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15.03.08 / Polizei: Die Gewalt nimmt zu / Berliner Kriminalstatistik 2007: Insgesamt weniger Verbrechen, doch immer mehr »Rohheitsdelikte«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Polizei: Die Gewalt nimmt zu
Berliner Kriminalstatistik 2007: Insgesamt weniger Verbrechen, doch immer mehr »Rohheitsdelikte«
von Markus Schleusener

Einzelhändler Florian H. wurde Ende 2007 gleich zweimal Opfer von Kriminellen. Erst kamen vier als Kunden getarnte Diebe in sein Fernsehfachgeschäft in Berlin-Schöneberg. Zwei von ihnen lenkten die beiden Verkäufer ab. Die anderen schleppten in einem günstigen Moment die für den Abtransport zum Kunden vorbereiten Pappkartons mit Flachbildschirmen aus dem Laden. Niemand hat etwas gemerkt. Schaden: mehrere tausend Euro.

Wenige Wochen danach hatte H. eine neue Überwachungskamera installiert, durch die er den Verkaufsraum überblicken kann. Jetzt kann mir nichts mehr passieren, dachte er. Diesmal drangen Einbrecher aber von hinten in sein Geschäft ein.

Sie brachen die massive Tür auf und gingen in sein winziges Büro. Hier klauten Sie eine Geldbörse, einen Klapprechner und ein I-Phone. H. war einer der ersten stolzen Besitzer dieses neuartigen mobilen Kult-Telefons von der Firma Apple. Jetzt nicht mehr.

Wieder belief sich der Schaden auf weit mehr als 1000 Euro. Wenn H. von sinkenden Kriminalitätszahlen hört, schüttelt er nur den Kopf. Doch die Zahlen, die Berlins Innensenator Erhart Körting (SPD) vergangene Woche präsentiert hat, besagen genau das: Die Kriminalität in der Hauptstadt sinkt. „Niedrigste Zahl der Straftaten seit der Wende“, jubelte der Senats-freundliche Berliner „Tagesspiegel“.

Aber stimmt das auch? Tatsache ist, daß 2007 „nur“ 496163 Fälle angezeigt wurden. Das entspricht einem Rückgang von 0,1 Prozent (auch der Rückgang ist der niedrigste seit der Wiedervereinigung).

Gleichzeitig stieg die Aufklärungsquote von 50,2 Prozent auf 50,4 Prozent (immerhin die zweit­höchste Quote seit 1990). Fast jeder dritte Tatverdächtige (29,8 Prozent) war Ausländer (Gesamtbevölkerungsanteil der Ausländer: 13,9 Prozent).

Ein halbe Million Delikte – was genau passiert auf Berlins Straßen? Ganz vorne liegen Diebstähle (37 Prozent), also Fälle, wie sie dem Einzelhändler H. gleich zweimal widerfahren sind. Gefolgt von Fälschungen und Vermögensdelikten (20 Prozent) sowie Rohheitsdelikten und Straftaten gegen die persönliche Freiheit (14 Prozent).

Es sind solche Rohheitsdelikte, die vielen Leuten, gerade auch älteren Berlinern Angst machen. Doch ausgerechnet von ihnen registrierte die Polizei, gegen den allgemeinen Trend, fast 70000 Fälle, rund 2,7 Prozent mehr als im Vorjahr.

Damit erreicht die Zahl der Rohheitsdelikte den zweithöchsten Stand in den vergangenen zehn Jahren. Von Entwarnung kann hier also keine Rede sein. Für die Opposition kritisierte der Abgeordnete Frank Henkel (CDU), daß die Kriminalität auf hohem Niveau stagniere.

Andererseits konnte die Polizei erleichtert feststellen, daß die Diebstähle von Autos, Fahrrädern und Handtaschen mehr oder minder stark zurückgingen. Immer aufwendigere Sicherheitstechnik in den Autos macht es möglich.

Dagegen gab es einen Anstieg bei den Kinderschutzdelikten. Das allerdings könnte auch auf eine höhere Bereitschaft zurückgehen, mögliche Fälle von Kindesmißhandlung auch anzuzeigen statt wegzusehen. Spektakuläre Fälle wie Kevin oder Lea-Sophie haben viele Menschen aufgerüttelt. Die Zahl der Ermittlungen wegen Mißhandlung stieg um 14 Prozent, wegen Verletzung der Fürsorgepflicht um 29 Prozent.

Die Jugendgruppengewalt (mehrere Täter gemeinsam) stieg leicht. Der Anstieg ist vor allem auf Wandschmierereien zurück­zuführen. Im Vorjahr war die Jugendgewalt noch um 8,4 Prozent gestiegen. 44 Prozent der jugendlichen Täter (unter 18 Jahren) haben einen Migrationshintergrund. Das ist gar nicht so viel, denn bereits 40 Prozent aller Jugendlichen in Berlin haben einen solchen Migrationshintergrund.

Entwarnung ist dadurch aber noch längst nicht gegeben. Die Zahl der Intensivtäter, unter denen Ausländer extrem stark vertreten sind, stieg von 742 auf 984 (plus 32 Prozent).

Die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS) spiegelt nicht die ganze Wahrheit wider. Es gibt immer auch ein Dunkelfeld, also Fälle, die nicht zur Anzeige kommen und deswegen in keiner Statistik auftauchen. Wie die PAZ erst kürzlich berichtete, scheuen sich sogar Angestellte der Berliner Verkehrsbetriebe, Übergriffe anzuzeigen – aus Angst vor der Rache der Gewalttäter. Die wahre Kriminalitätsentwicklung könnte also erheblich von den offiziellen Zahlen abweichen, sagt selbst die Polizei. In dem Bericht für 2007 heißt es wörtlich: „Es kann daher nicht von einer feststehenden Relation zwischen tatsächlich begangenen und statistisch erfaßten Straftaten ausgegangen werden.“


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