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15.03.08 / Ägyptens Verstrickungen im Gaza-Streifen / Ein Enthüllungsbericht in »Vanity Fair« belastet neben den USA auch arabische Staaten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Ägyptens Verstrickungen im Gaza-Streifen
Ein Enthüllungsbericht in »Vanity Fair« belastet neben den USA auch arabische Staaten
von R. G. Kerschhofer

Die Bombe platzte, als sich US-Außenministerin Condoleezza Rice gerade in Kairo aufhielt, der ersten Station ihrer jüngsten Nahost-Reise. Die Bombe – das ist ein Bericht mit dem Titel „The Gaza Bombshell“, veröffentlicht vom amerikanischen Monatsjournal „Vanity Fair“ (im Internet unter www.vanityfair.com/politics/features/2008/04/gaza200804, die Druckversion steht noch aus).

Kernaussage des Autors David Rose: Die Gaza-Katastrophe wurde durch krasse Fehler und direkte Eingriffe der US-Regierung herbeigeführt. Belastet werden auch Regierungen arabischer Länder, vor allem Ägyptens. Die Abläufe waren zwar meist bekannt und erlaubten es, auf Hintergründe zu schließen. Doch kein westliches Medium wagte es bisher, die Schuldigen so klar beim Namen zu nennen. Rose stützt sich dabei auf Dokumente, deren Echtheit feststeht.

Es begann damit, daß der US-Präsident auch in Palästina „Demokratie“ haben wollte – obwohl seine Berater, Israel und die Fatah dringend davon abrieten. So kam es zu den Wahlen im Januar 2006, die zwar ordnungsgemäß abliefen, aber der Hamas eine komfortable Mehrheit brachten: Die Wähler straften die korrupte Fatah ab und belohnten die Hamas, eine als Ableger der ägyptischen Muslim-Bruderschaft zunächst rein religiös-karitative Organisation. Für viele war die zuvor angedrohte Streichung von US- und EU-Hilfsgeldern der Beweis, daß diese nur Bestechungsgeld für die Fatah und Schutzgeld für Israel sind.

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas mußte nach den Regeln der Demokratie Ismail Hanijeh, den Hamas-Führer in Gaza, zum Ministerpräsidenten machen. Doch Bush beschloß, den ersten Fehler durch einen zweiten zu „korrigieren“ und die Hamas auszuschalten – obwohl sie im Februar 2005 einseitig eine Waffenruhe verkündet hatte (die sie erst Mitte 2006 widerrief) und obwohl namhafte Analytiker, darunter der ehemalige Mossad-Chef Halevy, darauf hinwiesen, daß es in der Hamas einen einflußreichen gemäßigten Flügel gebe, mit Hanijeh an der Spitze.

Rose schildert, wie in der Folge Bush, Rice, der US-Generalkonsul in Jerusalem Walles und der Nahost-„Sicherheitskoordinator“ Generalleutnant Dayton Druck auf Abbas und arabische Regierungen ausübten, um die Hamas-Regierung zu sabotieren und in Gaza bürgerkriegsartige Zustände herbeizuführen. Wesentliche Beiträge dazu waren der von der EU mitgetragene Finanz-Boykott, die israelische Gaza-Blockade und die Verschleppung zahlreicher Hamas-Abgeordneter und Minister nach Israel.

Die Fatah behielt das Kommando über die 70000 Mann der 14 (!) palästinensischen Sicherheitsdienste. Mohammed Dahlan, Kommandant des am meisten berüchtigten Dienstes, wurde zur Schlüsselfigur – er war mindestens dreimal mit Bush zusammengetroffen und von diesem als „unser Mann“ bezeichnet worden.

Gegen den Willen der USA begann Abbas im Herbst 2006, mit der Hamas über eine Koalitionsregierung zu verhandeln. Als diese Anfang 2007 in Mekka tatsächlich zustandekam, trat „Plan B“ in Kraft, die militärische Endlösung. In Jordanien und Ägypten ausgebildete und modernst ausgerüstete Fatah-Leute wurden über Ägypten nach Gaza eingeschleust.

Als Anfang Juni bekannt wurde, daß auch Panzerfahrzeuge folgen sollten, ergriffen die an Zahl und Material weit unterlegenen Hamas-Kämpfer die Initiative und schalteten den Gegner in kurzen, aber blutigen Gefechten aus.

Der Rose-Artikel könnte sich vor allem auf die Lage in Ägypten verhängnisvoll auswirken.

Dies umso mehr, als Ägypten auf Druck der USA an der kürzlich durchbrochenen Grenze zu Gaza eine Mauer errichtet und landesweit Muslim-Brüder verhaftet. Ein Gamal Abd-el-Nasser konnte es sich leisten, gegen die Muslim-Bruderschaft vorzugehen, denn er überzeugte sein Volk mit einer arabischen Außenpolitik und mit sozialen Maßnahmen.

Heute aber ist die Regierung US-hörig, und wegen der sozialen Mißstände haben die Islamisten ebenfalls regen Zulauf – viele junge Männer, die mangels Arbeitsplatz nicht heiraten können, flüchten in die Religion. Was auch Europa gerne übersieht: Extremismus kommt nicht von Hetze, sondern von krassem Unrecht, und eine verlogene Politik löst genau jenen Terror aus, der den „Krieg gegen den Terror“ zu rechtfertigen scheint.

Immerhin scheint sich Ägypten nun ernsthaft um einen Waffenstillstand zwischen Hamas und Israel zu bemühen.

Alles wird davon abhängen, ob die Welt eine rechtmäßig gewählte Hamas-Führung anerkennt oder weiterhin bekämpft.


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