkung des Spitzensteuersatzes.

Die Wirtschaft boomt – die realen Nettolöhne fallen. Die Wachstumsgewinne fließen vor allem an die Unternehmer und Kapitalbesitzer. „Das ist einmalig in der deutschen Wirtschaftsgeschichte“, kommentiert Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).

Es sind nicht die Normalverdiener, die vom Aufschwung profitieren, wie auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aktuell feststellt: „Die Mittelschichten schrumpfen, womit jene Haushalte gemeint sind, die über 70 bis 150 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen. Über Jahrzehnte machte diese Gruppe stabil 62 Prozent der Deutschen aus. Doch plötzlich, nach der Jahrtausendwende, beginnt es zu bröckeln. 2006 gehörten schon nur noch 54 Prozent zur Mittelschicht. Das sind 44 Millionen Menschen, die sich als Mitte definieren können, fünf Millionen weniger als im Jahr 2000“, schrieb selbst die linke „Tageszeitung“, deren Leser sich längst zur Mittelschicht zählen, besorgt.

Das Wirtschaftsmagazin „Capital“ prägte bereits den Begriff von der „Weniger-Gesellschaft“ und fuhr den Arbeitgebern in die Parade. Es sei falsch, den schwarzen Peter einseitig an die Politik (Stichwort Steuerstaat) zu schieben. Denn netto seien die Stundenlöhne seit 2000 mit einem Minus von real einem Prozent sogar weniger stark gefallen als brutto mit minus 1,7 Prozent: „Mit anderen Worten: Der Staat hat Lohnsenkungen durch Entlastungen bei Einkommenssteuer und Sozialabgaben sogar gemildert.“ Allerdings habe er mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer auch das Preisniveau nach oben getrieben.

Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach warnt bereits: „Wenn die Menschen merken, daß sie vom Aufschwung profitieren, kommt verlorenes Vertrauen in die Marktwirtschaft zurück.“ Und wenn die Mittelschicht weiter schrumpfte, kaufe niemand mehr die neue C-Klasse von Mercedes oder den Dreier-BMW. Solche Autos konnten sich früher mal Facharbeiter, Angestellte und Beamte leisten.


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