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15.03.08 / Wirtschaftsfaktor Kind / Personalchefs sehen Eltern mit anderen Augen / Das bleibt in der Familie (Folge 20)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-08 vom 15. März 2008

Wirtschaftsfaktor Kind
Personalchefs sehen Eltern mit anderen Augen / Das bleibt in der Familie (Folge 20)
von Klaus J. Groth

Sie nennen sich „Flohupferl“, „Mäuseburg“, „Bambini-Park“ oder „Little Giants“. Doch, was so scheinbar putzig daher kommt, ist eine kühl kalkulierte Geschäftsidee. Mit Kinderkrippen und Kindergärten läßt sich gut Geld verdienen. Daran ist nichts auszusetzen. Nach den Regeln des Marktes entsteht dort ein Angebot, wo es einen Bedarf gibt. Und der Bedarf ist enorm. Deutsche Unternehmen entdecken erst jetzt, daß Kindergärten zwar zu den weichen Faktoren zählen, aber in Wahrheit ein ganz harter Faktor in der Personalpolitik sind. Inzwischen haben im Terminkalender der Familienministerin Ursula von der Leyen die Eröffnungstermine von Betriebskindergärten einen festen Platz.

Das Mantra der Ministerin lautet bei solchen Gelegenheiten: „Wenn wir wollen, daß in Deutschland wieder mehr Kinder geboren werden, müssen junge Paare Familie und Beruf untereinander verbinden können. Dazu brauchen wir Unternehmen, die durch eine familienbewußte Personalpolitik die Balance von Familie und Arbeitswelt unterstützen. Wir brauchen familiengerechte Jobs statt jobgerechter Familien.“

Zwar geben die Unternehmen unisono vor, genau das unterstützen und fördern zu wollen, die Realität aber sieht anders aus. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln ist für 80 Prozent aller deutschen Unternehmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiges Thema. Allerdings muß das Institut einräumen, daß Großunternehmen weit mehr auf eine bessere Verträglichkeit von Job und Familie achten als kleine und mittlere Firmen. Beinahe 40 Prozent der Betriebe bis neun Mitarbeiter dürfen von einer familienfreundlichen Personalpolitik sprechen. Nachgefragt, wie sich diese Familienfreundlichkeit zeige, wird auf die Vorteile von flexiblen Arbeitszeiten und -formen verwiesen. So böten mehr als 75 Prozent der Unternehmen unterschiedliche Formen der Arbeitszeitflexibilisierung und / oder Telearbeit an.

Die stattlichen Zahlen schrumpfen jedoch beträchtlich, wird nach den vorhandenen Betriebskindergärten gefragt. Obgleich es bei Umfragen unter Wirtschaftsunternehmen offenbar kaum eine abweichende Meinung gibt über den Nutzen eines betrieblichen Kindergartens, sind sie weiterhin die absolute Ausnahme. Lediglich zwei Prozent der Unternehmen bieten einen betrieblichen Kindergarten oder eine Kinderkrippe an.

Das steht im krassen Widerspruch zu den Aussagen, nach denen sich eine solche Einrichtung durchaus rechne. Weitgehend war man sich bei einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft einig, daß Arbeitszufriedenheit und bessere Chancen im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die wichtigsten Motive für eine familienfreundliche Personalpolitik sind.

Jene Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, in größeren Betrieben Kinderkrippen und -gärten einzurichten, listen noch sehr viel mehr Vorzüge auf. Sie offerieren ihre Dienste mit dem Nutzwert „eines indirekten Wachstumsmotors, der zur höheren Produktivität, zum Wissenserhalt und zu Einsparungen in Unternehmen beiträgt“.

 Kindergärten in Unternehmen gehören zu den typischen Dienstleistungen, die an Außenstehende vergeben werden. Damit allerdings wird die Sache auch eine Angelegenheit der Kostenkalkulation. Ein guter Krippenplatz kostet „mit allem Drum und Dran ungefähr 1400 Euro, aber auf keinen Fall weniger als 1200 Euro im Monat“. Das sind Zahlen, bei denen jeder Controller auf die Kostenbremse tritt.

In einigen Nachbarländern sieht das deutlich anders aus. In Holland beispielsweise. Dort arbeiten auch sehr viele Männer in Teilzeit. Die Unternehmen sind in der Betreuung der Kinder stark engagiert. Oder in Schweden. Für manche gilt der nördliche Nachbar als das Musterland der Kleinkinderbetreuung schlechthin. Die vordergründigen Zahlen sind bemerkenswert: Ab dem Alter von einem Jahr besteht Anspruch auf einen Krippenplatz. Die meisten Kinder besuchen vom ersten Geburtstag an eine „Dagis“, eine Tagesstätte. 90 Prozent der Kinder sind spätestens nach dem zweiten Geburtstag dort zu finden. Allerdings stehen auch hinter diesen Zahlen Kalkulationen um einen Mehrwert. Wer zuhause bleibt und selbst für die Kinder sorgt, der zahlt in der Regel keine Steuern. 

Vollends andere Dimensionen nimmt das Thema bei einem Blick in die Vereinigten Staaten an. Kinderbetreuung ist ein klares Geschäftsmodell. Ein Unternehmen wie die Gesellschaft Bright Horizons betreibt mehr als 600 Kinderbetreuungsstätten in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. Zu den Kunden zählen große Firmen wie der Technologiekonzern IBM oder der Finanzdienstleister JP Morgan. Von den 500 umsatzstärksten amerikanischen Unternehmen haben 125 eine integrierte Kinderkrippe.

Zum Wirtschaftsfaktor wird die Betreuung des Nachwuchses auch auf dem Arbeitsmarkt. Wenn, wie beschlossen, bis zum Jahr 2013 die Zahl der Krippen- und Tagesmütterplätze auf 750000 erhöht werden soll, wird das 2,15 Milliarden Euro kosten. 40000 Vollzeitstellen in den Krippen sind zusätzlich zu besetzen. Da aber gerade in diesem Bereich sehr häufig auf Teilzeitbasis gearbeitet wird, ist die Zahl auf 50000 Stellen zu erhöhen. Gegenwärtig teilen sich 420000 Erzieherinnen 280000 Vollzeitstellen. Rechnet man nun noch im Sinne einer vollständigen Bedarfsplanung jene 23000 Kindergärtnerinnen hinzu, die bis 2013 in Rente gehen werden, sind bis zu diesem Zeitpunkt 70000 Stellen neu zu besetzen. Auch wer keine Angst vor großen Zahlen hat, wird bei diesen Planungen ins Grübeln kommen.

Es war ein langer Weg von den ersten Kindergärten, die um 1800 entstanden, bis zu dem immer dichter gewobenen Netz der Kinderbetreuung der Gegenwart. Damals drängten die Menschen im Zuge der Industrialisierung auf der Suche nach Arbeit in die Städte. Die Großfamilien lösten sich auf. Durch die allgemeine Schulpflicht fehlten plötzlich die älteren Geschwister, die bis dahin auf die jüngeren aufgepaßt hatten. Als Lösung wurden Kleinkinderschulen gegründet, die mit schulischem Drill wenig auf die kleinen Kinder eingingen.

Erst mit Friedrich Fröbel  änderte sich dies. Er entdeckte die Bedeutung des Spieles für die Entwicklung des Kindes. Nach anfänglichen Schwierigkeiten setzten sich seine Ideen in Deutschland durch, allenthalben wurden Spielkreise und Kindergärten eröffnet. Allerdings waren sie nur stundenweise geöffnet. Eltern, die eine ganztägige Betreuung suchten, waren auf die kirchlichen Kinderschulen angewiesen. Damit entwickelten sich zwei miteinander wetteifernde Systeme: die freien Kindergärten und die kirchlichen Einrichtungen, die ihren Auftrag in der religiösen Erziehung sahen. Das hat sich inzwischen gründlich geändert. Mittlerweile gibt es hierzulande kirchliche Kindergärten, in denen zu Weihnachten kein Christkind und zu Ostern kein Osterhase kommt. Diese Feste finden im Kindergarten nicht statt.

Andersgläubig erzogene Kinder mit Migrationshintergrund könnten sich daran stören.

In der nächsten Folge lesen Sie: Woher hat das Kind das? – Was von Mutter oder Vater zu lernen ist – Genderstudien im Kinderzimmer?

 

Familienmenschen (und andere)

Gisela Anna Erler (* 1946 in Biberach an der Riß) hat sich schon früh für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eingesetzt. Die Tochter des SPD-Politikers Fritz Erler und seiner Frau Käthe studierte Germanistik und Soziologie. Während dieser Zeit engagierte sie sich im SDS. 1967 war sie Mitgründerin des Trikont-Verlags in München. Sie arbeitete am Deutschen Jugendinstitut. Als Familienforscherin beschäftigte sie sich mit Fragen zur Frau in Bezug auf die Rolle der Geschlechter, Familie und Beruf. Sie veröffentlichte die Streitschrift „Mütter an die Macht!“ und ein Mütter-manifest (beides 1987). Seit 1991 ist Gisela Erler Unternehmerin und Geschäftsführerin des PME Familienservice in Berlin. Ihr Geschäftsmodell: Sie bietet Unternehmen ihre Dienstleistungen bei der Vermittlung von Tagesmüttern, Au-pairs oder Kinderfrauen an. Zudem betreibt sie im Auftrag der Firmen Kindertagesstätten. Nach ihrer Überzeugung befinden sich ihr und andere Unternehmen mit gleichem Angebot erst am Anfang eines langen Weges. Gisela Erler hat zwei Söhne und drei Stiefsöhne.

Hans-Carsten Hansen (* 1953 in Wittingen / Niedersachsen) ist Personalchef der BASF. Das Unternehmen in Ludwigshafen unterhält mehrere Kinderkrippen. Bei der Einweihung der jüngsten „LuKids Krippe“ lobte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen das Engagement des Unternehmens: „Die betriebliche Kinderbetreuung ist ein wichtiger Baustein zu einem familienfreundlichen Unternehmen und der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Die BASF ist durch ihre Angebote zu einer familienfreundlichen Arbeitswelt ein Beispiel dafür, daß Familie und Beruf nicht gegeneinander stehen, sondern einander gut ergänzen.“ Die neue BASF-Kindertagesstätte bietet 30 Kleinkindern im Alter von sechs Monaten bis drei Jahren einen Betreuungsplatz. Personalchef Hans-Carsten Hansen wird die Anerkennung gefreut haben.

Bevor der zur BASF kam, studierte er Rechtswissenschaften in Berlin und Göttingen. 1983 trat er in die BASF AG ein als Arbeits- und Betriebsverfassungsrechtler; acht Jahre später avancierte Hansen zum Leiter der Einheit Personalpolitik. Seit 2003 ist Hansen Personalchef und zugleich für die Bereiche Kulturmanagement und Sponsoring verantwortlich. Das familiengerechte Angebot des Unternehmens begründet der Personalchef so: „Wir verstärken damit unser Engagement für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter, um der demografischen Entwicklung mit konkreten Maßnahmen zu begegnen. Damit nehmen wir nicht nur unsere soziale, sondern auch unternehmerische Verantwortung wahr.“

Foto: Werbeträger Kind: Metrosternchen nennen sich die Kitazwerge des Handelskonzerns


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