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15.03.08 / Die Schaubühne, eine moralische Anstalt? / Vor 75 Jahren: Wie sich das Stadttheater zum Staatstheater Danzig entwickelte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Die Schaubühne, eine moralische Anstalt?
Vor 75 Jahren: Wie sich das Stadttheater zum Staatstheater Danzig entwickelte
von Rüdiger Ruhnau

Vor 75 Jahren wurde durch eine Rechtsverordnung der Danziger Regierung das Stadttheater in den Rang eines Staatstheaters erhoben. In einem Zeitungsartikel konnte man damals lesen: „Der marxistische Spuk und volksvergiftende Freigeist haben fortan keinen Platz mehr in diesem Haus. Dafür werden wieder deutsche Meister der Dichtkunst und der Musik ihren Ehrenplatz einnehmen.“

Zwei Theaterrichtungen standen sich damals in der Freien Stadt kompromißlos gegenüber. Strebten die einen nur künstlerische Lösungen an, ohne dabei das Bedürfnis nach Unterhaltung zu vernachlässigen, dann wünschten die anderen ein „Weltanschauungstheater“, das Theater als Hebel zur gesellschaftlichten Umgestaltung. Natürlich unterstützte die linksliberale Presse vorbehaltlos die verkappte Indoktrinierung, während sich auf der konservativen Seite Kräfte sammelten, darunter die Zentrumspartei, welche die „kul-turzersetzenden“ Tendenzen bekämpften.

Diese weltanschaulichen Gegensätze traten nicht etwa erst in der Weimarer Republik auf. Schon um die Jahrhundertwende, in der saturierten Kaiserzeit, existierten Ansätze, die gesellschaftlichen Normen zu revidieren. Wer hätte beispielsweise von Max Halbe, dem Dichter des Weichsellandes, erwartet, daß er eines seiner ersten Dramen mit „Freie Liebe“ betiteln würde. Berlin, seinerzeit eine Hochburg des Naturalismus, empfand das Stück als zu provokant, keine der Bühnen der Reichshauptstadt war bereit, Halbes Drama aufzuführen. Der Buchdruck kam über die erste Auflage nicht hinaus. Eine heilsame Lehre für den in Güttland bei Danzig geborenen Dichter; drei Jahre später, 1893, wurde sein ähnlich thematisiertes Bühnenstück „Jugend“ vom Theaterpublikum begeistert aufgenommen.

Ab 1924 wirkte als neuer Intendant Hanns Donadt mit glänzendem Erfolg am Danziger Theater. Ihm verdankte das Schauspiel so bewunderte Aufführungen wie „Was ihr wollt“, „Kabale und Liebe“, „Florian Geyer“ und „Peer Gynt“. Zum ersten Mal konnten die Danziger Goldonis „Diener zweier Herren“ in bezaubernd echtem Commedia dell’arte-Stil erleben. Die Oper trat mit einer Reihe bester Aufführungen hervor, von denen genannt werden Rossinis „Italienerin in Algier“ und Mozarts „Idomeneo“, in einer Bearbeitung von Richard Strauß. Letztendlich sollte man die Bühne ja auch als Volkstheater sehen, wo „die Formung des Volks-geistes durch die Kunst“ (Friedrich v. Schiller) die bedeutungsvollste Aufgabe blieb. Heinz Hilpert, Theaterleiter in Berlin und Wien, proklamierte die Rückkehr zur Werktreue. Er schrieb: „Der beste Regisseur ist derjenige, der anonym hinter dem Werk des Dichters verschwindet.“

Über ein Jahrhundert hatte das alte Stadttheater getreulich seine Pflicht erfüllt. Baufälligkeit, Feuergefährlichkeit und andere Unzulänglichkeiten ließen sich mit einigen Schönheitsreparaturen nicht mehr beheben. Ein totaler Umbau wurde notwendig. Nach anderthalbjähriger Bauzeit, in der ständig 200 Arbeitskräfte beschäftigt waren, konnte das Theater am ersten Weihnachtsfeiertag 1935 wieder eröffnet werden. Die architektonische Neugestaltung konnte sich sehen lassen. Die dorische Säulenanordnung des Theatereingangs stimmte in ihrer klassischen Form den Besucher auf den erwarteten Kunstgenuß ein. Der Zuschauerraum mit den drei Rängen war in den Farben Beige, Ockerbraun und Gold getönt. Reicher dekorativer Schmuck zeichnete das Hauptfoyer aus. Hermann Merz, der schon die Zoppoter Waldoper auf höchstes künstlerisches Niveau gehoben hatte, wurde neuer Generalintendant des Staatstheaters. Er war ein arbeitsfroher Schaffer mit beachtlichem Organisationstalent, der mehrere Kulturinstitutionen leitete, darunter die Marienburg-Festspiele in der Stadt an der Nogat.

Das Danziger Staatstheater fungierte als Dreispartentheater. Allein der Spielplan 1938/39 führte die hohe Zahl von 18 Opern-Aufführungen an. Ein liebevoll gepflegtes Sondergebiet bildeten die Märchenvorstellungen zur Weih-nachtszeit. Mit „Peterchens Mondfahrt“, „Hampelmann und Hampelfrau“ oder „Schneewittchen“ erzielte das Ensemble den Jubel der Kinder, die solche Märchenspiele ihr Leben lang nicht vergaßen. Zum 40. Todestag des Komponisten Giuseppe Verdi führte die Danziger Bühne mit Gästen von der Staatsoper Wien die Oper „Aida“ auf.

Die bekanntesten Mimen wirkten längere Zeit in der Ostseemetropole, darunter Hans Söhnker, Karl John und Dieter Borsche. 1942 gastierte Willy Birgel als Kandaules in Hebbels „Gyges und sein Ring“ im Staatstheater. Mitte Juli 1942 erzwang der totale Krieg die Schließung aller deutschen Bühnen.

In Danzig fanden nur noch geschlossene Vorstellungen für Luftwaffenhelfer und Schüler höherer Lehranstalten statt. Zuletzt konzertierte im Januar 1945 das auf 80 Mitglieder verstärkte Staatstheaterorchester vor einem Publikum, das in der Hauptsache aus Uniformierten bestand. Wenige Wochen später versank mit dem Theater die gesamte Innenstadt in Schutt und Asche.

Die Worte Friedrich Schillers, vorgetragen im Jahre 1784 bei einer öffentlichen Sitzung der Kurfürstlichen Deutschen Gesellschaft in Mannheim, sollten zum Nachdenken anregen: „Die Schaubühne ist der gemeinschaftliche Kanal, in welchem von dem denkenden, besseren Teil des Volkes, das Licht der Weisheit herunterströmt und von da aus durch den ganzen Staat sich verbreitet.“

Foto: Prachtvoll: Dorische Säulen zieren den Eingang des Theaters.


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