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15.03.08 / Diagnose Liebeskummer / Wenn das Herz zu brechen droht, ist manchmal professionelle Hilfe notwendig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Diagnose Liebeskummer
Wenn das Herz zu brechen droht, ist manchmal professionelle Hilfe notwendig
von Corinna Weinert

Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling“, so trällerte sich einst die schwedische Schlagersängerin Siw Malmqvist in die Charts. Mit der Realität hat der fröhliche Schlager allerdings nur wenig gemeinsam. Wenn die Liebe geht, kommt der stärkste Mensch ins Wanken und verliert oft die Kontrolle über sein Leben. Liebe ist ein schönes Gefühl – sofern sie auch erwidert wird. Dann kann sie Halt, Kraft, und Selbstvertrauen geben; so richtig gut tun eben. Im Beziehungsalltag jedoch werden Paare immer wieder auf die Probe gestellt. Scheitern sie daran, ist eine Trennung unabwendbar.

Mindestens einer der beiden Partner fühlt sich hinterher in der Regel allein und verlassen, fällt in ein tiefes Loch. Wo man eben noch die vertraute Stimme seines oder seiner Liebsten hörte, ist jetzt nur noch Leere. Das Leben scheint vorbei zu sein, man sieht für sich keinen Sinn und keine Zukunft mehr. In vielen Fällen kommen auch noch Angst, Depressionen oder gar Suizidgedanken hinzu. Das Vertrauen in sich und andere Menschen sinkt kontinuierlich. Ständig geistert die Frage nach dem „Warum“ durch den Kopf. Es fällt schwer, einem geregelten Tagesablauf nachzugehen. Man kann nicht mehr essen und schlafen, sich nicht mehr konzentrieren. „Die Betroffenen leiden unter Appetitlosigkeit, und das Herz bricht vor Schmerz“, erklärt Gereon Heuft von der Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Münster.

Psychologen sprechen von vier Phasen der Trauer, sobald die Trennung vollzogen ist. Zunächst durchlebe man eine Zeit des „Nicht-Wahrhaben-Wollens“. Erst danach beginne die „unangenehmste“ Etappe auf dem Weg zu neuem Glück: Dann nämlich brechen starke Gefühle über den Leidenden herein – Hilflosigkeit, Verzweiflung, Wut. Die Tränen, die bei fast allen fließen, sind keine Tränen der Trauer, sondern eine Streßreaktion, welche die unerträgliche innere Spannung reduziert. Wenn diese Phase ausgestanden sei, beginne die Verarbeitung, erklärt der Stuttgarter Psychotherapeut und Diplom-Psychologe Dietmar Luchmann. So suche der Liebeskranke bald das Gespräch mit Freunden und stürze sich vielleicht in sexuelle Abenteuer, ohne jedoch schon für eine neue Partnerschaft bereit zu sein. Erst in der letzten Phase, der Phase der Akzeptanz, werde die endgültige Loslösung vollzogen, in der die vielschichtigen Ursachen für das Scheitern der Beziehung zur Kenntnis genommen werden. „Das alles braucht Zeit“, sagt der Psychologe.

Silvia Fauck nimmt sich der seelischen Nöte Liebeskummer-Geplagter an. Seit sechs Jahren ist sie als psychologische Beraterin in Berlin und Hamburg tätig, hilft Menschen zwischen Anfang 20 und Mitte 70 über den Trennungsschmerz hinweg, wenn das Herz zu brechen droht. „Ursprünglich wollte ich in meiner Praxis alle möglichen Lebenskrisen behandeln“, erklärt sie, „aber die meisten Klienten kamen wegen Liebeskummer zu mir.“

Fauck unterscheidet drei Klientengruppen: „Da sind die frisch Verlassenen, die von einer Trennung überrascht wurden und oft unter Schock stehen. Und da sind die Gebundenen, die sich zwischen einer Affäre und einer feste Beziehung entscheiden müssen. Und natürlich suchen auch viele Singles meine Praxis auf, weil sie einfach nicht den richtigen Partner finden und daran verzweifeln.“

Liebeskummer gibt es also auch ohne Beziehung und ohne Trennung. „Wer heute mit Mitte 30 noch nicht den Partner fürs Leben gefunden hat, denkt, daß etwas mit ihr oder ihm nicht stimmt. Das ist ein Phänomen unserer Zeit: Jeder möchte gemeinsam mit einem Partner durchs Leben gehen. Aber aufgrund veränderter Rollenmuster kommen die Paare nicht mehr richtig zueinander“, erklärt Fauck.

In der Mehrheit sind es Männer, die sich bei der Expertin Hilfe holen. „Weil sie sich in ihrem Umfeld nicht aussprechen, die Heile-Welt-Fassade aufrecht erhalten wollen“, weiß Fauck, „erst hier in der Praxis lassen sie ihren Tränen freien Lauf.“

Anders die Frauen. Die haben vorher bei Freundinnen ihr Herz ausgeschüttet. „Frauen kommen erst, wenn sie merken, daß sich alle privaten Gespräche im Kreis drehen“, erklärt Fauck, „dafür bleiben sie länger, denn bei vielen geht die Liebeskummerberatung in ein persönliches Coaching über.“ Frauen beschäftigen sich dabei nicht nur mit dem Ex-Partner, sondern wollen auch an sich arbeiten, damit sie nicht beim nächsten Mal in das gleiche Beziehungsmuster verfallen.

Männer hingegen wollen möglichst schnell von ihrem Schmerz geheilt werden, es kostet sie viel Überwindung, über die vergangene Beziehung zu sprechen. „Nicht selten trösten sie sich gleich nach der Trennung mit Liebesabenteuern, das baut ihr angeknackstes Selbstbewußtsein wieder auf“, berichtet Fauck. Wie wichtig es ist, das Selbstbewußtsein der Klienten aufzurichten, hat die Expertin in ihrer Praxis immer wieder erfahren.

Am Anfang einer Liebeskummerberatung geht es jedoch zunächst einmal darum, das Gedanken- und Gefühlschaos in den Griff zu bekommen. „Ich habe immer wieder festgestellt, daß es notwendig ist, erst einmal die Gedanken und Gefühle meiner Klienten zu sortieren“, erklärt sie. Mit sehr viel mehr Klarheit im Kopf geht es im nächsten Schritt daran, die Selbstzweifel aufzulösen, Mut zu machen und das Selbstbewußtsein zu stärken. „Es geht dabei immer wieder um Fragen wie: Was war der Auslöser für die Trennung? Was ist tatsächlich geschehen, warum ist er beziehungsweise sie wirklich gegangen? Was habe ich übersehen? Bin ich in Bezug auf die Gründe ehrlich zu mir selbst? Was kann ich daraus für künftige Beziehungen lernen?“ schildert Fauck.

Das Engagement in Sachen Liebeskummer hat bei Silvia Fauck auch einen persönlichen Auslöser. „Ich wurde vor vier Jahren selbst plötzlich verlassen. Damals war ich fix und fertig. Bis dahin hätte ich nie gedacht, daß man durch Liebeskummer so krank werden kann. Arbeiten, Freunde treffen, ausgehen – das war alles nicht mehr möglich. Ich hatte Depressionen und mußte mich von einem Arzt behandeln lassen.“ Die Lebenskrise hat Silvia Fauck jedoch neue Kraft gegeben. „Wäre ich nicht gezwungen gewesen, mein Leben radikal zu ändern, hätte ich auch nicht so viel Energie für meine Praxis gehabt“, erklärt sie. Geholfen haben ihr auch die beiden erwachsenen Töchter, die in dieser Situation immer für sie da waren. „Mit ihnen konnte ich reden. Das ist auch das, was ich meinen Klienten empfehle: Vertraut euch jemandem an, verkriecht euch nicht.“

Foto: Hilft gebrochenen Herzen: Psychologin Silvia Fauck


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